Prälat Jüsten: Jetzt nicht Entwicklungshilfe für Ägypten herunterfahren – im Gegenteil
Der Vertreter der
katholischen Kirche im politischen Berlin, Prälat Karl Jüsten, fordert von den Behörden
in Ägypten mehr Schutz für die Kopten. Im Gespräch mit Radio Vatikan meinte er mit
Blick auf den Terroranschlag von Alexandria:
„Der Staat muss dafür Sorge
tragen, dass die koptischen Christen in sicheren Lebensverhältnissen ihre Religion
frei ausüben können; der Staat muss garantieren können, dass sie nicht in Angst und
Schrecken leben müssen.“
Jüsten rät der deutschen Regierung, der Führung
in Kairo offen ihre Sorge über das Schicksal der Christen in Ägypten mitzuteilen.
„Das
Zweite ist, dass wir natürlich auch aus unseren eigenen Erfahrungen lernen können
und möglicherweise dem ägyptischen Staat auch helfen sollten, auch aktiv: Eventuell
auch durch Unterstützung unserer eigenen Sicherheitsbehörden, dass künftig solche
Anschläge vermieden werden können. Das wäre eine konkrete Hilfe.“
Auch
politische Stiftungen aus Deutschland und kirchliche Hilfsorganisationen, die in Ägypten
arbeiten, sollten sich mehr für die Rechte der Kopten dort engagieren, meint Karl
Jüsten. Allerdings hält der Prälat nichts davon, Staaten, die den Christen nicht komplette
Religionsfreiheit garantieren, die Hilfsgelder zusammenzustreichen:
„Das
ist gar nicht der Ansatz, wie wir ihn als Kirchen haben. Wir als Kirche versuchen,
Entwicklungshilfe da zu leisten, wo die Menschen Nöte haben. Not trifft die Menschen
ganz unabhängig davon, welcher Religion sie angehören, und darum müssen wir uns auch
weiterhin in den Ländern engagieren, wo es keine Christen gibt. Das Zweite ist: Wir
müssen uns natürlich ganz besonders in den Ländern engagieren, wo die Menschenrechte
möglicherweise nicht so garantiert sind wie bei uns oder wo sie mit Füßen getreten
werden. Denn wir wissen heute sehr gut, dass es einen inneren Zusammenhang gibt zwischen
der Armutsentwicklung und der Rechtsstaatsentwicklung: Das eine kann nicht ohne das
andere sein. Deshalb sollten wir ganz im Gegenteil unsere Bemühungen in diesen Ländern
verstärken!“
(rv 05.01.2011 sk)
Hier finden Sie das Interview
unseres Redaktionsleiters, Pater Bernd Hagenkord SJ, mit Prälat Jüsten in Berlin im
vollen Wortlaut.
„Zunächst einmal stehen wir natürlich auch hier als Christen
in Deutschland solidarisch an der Seite der Kopten – unser ganzes Mitgefühl gilt den
Familien derer, die Opfer zu beklagen haben, und unsere Sorge gilt natürlich den Christen
in Ägypten: Wie geht`s jetzt weiter? Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass die koptischen
Christen in sicheren Lebensverhältnissen ihre Religion frei ausüben können; der Staat
muss garantieren können, dass sie nicht in Angst und Schrecken leben müssen. Es ist
eine große Errungenschaft der Menschheit, dass es eine individuelle Religionsfreiheit
gibt und eine institutionelle; der ägyptische Staat muss also sowohl die persönliche
Religionsfreiheit des Einzelnen garantieren wie eben auch die freie Religionsausübung
der Gemeinschaft! Der Staat selber möchte das auch, aber es gibt in Ägypten viele,
die das den Kopten streitig machen wollen, und gegen die muss der Staat mit all seinen
Mitteln vorgehen.
Wir bedauern ausgesprochen, dass die Kopten, die in Deutschland
leben – es sind ungefähr 6.000 – jetzt auch hier in Angst und Schrecken leben, ob
sie das Weihnachtsfest so feiern können, wie sie das möchten. Es gibt Hinweise darauf,
dass auch Anschläge in Deutschland geplant sind. Das erfüllt uns mit größter Sorge
– da fühlen wir ganz mit unseren Mitchristen.“
Was kann ein deutscher
Staat tun für die Kopten in Ägypten? Die Betroffenheit ist ja auch ein bißchen ein
Ritual – die Worte sind immer dieselben, bestürzt, betroffen usw... aber was können
wir tun als parlamentarische Demokratie hier in Zentraleuropa, dass so etwas nicht
wieder vorkommen kann?
„Zunächst einmal ist Ägypten ein mit uns befreundetes
Land, und mit Freunden kann man natürlich Dinge auch offen ansprechen und bereden.
Ich denke, das muss die Bundesregierung tun. Das Zweite ist, dass wir natürlich auch
aus unseren eigenen Erfahrungen lernen können und möglicherweise dem ägyptischen Staat
auch helfen sollten, auch aktiv – eventuell auch durch Unterstützung unserer eigenen
Sicherheitsbehörden, dass künftig solche Anschläge vermieden werden können. Das wäre
eine konkrete Hilfe. Und dann müßte man sehen, wie wir selber dem ägyptischen Staat
helfen können, selbst rechtsstaatliche Strukturen zu manifestieren, so dass Ägypten
die Werte, auf denen sein Staat auch beruht, garantieren kann. Da sind besonders die
politischen Stiftungen gefordert, die im Land selber ja aktiv sind und versuchen,
dort Beiträge zur Stabilisierung zu leisten. Da sind wir aber auch mit der Entwicklungshilfe
gefordert: Wir als Kirchen betreiben ja auch Projekte in Ägypten selber. Es gilt,
den Menschen dort klarzumachen, dass die Christen ein Interesse daran haben, am Aufbau
des Landes mitzuhelfen.“
Es ist ja auch der Ruf lautgeworden nach einer
Reglementierung von Hilfsgeldern – dass nur noch Staaten deutsche Hilfsgelder bekommen,
wenn dort Christen nicht verfolgt werden. Trifft man mit sowas nicht die Falschen?
„Das
ist gar nicht der Ansatz, wie wir ihn als Kirchen haben. Wir als Kirche versuchen,
Entwicklungshilfe da zu leisten, wo die Menschen Nöte haben. Not trifft die Menschen
ganz unabhängig davon, welcher Religion sie angehören, und darum müssen wir uns auch
weiterhin in den Ländern engagieren, wo es keine Christen gibt. Das Zweite ist: Wir
müssen uns natürlich ganz besonders in den Ländern engagieren, wo die Menschenrechte
möglicherweise nicht so garantiert sind wie bei uns oder wo sie mit Füßen getreten
werden. Denn wir wissen heute sehr gut, dass es einen inneren Zusammenhang gibt zwischen
der Armutsentwicklung und der Rechtsstaatsentwicklung: Das eine kann nicht ohne das
andere sein. Deshalb sollten wir ganz im Gegenteil unsere Bemühungen in diesen Ländern
verstärken!“