2010-12-23 17:05:11

Dozentin zu Dohna: „Kirche und Kunst? - Geschiedene Leute!“


RealAudioMP3 Alte Ikonen, Heiligenfiguren und Kirchen – sie gibt es „en masse“, vor allem in Rom. Nach zeitgenössischer religiöser Kunst muss man dagegen richtig suchen, und nicht nur in der Ewigen Stadt. Das wissenschaftliche Laboratorium „Chiesarte“ – von Italienisch „chiesa“: Kirche, und „arte“: Kunst – will das ändern. Yvonne Gräfin zu Dohna ist Dozentin an der Fakultät für Kirchenkunst an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom (Facoltà della Storia e dei Beni Culturali della Chiesa) und hat das Projekt mit organisiert. Es geht dabei zunächst einmal darum, Künstler mit Theologen und Kirchenvertretern ins Gespräch zu bringen, sagt sie uns:

„Allein der Name sagt, es geht um Kunst und Kirche, um zeitgenössische Kunst. Die ist zurzeit ein großes Thema, aber auch ein großes Problem. An unser Uni im Bereich Kirchengeschichte gibt es Priester und auch Laien, die das Fach studieren, um später dann im Bereich der Kirche mit Kunst zu arbeiten. Dort haben wir fast keine Doktoranden in christlicher zeitgenössischer Kunst. Die Chiesarte ist eine Initiative, die sich darum bemüht, darüber nachzudenken, wie eigentlich Künstler ausgebildet werden sollten. Künstler, die vielleicht später in Kirchen dann auch arbeiten. Eine andere Frage: Was ist eigentlich die Ausbildung für Priester in dem Bereich? Was müssen die wissen, um später zeitgenössische Kunst in Auftrag zu geben oder Werke einzukaufen?“

Neben dem theoretischen Austausch zwischen Künstlern, Theologen und Kirchenvertretern bemüht sich „Chiesarte“ weiterhin um die Durchführung gemeinsamer Projekte. So wolle man z.B. in einer Kirche bei Venedig demnächst zeitgenössische Kunst ausstellen. Klares Ziel sei bei solchen Ausstellungen, Menschen für den Glauben zu begeistern:

„Es geht uns hier in all diesen Projekten darum zu evangelisieren, mit der Kunst. Und das geht nur, wenn es eine Kunst ist, die als Kunst stark ist, aber die auch diesen spirituellen Inhalt hat. Und dazu braucht die Kirche die Künstler und die Künstler brauchen auch die Kirche.“

Ein Vorbild für das Projekt „Chiesarte“ sei Papst Paul VI. gewesen, so zu Dohna. Er habe den Weg für den Dialog von Kunst und Kirche grundlegend gebahnt, sich für Künstler geöffnet und sie ernst genommen. Doch auch die letzten Initiativen des Vatikans seien positiv, so die Expertin, die als Beispiel den Plan des Vatikans nennt, auf der nächsten Biennale in Venedig auszustellen.

„Der modernste Gedanke, den wir hatten, war Paul VI., der nicht nur den neuen Ansatz definiert hat und die Kirche und sich selbst in Frage gestellt und ein unglaubliches Vertrauen in die Künstler gesetzt hat, er war nicht nur ein Anfang, sondern hat bis heute die Richtlinien festgelegt, wie überhaupt ein Dialog zustande kommen könnte. Ich glaube auch, dass besonders Erzbischof Ravasi sehr diesen neuen Weg sucht, dass er auch offen ist, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen und auch dort vielleicht nach einer neuen sakralen Kunst Ausschau hält und sich mit seinen Aktionen darum bemüht.“

Geschiedene Leute
Viel Potential sei da auf beiden Seiten verschenkt worden, so von Dohna. Die Produktion religiöser Kunst sei eigentlich schon im 18. Jahrhundert zusammengebrochen, als sich in Europa die Kunstproduktion aus dem religiösen Kontext herauslöste:

„Das war zur Zeit der französischen Revolution. Paul Claudel spricht von der Scheidung zwischen Kirche und Kunst, in dem Augenblick, wo die Ratio Überhand nimmt und auch die Auftragsgeber nicht mehr nur die Kirche sind, sondern die Kunst unabhängig wird, ihre eigene Funktion bestimmt.“

Die angebliche Unvereinbarkeit von neuerer Kunst und Kirche sei ab diesem Zeitpunkt auch öffentlich betont worden, so zu Dohna. Und das habe nicht nur damit zu tun, dass sich die Kunst aus ihrer Funktion in der Kirche herausgelöst habe und autonomer geworden sei. Während in der Kirchenkunst Schönheit, Spiritualität und Bildlichkeit weiter betont wurden, erkundete die Kunst im weltlichen Bereich dagegen andere Themen und Ausdrucksformen: das Hässliche, Sublime, Karikative, Abstrakte, die Expressivität von Farbe und Form, um nur ein Paar Beispiele zu nennen. Angesichts der Kluft, die da entstanden sei, gebe es auf beiden Seiten vieles nachzuholen, so zu Dohna:

„Das bedeutet, dass wir, um einen gesunden und einen erfolgreichen Dialog zu haben zwischen der Kirche und den Künstlern, wir Künstler brauchen, die eigentlich den Wert der Religion erkennen – die müssen nicht religiös sein, vielleicht auch gar nicht an die katholische Kirche glauben und all diese Dogmen, aber die Schönheit dessen müssen sie doch wenigstens ernst nehmen. Sie müssen sich wenigstens dafür öffnen.“

Andererseits müsse sich die Kirche neuen Formen der Kunst öffnen, so zu Dohna weiter. Schließlich werde Spiritualität ja nicht nur über die Darstellung religiöser Szenen transportiert, sondern auch zum Beispiel über Farben und Formen, so die Expertin mit Blick auf Beispiele aus der bildenden Kunst.

Und wie schön muss sie sein?
Eine neue Allianz zwischen Kunst und Kirche wünscht sich auch Papst Benedikt XVI.; bei einem Treffen mit Künstlern in der Sixtinischen Kapelle vor gut einem Jahr gab er Malern, Bildhauern, Schriftstellern, Regisseuren und Musikern mit auf den Weg: „Ihr seid die Hüter der Schönheit und besitzt dank eures Talentes die Möglichkeit, zum Herzen der Menschen zu sprechen“. Der Papst sprach weiter von einer „Affinität“ und einem „Einklang“ zwischen der Sicht des Glaubens und dem künstlerischen Weg. Die Suche nach dem Schönen sei im Menschen angelegt, davon geht auch Yvonne zu Dohna aus: Das Schöne lasse uns „eine Form der Harmonie und eine Art Gleichgewicht in uns selbst“ finden, meint sie. Angesichts der Experimente zeitgenössischer Kunst ist die Schönheit – die ja ein Grundbegriff in Benedikts Kunstverständnis ist – wohl die eigentliche Herausforderung im neuen Dialog von Kunst und Kirche. Es gelte den Blick hier ein wenig zu erweitern, meint Dozentin zu Dohna mit Blick auf die Kirche:

„Da bin ich der Meinung, das könnte vielleicht auch noch ein wenig aufgebrochen werden dieses Konzept, an dem man die Kunst misst. Ich möchte nicht sagen, dass man das Sublime und all diese neuen Strömungen mit hinein nimmt, aber dass man vielleicht doch den begriff der Schönheit in neue Kontexte setzt.“

Darf Kunst in der Kirche aber auch kritisch oder kontrovers sein? Hätte ein Emil Nolde, der immer für die Kirche malen wollte, aber auch ganz klar Expressives und „Hässliches“ ins Bild setzte, zum Beispiel im Vatikan ausstellen können? Eins nach dem anderen, meint Yvonne zu Dohna:

„Kritische Kunst in der Kirche? Mhh, natürlich. Es gibt sicherlich Platz dafür. Nur, ich würde sagen, wo wir jetzt anfangen, erst mal einen Weg zu finden und gemeinsam zu überlegen, wie weit müssen Kriterien erfüllt sein, wie weit geht die Freiheit des Künstlers… - da geht es doch erst mal darum, alles auszuschöpfen, intellektuell und spirituell, um wieder zusammenzukommen.“

(rv 22.12.2010 pr)








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