2010-12-27 13:45:18

Nigeria: Gewalt gegen Christen


RealAudioMP3 Religionsfreiheit muss als grundlegendes Menschenrecht geachtet werden – dazu hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, anlässlich der letzten Gewaltwelle in Nigeria erinnert. In einem Brief an den Erzbischof von Jos, Ignatius Kaigama, drückt Zollitsch seine tiefe Erschütterung über die letzten Gewalttaten aus. Gegenseitiger Respekt müsse allen gelten, ganz gleich, welcher Religion sie angehörten, so der Erzbischof mit Bezug auf die Botschaft des Papstes zum Welttag des Friedens 2011. Zollitsch war im vergangenen Jahr selbst in Jos, dem Brennpunkt des Konfliktes. Der Erzbischof:

„Und ich hatte dort erlebt, wie eigentlich die Christen und Muslime versuchen, einen Weg nach vorne zu finden. Insofern ist es besonders erschrecken, dass gerade dort diese Gewalttaten ausgelöst sind. Es ist unbegreiflich, dass Religion zu Gewalt führt und nicht zum Frieden und Brückenbau.“

Bei Bombenanschlägen und Auseinandersetzungen zwischen bewaffneten Gruppen von Christen und Muslimen wurden in Jos in den letzten drei Tagen fast 40 Menschen getötet. Die Hauptstadt des Bundesstaates Plateau gilt als Pulverfass; erst im Januar und März wurden in der dort bei Kämpfen mehrere hundert Menschen getötet. Um religiöse Zugehörigkeit geht es bei den Konflikten jedoch nur bedingt. Vielmehr sind Armut, Landansprüche und Ressourcenverteilung die Wurzel der Gewalt, meint Pater Giulio Albanese von den Päpstlichen Missionswerken. Der Comboni-Missionar ist Direktor der Zeitschrift „Popoli e Missione“ , Völker und Mission. Im Gespräch mit Radio Vatikan versucht er, die komplexe Situation in Jos zu erklären.
„Wir dürfen nicht vergessen, dass Nigeria in diesem Moment politisch gesehen eine schwache Führung hat – mit der föderalen Regierung in der Hauptstadt Abuja. Die wirtschaftliche Krise trifft vor allem die ärmeren Schichten der Gesellschaft. Darüber hinaus gibt es eine Rivalität der Christen und Muslime. Wenn wir von der christlichen Gemeinschaft sprechen, müssen wir präzisieren, dass Nigeria eines der Länder Afrikas mit der höchsten Zahl „unabhängiger Kirchen“ ist, sieben von ihnen sind ziemlich integralistisch. In der Hinsicht ist es wichtig, nicht von zwei klaren Fronten, den „Guten“ und „Bösen“ zu sprechen – die Situation ist sehr komplex.“

Anfang des 20. Jahrhunderts siedelten sich muslimische Händler in der Region um Jos an. Als sich die wirtschaftliche Situation in den letzten Jahren massiv verschlechterte, entstand Konkurrenz um Arbeit zwischen den ansässigen Volksgruppen, darunter Christen und Anhängern der Volksreligionen, und den zugezogenen Muslimen.

Geführt wird Nigeria derzeit übergangsweise von Goodluck Jonathan, der allerdings nicht nach dem verfassungsmäßigen Verfahren bevollmächtigt wurde. Im April kommenden Jahres wird in Nigeria ein neuer Präsident gewählt. Eine weitere Eskalation der Gewalt könne da nicht ausgeschlossen werden, so Albanese. Weiter gebe es in Nigeria auch Gruppen, die buchstäblich „Öl ins Feuer“ der Konflikte gössen:

„Nigeria hat viel Erdöl, und es gibt da mehr oder weniger verborgen handelnde Gruppen, die in das Erdölgeschäft verwickelt sind und die Zusammenstöße benutzen, um den Rechtsstaat zu schwächen!“

Eine der Bomben vom letzten Wochenende ging in Jos in der Nähe einer katholischen Kirche hoch und verletzte Gläubige auf dem Weg zum Gottesdienst. Nach Gesetz wird in Nigeria Religionsfreiheit gewährt, so Albanese. Allerdings seien in letzten Jahren Fehler begangen worden, die zu Spannungen zwischen den Religionsgruppen geführt hätten. So sei zur letzten Regierungszeit des Präsidenten Olusegun Obasanjo von 1999 bis 2007 in den nördlichen Staaten das islamische Gesetz der Sharia gebilligt worden. Obasanjo, der baptistischer Christ ist, führte Nigeria als Staatspräsident zwei Mal: von 1976 bis 1979 und von 1999 bis 2007.

In der jetzigen Situation könne nur soziale Gerechtigkeit dem Land eine Zukunft geben, so Albanese:

„Das ist das einzige Mittel, um den Leuten wieder Hoffnung zu geben. In einem Land, in dem ein Prozent der Bevölkerung über 80 Prozent des nationalen Reichtums besitzt, ist soziale Gerechtigkeit der einzige Weg. Die Verantwortung haben natürlich die Führungsschichten, die oftmals ganz klar eigene Interessen verfolgen und damit die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnen und soziale Unterschiede fördern.“

(rv/erzbistum freiburg 27.12.2010 pr)








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