2010-12-23 10:26:43

Kardinal Schönborn: 2010 - Schrecken und Gnade


RealAudioMP3 Die Weihnachtszeit ist die Zeit des Rückblicks, auch für die Kirche. Papst Benedikt hatte dies zu Beginn der Woche vor den Verantwortlichen der Kurie getan, jetzt ziehen viele andere Bischöfe nach. Für Österreich tat dies gegenüber der Agentur „Kathpress“ der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. Es war ein „schreckliches Jahr“ und gleichzeitig ein „Jahr der Gnade – vielleicht gerade auch durch das Schwere, durch das die Kirche in unserem Land durchgegangen ist“. Damit sprach Kardinal Schönborn das alles dominierende Thema der deutschsprachigen Kirchen im Jahr 2010 an, den Missbrauch.

 
„Zuerst einmal muss man das Positive darin sehen, dass Opfer sich zu sprechen getraut haben; sich getraut haben, die Wunden ihrer eigenen Geschichte zu thematisieren, oft erst nach Jahrzehnten zur Sprache zu bringen und damit auch auf einen Weg der Heilung gehen zu können.“

 
Für die Kirche sei die Konfrontation mit dem Missbrauch in den eigenen Reihen beschämend und schmerzlich gewesen; zugleich sei man aber entschieden an die „Hausaufgaben“ herangegangen. Die von ihm eingesetzte Klasnic-Kommission sowie die Ombudsstellen der Diözesen arbeiteten gut, so der Kardinal, und freiwillige Schadenersatzleistungen würden bezahlt. Die Kirche habe dadurch an Autorität gewonnen, so Schönborn überzeugt. Das Thema Missbrauch sei für die Kirche letztlich aber nicht abgeschlossen, „weil die Geschichte von Menschen nie abgeschlossen ist“.
Die Kirche brauche die Wahrhaftigkeit im Umgang mit sich selbst, weil es mehr Wahrhaftigkeit in allen Bereichen der Gesellschaft brauche. So dürfe die Kirche es nach wie vor nicht unterlassen, auf Missstände hinzuweisen. Dabei sprach Schönborn das Sparpaket der österreichischen Bundesregierung an:

 
„Wir haben uns schon auch erlaubt, darauf hinzuweisen, dass das Sparziel angemessen sein muss. Wenn auf der einen Seite Milliarden Euro fließen müssen, um Banken zu retten, und auf der anderen Seite das Geld für Bildung nicht mehr da ist, oder das Geld für die Familienförderung nicht mehr da ist oder deutlich reduziert werden muss, da stellt sich schon die Frage der Proportionalität: Hat man wirklich die Reduktionen an der richtigen Stelle vorgenommen?“

Es in Krisenzeiten das beste Rezept, „sich den Dingen zu stellen, ihnen nicht auszuweichen“, fügte der Kardinal hinzu. Nur wenn man sich der Realität stelle, könne man „richtige Wege finden – auch wenn sie schmerzlich sind“ – auch dies eine Lektion, die aus den Missbrauchsfällen neu gelernt wurde.
Ein weiteres Anliegen Schönborns hat auch 2010 nicht an Aktualität verloren: der Schutz des Lebens und damit der Menschenwürde. Erst kürzlich hatte er erklärt, „kein Mensch ist ein Schadensfall“. Keinem Menschen, sei er ungeboren oder alt und gebrechlich, dürfe die Menschenwürde vorenthalten werden, auch dies sei ein Ergebnis der Diskussionen des letzten Jahres. Und das ist nicht nur ein Anliegen von Gläubigen:

 
„Vom ersten Moment der Empfängnis an entwickelt sich ein Mensch, und nicht: es entwickelt sich etwas zu einem Menschen hin. Das wissen wir nicht aus religiöser Botschaft, sondern das ist eine Tatsache, eine wissenschaftlich bestbegründete und vernunfteinsichtige Tatsache. Daher ist das Eintreten für den Lebensschutz primär ein Einstehen für die Menschenwürde.“

 
Der Kardinal mahnte auch in diesem Bereich Wahrhaftigkeit an: „Die Dinge müssen beim Namen genannt werden: Euthanasie ist Mord, ist das Töten eines Menschen. Dasselbe gilt für die Abtreibung. In Zeiten des Umbruchs, in Zeiten großer Veränderungen werden die persönlichen existenziellen Fragen stärker, und diesen Fragen kann niemand ausweichen“, erklärte der Wiener Erzbischof weiter. Selbst bei vorübergehender Verdrängung kämen solche Fragen beispielsweise in Zeiten von Krankheit oder Beziehungskrisen wieder.
Nicht wenige von denen, die die Kirche verlassen haben, seien auf der Suche und würden sich der Kirche wieder annähern, meint der Kardinal. Und jene, die den Weg wieder zurück in die Kirchen finden, empfänden diesen Schritt oft als „Heimkehr“.
 
Schönborn erklärte, dass Traditionen, die den Umgang mit Sinnfragen erleichterten, heutzutage „viel weniger als früher“ tragen: „Es liegt heute viel mehr auf den eigenen Schultern, ob ich Sinn für mein Leben finde oder nicht.“ Das Eingebundensein in eine Glaubensgemeinschaft erleichtere den Menschen, in Krisensituationen auf das bestehende Sinnangebot zurückzukommen: Den vielen Sinn suchenden Menschen gegenüber müsse die Kirche „viel wacher sein“, sagte der Wiener Erzbischof. Weiter müssten sich die Pfarren und anderen kirchlichen Gemeinschaften deutlicher für diese Menschen öffnen und missionarischer werden.

(kap 23.12.2010 ord)
 







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