2010-12-24 13:11:53

Italien: Mut, oder „bis zur letzten Niere"


RealAudioMP3 Manchmal gibt es Gerechtigkeit. Zum Beispiel, wenn in Italien Menschen Zivilcourage zeigen und die Justiz ihre Arbeit tut. Nein, es geht jetzt nicht um Terror oder Studentenproteste in Rom, und es geht auch nicht um die Krise der italienischen Regierung. Es geht um einen Handwerker, der buchstäblich „bis zur letzten Niere“ kämpfte.

„Ich habe praktisch niemanden mehr, ich bin unsichtbar geworden. Wenn man hier jemanden anzeigt, verliert man nicht nur alle Habe, das Haus und Geschäft, sondern auch Freunde und Verwandte.“

Bennardo Raimondi, Krippenbauer aus Palermo, hat so Einiges mitgemacht, doch kann sich selbst als aufrechten Mann bezeichnen. Der italienische Handwerker hat etwas getan, was in Sizilien leider nur wenige tun: Als er zum Opfer illegaler Wuchergeschäfte und Erpressung wurde, zeigte er seine Peiniger an. Raimondi zahlte einen hohen Preis: Sein Geschäft brach zusammen, und er wurde sozial isoliert. Weihnachten wird er dieses Jahr wohl vor einer selbst gebauten Krippe feiern, allein. Im Gespräch mit Radio Vatikan erzählt er, wie er in die Fänge des Verbrechens geriet: „Leider ist das Handwerk im Bankgewerbe schlecht angesehen und zu einem bestimmten Zeitpunkt geben die Banken einem keinen Kredit mehr. Ich musste also auf Anbote von so genannten ‚Freunden von Freunden‛ zurückgreifen, die sich als echte Erpresser entpuppten.“

Als Raimondis Krippenverkauf in der Krise geriet, sah der Unternehmer keine andere Möglichkeit mehr, als die Dienste zwielichter Geldverleiher in Anspruch zu nehmen. Es war die Not, die ihn trieb und blind vertrauen ließ. Denn eigentlich hätte der Sizilianer ja ahnen können, worauf er sich da einließ: „Das Wuchergeschäft ist in Süditalien sehr verbreitet und auch mit Erpressung, Schutzgeld und der Wettmafia verbunden.“

Und als es dem Handwerker dann auch noch familiär immer schlechter ging, war er in seiner Verzweiflung zu fast allem bereit, um zu Geld zu kommen: „Ich habe ein behindertes Kind, das große Probleme hat. Ich war sogar so weit, eine meiner Nieren zu verkaufen, um ihm zu helfen. Ich hatte sogar schon eine Anzeige dafür aufgegeben…“

Aus dem Schuldner wurde bald ein Erpresster. Man kann von Glück reden, dass Raimondi der Glaube an Gerechtigkeit noch nicht verlassen hatte, wie es leider vielen staatsungläubigen Italienern passiert. Aus der scheinbar ausweglosen Situation gab es nämlich einen legalen Ausweg: Nach Anzeige seiner Erpresser wurde Raimondi offiziell als Opfer des Wuchergeschäftes anerkannt und erhielt Entschädigung. Das dauerte zwar, doch am Ende fühlte sich der Handwerker rehabilitiert: „Endlich, nach so vielen Jahren, habe ich diese Anerkennung bekommen, erhalte finanzielle Entschädigung. Das gibt mir den Willen, von vorn anzufangen, auch wenn ein Neubeginn jetzt schlimmer ist als ohne diese Vorgeschichte. Mir wurde meine Würde zurückgegeben.“

Bennardo Raimondi ist in Sizilien inzwischen zu einer Art Symbol im Kampf der Bürger gegen das organisierte Verbrechen geworden. Denn er kämpfte nicht nur für sich, sondern für sein Land, will die Leute zum Umdenken bewegen: „Ich habe aus diesem Kampf mein Lebensziel gemacht. Ich habe die Wucherer nicht nur angezeigt, um als Opfer anerkannt zu werden, sondern auch, um den Unternehmern in Sizilien zu zeigen, dass sie ihre Einstellung ändern müssen: Der Wucher ist ja fast schon normal geworden, man zahlt Schutzgeld, weil das eben so ist, oder man wendet sich an zweifelhafte Geldverleiher, weil man woanders kein Geld mehr bekommt… Nach der sizilianischen Mentalität versteht man nicht , warum das eine schwere Straftat ist!“


(rv 24.12.2010 pr)







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