Trotz aller Krisen und Herausforderungen: Christen können mit Zuversicht und Hoffnung
den Jahreswechsel begehen. Das unterstreichen Österreichs Bischöfe in ihren Predigten
zu Silvester. Darin gehen sie in der Regel auch auf den Umgang mit Missbrauchsfällen
im kirchlichen Bereich ein - und auf den sprunghaften Anstieg der Kirchenaustritte
im zu Ende gehenden Jahr. Hoffnungszeichen sehen die Bischöfe darin, dass die Kirche
nach wie vor weltweit eine „große Kraft für Frieden, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit“
ist, die weite Teile der Gesellschaft „beseelt und mitträgt“.
Bischof Egon
Kapellari von Graz-Seckau rät dazu, „die Mitte der Kirche zu stärken und von dort
aus den Blick in die Höhe und Tiefe des christlichen Glaubens zu öffnen: auf Jesus
Christus selber“. Erst von dieser Mitte der Kirche sei „eine katholische Synthese
zwischen sogenannten Reformern und Bewahrern, zwischen sogenannten Liberalen und Konservativen
denkbar und auch möglich“, so der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz.
Aus der Kraft dieser Mitte und Tiefe müsse auch ein „neues katholisches Selbstbewusstsein,
ohne Arroganz und ohne Illusion“ erwachsen. Es sei eine schmerzliche Tatsache, dass
viele Katholiken in diesem Jahr aus der Kirche ausgetreten sind. Die Entscheidung
des einzelnen sei zu respektieren; dennoch gebe die Kirche die Hoffnung nicht auf,
dass die Ausgetretenen wieder einmal zurückkehren werden. Wer von der Kirche fortgehe,
der schwäche eine Kraft, „die Europa auch heute mehr zusammenhält, als allgemein bewusst
ist; er vergrößert einen Hohlraum, der in Gefahr ist, von Kräften ausgefüllt zu werden,
die auch edlen Agnostikern als gefährlich erscheinen“, gab der Grazer Bischof zu bedenken.
Auch der St. Pöltner Bischof Klaus Küng ging in seiner Silvesterpredigt darauf
ein, dass die Kirche „ein eher schwieriges Jahr“ erlebt habe und durch die bekanntgewordenen
Missbrauchsfälle „regelrecht in Misskredit“ geraten sei. Dies habe sich in ganz Österreich
in den hohen Austrittszahlen niedergeschlagen. In diesem Zusammenhang meinte Bischof
Küng, dass damit eine schon längere Entwicklung deutlicher geworden sei, wonach sich
in den letzten Jahrzehnten „viele Menschen von der Kirche innerlich entfernt“ hätten.
„Anlassfälle wie das Vorkommen von Missbrauch, innerkirchliche Turbulenzen, aber auch
lehramtliche Stellungnahmen, die den Kontrast zwischen verbindlicher Lehre und der
mehrheitlichen Lebenspraxis deutlich erkennen lassen, führen zum Zerreißen des brüchig
gewordenen Bandes“, diagnostizierte Küng.
Zwar gebe es „nicht wenige positive
Lebenszeichen in der Kirche“ - exemplarisch nannte der St. Pöltner Bischof die Jugendwallfahrt
und den Kongress der Pfarrgemeinderäte in Mariazell sowie die Gebetsinitiative „33
Schritte“ - aber es sei notwendig, „einen tiefer gehenden Besinnungsvorgang einzuleiten“.
Anlass dafür sei die feststellbare „große Gefahr der Relativierung“, die fast alle
Inhalte der Glaubens- und der Sittenlehre betreffe und in Gesellschaft und Kirche
„fast selbstverständlich“ geworden sei. Die nötige „Grundbesinnung“ müsse von konkreten
Fragen nach der Beziehung zu Gott, zum Nächsten, zu sich selbst, zum Evangelium sowie
zur Lehre der Kirche und den daraus entspringenden Konsequenzen getragen sein. Die
„Erneuerung der Buß- und Beichtpraxis“ sei daher ein wichtiges Ziel in der kommenden
Fastenzeit, kündigte Bischof Küng an. (kap 31.12.2010 sk)