2010-12-18 13:36:30

D: „Der Irak ist die Hölle“ - Parlamentsdebatte über Religionsfreiheit


RealAudioMP3 Wer nicht an die Hölle glaubt, soll die Christen im Irak besuchen – sie erleben die Hölle. Das sagte der Weihbischof der chaldäisch-katholischen Kirche in Bagdad, Shlemon Warduni, am Freitag vor Journalisten in Berlin. Anlass war eine Debatte im Bundestag zum Thema Religionsfreiheit. Warduni zufolge verlassen aus Angst vor Verfolgung durch islamische Fundamentalisten immer noch viele Christen den Irak. 1990 lebten 1,4 Millionen Christen im Irak, heute seien es etwa 200.000. Zwar habe die irakische Regierung versprochen, die Christen besser zu schützen, bisher sei dies aber nicht gelungen, so Warduni. So hatte es bei einer Geiselnahme islamischer Extremisten in einem Gottesdienst am 31. Oktober 58 Tote gegeben. Aus Angst vor Gewalttaten trauten sich immer weniger Christen, einen Gottesdienst zu besuchen. Um Christen besser zu schützen, sei Druck der internationalen Staatengemeinschaft nötig.
Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Volker Kauder, kündigte an, dass die Bundesregierung die Christen im Irak finanziell unterstützen werde. Man wolle dafür mit der irakischen Regierung über die Gewährung von Entwicklungshilfe für diese Minderheit verhandeln. So sollten Christen in Bildung, Erziehung und im Gesundheitswesen gefördert werden. Ziel müsse es sein, dass Christen im Irak wieder eine Hoffnung für ihre Heimat sehen und deshalb im Land bleiben. Kauder wörtlich: „Wir lassen verfolgte Christen nicht allein.“
Zu einer heftigen Debatte kam es im Bundestag zur Frage, ob die Religionsfreiheit auch in Deutschland gewahrt sei. Der religionspolitische Sprecher der Fraktion „Die Linke“, Raju Sharma, warf der Unionsfraktion vor, sie wolle eine christliche Staatsreligion. Doch Religionsfreiheit könne nur in einem säkularen Staat gelingen. Das sei in Deutschland nicht der Fall, so Sharma. In bayerischen Klassenzimmern hingen trotz eines anders lautenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts bis heute vielfach Kruzifixe an den Wänden.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen), sagte, breite Teile der deutschen Bevölkerung erkennten die Religionsfreiheit der Muslime nicht an. Dieses Thema sei jedoch unweigerlich mit der Integrationsdebatte verbunden. Ohne Religionsfreiheit sei Integration in Deutschland nicht möglich.
Der Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Fraktion, Christoph Strässer, nannte es wichtig, beim weltweiten Einsatz für Religionsfreiheit auch die Lage anderer religiöser Minderheiten im Blick zu behalten. So seien kürzlich im Iran sieben führende Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Bahai aufgrund ihres Glaubens zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Zudem werde auch in Europa zunehmend über Fragen der Religionsfreiheit gestritten – etwa in Frankreich über das Kopftuchverbot an Schulen und in der Schweiz über den Bau von Minaretten.
Der menschenrechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, erklärte, seine Partei sei sich mit der Bundesregierung im Grundanliegen einig, weltweit Religionsfreiheit zu erreichen. Es sei legitim, für seinen Glauben zu werben und zu versuchen, andere Menschen dafür zu gewinnen. Allerdings leiste der Bundestag verfolgten Christen in aller Welt einen Bärendienst, „wenn wir den Eindruck erwecken, als ob wir uns als Christen nur um unsere Glaubensbrüder und Glaubensschwestern kümmerten“. Religionsfreiheit könne man nur dann glaubwürdig verteidigen, wenn dies für jede Glaubensüberzeugung und nicht nur aus der christlichen Missionsperspektive gelte. Beck: „Wir dürfen nicht immer nur bei den Christen laut aufschreien und bei den anderen wegschauen.“
Dem widersprach die Abgeordnete Erika Steinbach (CDU). Die Regierungskoalition setze sich für vollständige Religionsfreiheit ein. Dies könne jedoch nicht an der klaren Erkenntnis hindern, dass Christen die weltweit am intensivsten verfolgte religiöse Gemeinschaft sind. Weltweit würden über 100 Millionen Christen wegen ihres Glaubens diskriminiert. Steinbach wies auch den Vorwurf zurück, in Deutschland leide die Religionsfreiheit Not: „Jeder kann hier seinen Glauben frei leben. Der Staat schützt die Religionsfreiheit. Wenn es Übergriffe in der einen oder anderen Form gibt, dann ist das strafbar.“
Der Bundestag beschloss einen Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP unter dem Titel „Religionsfreiheit weltweit schützen“. In einer namentlichen Abstimmung votierten 374 Abgeordnete mit Ja und 69 mit Nein. 127 Parlamentarier enthielten sich. Die Grünen hatten erklärt, das Papier von Union und FDP mitzutragen.
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann forderte nach der Bundestagsdebatte ein Eintreten Deutschlands für bedrängte und verfolgte Christen weltweit. „Deutschland ist eine starke Stimme“, sagte er im Kölner domradio. „Diese Rolle und Verantwortung müssen wir auch wahrnehmen.“ Ackermann verwies auf die Erfahrung Deutschlands mit dem Nationalsozialismus und der atheistischen Diktatur der DDR. Auf der Grundlage dieser Geschichte und wegen der deutschen Rolle in Europa „müssen wir uns da stark machen, wo Menschen bedrängt sind um ihres Bekenntnisse wegen“. Dabei gehe es nicht nur einfach um Lobbyarbeit für die Christen. Das Eintreten gegen Diskriminierung gelte auch für andere Religionen. Aber mehr als 80 Prozent der Menschen, die wegen ihrer Religion verfolgt würden, seien Christen.
(idea/domradio/kna 18.12.2010 sk)







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