Dozentin zu Dohna: „Kirche und Kunst? - Geschiedene Leute!“
Alte Ikonen, Heiligenfiguren
und Kirchen – sie gibt es „en masse“, vor allem in Rom. Nach zeitgenössischer religiöser
Kunst muss man dagegen richtig suchen, und nicht nur in der Ewigen Stadt. Das wissenschaftliche
Laboratorium „Chiesarte“ – von Italienisch „chiesa“: Kirche, und „arte“: Kunst – will
das ändern. Yvonne Gräfinzu Dohna ist Dozentin an der Fakultät für Kirchenkunst
an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom (Facoltà della Storia e dei Beni
Culturali della Chiesa) und hat das Projekt mit organisiert. Es geht dabei zunächst
einmal darum, Künstler mit Theologen und Kirchenvertretern ins Gespräch zu bringen,
sagt sie uns:
„Allein der Name sagt, es geht um Kunst und Kirche, um zeitgenössische
Kunst. Die ist zurzeit ein großes Thema, aber auch ein großes Problem. An unser Uni
im Bereich Kirchengeschichte gibt es Priester und auch Laien, die das Fach studieren,
um später dann im Bereich der Kirche mit Kunst zu arbeiten. Dort haben wir fast keine
Doktoranden in christlicher zeitgenössischer Kunst. Die Chiesarte ist eine Initiative,
die sich darum bemüht, darüber nachzudenken, wie eigentlich Künstler ausgebildet werden
sollten. Künstler, die vielleicht später in Kirchen dann auch arbeiten. Eine andere
Frage: Was ist eigentlich die Ausbildung für Priester in dem Bereich? Was müssen die
wissen, um später zeitgenössische Kunst in Auftrag zu geben oder Werke einzukaufen?“
Neben
dem theoretischen Austausch zwischen Künstlern, Theologen und Kirchenvertretern bemüht
sich „Chiesarte“ weiterhin um die Durchführung gemeinsamer Projekte. So wolle man
z.B. in einer Kirche bei Venedig demnächst zeitgenössische Kunst ausstellen. Klares
Ziel sei bei solchen Ausstellungen, Menschen für den Glauben zu begeistern:
„Es
geht uns hier in all diesen Projekten darum zu evangelisieren, mit der Kunst. Und
das geht nur, wenn es eine Kunst ist, die als Kunst stark ist, aber die auch diesen
spirituellen Inhalt hat. Und dazu braucht die Kirche die Künstler und die Künstler
brauchen auch die Kirche.“
Ein Vorbild für das Projekt „Chiesarte“ sei
Papst Paul VI. gewesen, so zu Dohna. Er habe den Weg für den Dialog von Kunst und
Kirche grundlegend gebahnt, sich für Künstler geöffnet und sie ernst genommen. Doch
auch die letzten Initiativen des Vatikans seien positiv, so die Expertin, die als
Beispiel den Plan des Vatikans nennt, auf der nächsten Biennale in Venedig auszustellen.
„Der modernste Gedanke, den wir hatten, war Paul VI., der nicht nur den
neuen Ansatz definiert hat und die Kirche und sich selbst in Frage gestellt und ein
unglaubliches Vertrauen in die Künstler gesetzt hat, er war nicht nur ein Anfang,
sondern hat bis heute die Richtlinien festgelegt, wie überhaupt ein Dialog zustande
kommen könnte. Ich glaube auch, dass besonders Erzbischof Ravasi sehr diesen neuen
Weg sucht, dass er auch offen ist, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen und auch
dort vielleicht nach einer neuen sakralen Kunst Ausschau hält und sich mit seinen
Aktionen darum bemüht.“
Geschiedene Leute Viel Potential sei
da auf beiden Seiten verschenkt worden, so von Dohna. Die Produktion religiöser Kunst
sei eigentlich schon im 18. Jahrhundert zusammengebrochen, als sich in Europa die
Kunstproduktion aus dem religiösen Kontext herauslöste:
„Das war zur Zeit
der französischen Revolution. Paul Claudel spricht von der Scheidung zwischen Kirche
und Kunst, in dem Augenblick, wo die Ratio Überhand nimmt und auch die Auftragsgeber
nicht mehr nur die Kirche sind, sondern die Kunst unabhängig wird, ihre eigene Funktion
bestimmt.“
Die angebliche Unvereinbarkeit von neuerer Kunst und Kirche
sei ab diesem Zeitpunkt auch öffentlich betont worden, so zu Dohna. Und das habe nicht
nur damit zu tun, dass sich die Kunst aus ihrer Funktion in der Kirche herausgelöst
habe und autonomer geworden sei. Während in der Kirchenkunst Schönheit, Spiritualität
und Bildlichkeit weiter betont wurden, erkundete die Kunst im weltlichen Bereich dagegen
andere Themen und Ausdrucksformen: das Hässliche, Sublime, Karikative, Abstrakte,
die Expressivität von Farbe und Form, um nur ein Paar Beispiele zu nennen. Angesichts
der Kluft, die da entstanden sei, gebe es auf beiden Seiten vieles nachzuholen, so
zu Dohna:
„Das bedeutet, dass wir, um einen gesunden und einen erfolgreichen
Dialog zu haben zwischen der Kirche und den Künstlern, wir Künstler brauchen, die
eigentlich den Wert der Religion erkennen – die müssen nicht religiös sein, vielleicht
auch gar nicht an die katholische Kirche glauben und all diese Dogmen, aber die Schönheit
dessen müssen sie doch wenigstens ernst nehmen. Sie müssen sich wenigstens dafür öffnen.“
Andererseits
müsse sich die Kirche neuen Formen der Kunst öffnen, so zu Dohna weiter. Schließlich
werde Spiritualität ja nicht nur über die Darstellung religiöser Szenen transportiert,
sondern auch zum Beispiel über Farben und Formen, so die Expertin mit Blick auf Beispiele
aus der bildenden Kunst.
Und wie schön muss sie sein? Eine neue
Allianz zwischen Kunst und Kirche wünscht sich auch Papst Benedikt XVI.; bei einem
Treffen mit Künstlern in der Sixtinischen Kapelle vor gut einem Jahr gab er Malern,
Bildhauern, Schriftstellern, Regisseuren und Musikern mit auf den Weg: „Ihr seid die
Hüter der Schönheit und besitzt dank eures Talentes die Möglichkeit, zum Herzen der
Menschen zu sprechen“. Der Papst sprach weiter von einer „Affinität“ und einem „Einklang“
zwischen der Sicht des Glaubens und dem künstlerischen Weg. Die Suche nach dem Schönen
sei im Menschen angelegt, davon geht auch Yvonne zu Dohna aus: Das Schöne lasse uns
„eine Form der Harmonie und eine Art Gleichgewicht in uns selbst“ finden, meint sie.
Angesichts der Experimente zeitgenössischer Kunst ist die Schönheit – die ja ein Grundbegriff
in Benedikts Kunstverständnis ist – wohl die eigentliche Herausforderung im neuen
Dialog von Kunst und Kirche. Es gelte den Blick hier ein wenig zu erweitern, meint
Dozentin zu Dohna mit Blick auf die Kirche:
„Da bin ich der Meinung, das
könnte vielleicht auch noch ein wenig aufgebrochen werden dieses Konzept, an dem man
die Kunst misst. Ich möchte nicht sagen, dass man das Sublime und all diese neuen
Strömungen mit hinein nimmt, aber dass man vielleicht doch den begriff der Schönheit
in neue Kontexte setzt.“
Darf Kunst in der Kirche aber auch kritisch oder
kontrovers sein? Hätte ein Emil Nolde, der immer für die Kirche malen wollte, aber
auch ganz klar Expressives und „Hässliches“ ins Bild setzte, zum Beispiel im Vatikan
ausstellen können? Eins nach dem anderen, meint Yvonne zu Dohna:
„Kritische
Kunst in der Kirche? Mhh, natürlich. Es gibt sicherlich Platz dafür. Nur, ich würde
sagen, wo wir jetzt anfangen, erst mal einen Weg zu finden und gemeinsam zu überlegen,
wie weit müssen Kriterien erfüllt sein, wie weit geht die Freiheit des Künstlers…
- da geht es doch erst mal darum, alles auszuschöpfen, intellektuell und spirituell,
um wieder zusammenzukommen.“