2010-12-31 16:47:54

Kinder und Jugendliche singen für den Papst


RealAudioMP3 Beim großen Gottesdienst am Neujahrstag im Petersdom wird dem Papst ein Hauch vom Kölner Weltjugendtag um die Nase wehen. Das liegt an der Musik. Auf dem Programm steht eine gregorianische Messe, gesungen von 4.000 „Pueri cantores“, also Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt – und neu arrangiert vom Kölner Domkantor Oliver Sperling.

Seit Tagen schon wird geprobt in der Vatikanischen Audienzhalle. Vorbei an Schweizergardisten, schwärmen Tausende Kinder und Jugendliche ein und aus, manche tragen Pueri-Cantores-Rucksäcke, andere einheitliche wallende Gewänder, die nach Ministrantendienst aussehen. Vorne auf dem Podium, wo normalerweise der Papst bei der Generalaudienz sitzt, steht und dirigiert mit Verve Oliver Sperling aus Köln.

Der Domkantor leitet diesmal nicht seinen Mädchenchor vom Kölner Dom, sondern einen sehr viel größeren Klangkörper, der die Papstmesse am 1. Januar musikalisch bestreiten wird. Ausgesucht hat Sperling die gregorianische VIII. Choralmesse, die Missa de Angelis, allerdings in einem nagelneuen Arrangement.

„Meine Überlegung ist gewesen, diese Klanglichkeit in anderem Gewand darzustellen, also dass die Chöre nicht einstimmig singen zur Orgelbegleitung, sondern dass dieser Cantus Firmus durchläuft, aber dazu ein dreistimmiger Mädchenchorpart gehört, ein vierstimmiger gemischter Chorpart, und das mit sieben Bläsern und Orgel zusammen. Das ist wirklich etwas Neues, und ich bin sehr gespannt, wie es klingen wird!

Papst Benedikt kennt dieses Experiment – vom Weltjugendtag in Köln, wo Thomas Gabriel schon eine gregorianische Messe mit neuen Mitteln umsetzte. Puristen würden da einen Verstoß gegen das Reinheitsgebot der Gregorianik wittern. Oliver Sperling winkt gelassen ab:

„Es geht darum, die Kinder und Jugendlichen einfach für das liturgische Singen zu begeistern, und es sie so entwickeln zu lassen, dass sie es mit auf ihren eigenen Glaubensweg nehmen.“

Bei der Papstmesse singen Kinder und Jugendliche aus nicht weniger als 35 Ländern von Frankreich bis Korea. Hochinteressant, was man da lernen kann, findet Christina Burz. Sie gehört zum Schulchor des Kärntner Bundesgymnasiums Tanzenberg, der in der Audienzhalle fleißig mitprobt.

„Man lernt den Stimmcharakter anderer Chöre kennen, die Disziplin, wenn ein Lied von mehreren 1000 Leuten gesungen wird, kriegt es so viel Volumen. Wenn man dann in einer Kirche oder jetzt in der Audienzhalle sitzt und das mitkriegt, ist das ein Wahnsinnsgefühl wenn man denkt man singt da jetzt mit und ist Teil eines großen Ganzen irgendwie. Das ist echt toll!“
 Ähnlich, wenn auch mit anderen Worten drückte es Papst Benedikt XVI. selbst aus, als er die Pueri Cantores in der Audienzhalle besuchte. Schöne Musik vermag etwas vom Geheimnis der Liebe Gottes zu den Menschen auszudrücken, sagte der Papst den jugendlichen Sängern.
 „Das Evangelium der Heiligen Nacht berichtet vom Lobpreis der Engel, den die Hirten auf dem Feld bei Betlehem gehört haben. Immer schon haben Christen diesen Spruch der Engel als ein Lied aufgefasst und sich dadurch anregen lassen, ihrerseits Gott mit Musik zu ehren. Auch ihr nehmt mit eurem Gesang an diesem schönen Auftrag teil, damit Gott verherrlicht werde und die Menschen Freude finden.“

Ein Dienst sei das Singen im Gottesdienst in erster Linie, erinnerte der Papst. Ein Dienst, bei dem jeder zu sich selbst kommt, ergänzt Oliver Sperling.

„Bei aller Unterschiedlichkeit der Mentalität merkt man, wenn es an das Singen in der Liturgie geht, hat jeder seinen eigenen Urgrund. Wir säen da viel aus und können hoffen, dass die Kinder etwas davon haben – wir müssen es nicht funktionalisieren. Man darf es aus meiner Sicht auch nicht zu stark in den Vordergrund heben als Doktrin. Sondern die Kinder tun es. Wir müssen sie nicht zusätzlich missionieren. Durch den täglichen oder wöchentlichen oder monatlichen Dienst in der Liturgie und das Proben, ist das etwas, das zu ihrem Lebensalltag gehört und das allein ist schon ein sehr hoher Wert. Ein religiöser Wert und auch ein kultureller Wert.

So ist es nicht erstaunlich, dass für die jungen Sängerinnen und Sänger weniger das einzelne Lied zählt als das Gemeinsame, das man durch das Singen erschafft.

„Für mich ist nicht das Lied wichtig, sondern die Menschen um mich herum. Der Chor ist, um es nicht zu schnulzig zu sagen, eine zweite Familie für mich. Man kommt nach einen meistens stressigen Tag zur Chorprobe und sieht seine Freunde und freut sich gemeinsam, wenn man gemeinsam singt. Singen verbindet! Es gibt viele Lieder, die wir alle nicht mögen, und dann regen wir uns alle gemeinsam auf, aber – es ist nicht das Lied. Es ist die Gemeinschaft.“

Seit Dienstag sind die Pueri Cantores in der Ewigen Stadt, neben dem Singen auch zum Staunen. Vielen, auch den Chorsängerinnen aus Kärnten, macht der Vatikan Eindruck.

“Alles ist so groß, man sieht das so oft auf Bildern, dass es so schön ist, der Petersdom und alles andere, und in der Wirklichkeit ist es auch so schön. Allein dass man da über eine Grenze geht und sich denkt, aha da wohnt der Papst, wie verbringt er seine Tage da? Und jetzt sieht man das alles. Papst und Vatikan, das sind Begriffe, die einfach jeder kennt. Und man kann sagen – wir waren schon dort und haben den Papst gesehen. Darauf kann man schon stolz sein! Ich find das cool.“

Am Neujahrstag um 10 Uhr ist es soweit. Pontifikalamt mit Papst Benedikt, Missa de Angelis. Ob das Lampenfieber sinkt, wenn ein paar Tausend Stimmen gemeinsam singen?

„Es sind die Momente, wo man einfach singen will, weil es ein großer Chor ist. Alle singen! Und man singt laut und wie man will, irgendwann machts einfach Spaß…“

Oliver Sperling: „Der Papst ist sicherlich ein guter Zuhörer. Ich gehe davon aus, dass er sicherlich auch die Wirkung gut erlebten kann, wie die Kinder und Jugendlichen diese Musik transportieren. Und ich hoffe, das ist auch etwas, dass er spüren kann, das trotz aller Müdigkeit nach einer Silvesternacht am Neujahrsmorgen die Jugendlichen in der Liturgie ihr Zuhause haben und dann auch ihr bestes geben werden.“
(rv 31.12.2010 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.