2010-12-15 13:12:19

Sudan/Nordostkongo: Angst vor Massakern


RealAudioMP3 Weihnachten – Zeit der Besinnung, Zeit des Friedens? Das gilt leider nur für einen Bruchteil der Menschen weltweit. Während bei uns die Vorfreude steigt, wächst bei den Menschen im Sudan und dem angrenzenden Nordostkongo die Angst: Vor allem in der Weihnachtszeit kam es dort in den letzten zwei Jahren regelmäßig zu Gewaltattacken der „Lord’s Resistance Army“ auf die Bevölkerung, darunter auf viele Frauen und Kinder.

An diesem Dienstag riefen etwa zwanzig Menschenrechtsorganisationen zur Hilfe für die Gebiete auf, in denen die Rebellen wüten. Eine dieser Organisationen ist Oxfam. Radio Vatikan hat mit dem Leiter von Oxfam in der Demokratischen Republik Kongo, Marcel Stoessel, gesprochen. Er hält sich derzeit im Nordosten des Landes auf.

„Die Leute hier erinnern sich sehr gut an das letzte Jahr, als an Weihnachten mehr als 300 Menschen massakriert wurden. Sie haben Angst davor, was dieses Jahr passieren kann… 2008 wurden mehr als 800 Menschen umgebracht, 2009 mehr als 300. Außerdem ist den Leuten der Zugang zu ihren Feldern versperrt. Im Dezember ist hier Erntezeit, und die Menschen können nicht für ihren Lebensunterhalt sorgen, weil sie nicht der Ernte nachgehen können.“

Das Morden gehe auch während des Jahres weiter, berichtet Stoessel. Im letzten Jahre seien allein 1.000 Menschen ermordet oder gekidnappt worden; die Dunkelziffer liege vermutlich noch höher. Von Fällen aus abgelegenen Gegenden erfahre man wegen der schwierigen Nachrichtenverbindung auch oft erst viel später. Warum die Rebellen gerade an Weihnachten verstärkt zuschlagen, kann der Menschenrechtler nur vermuten:

„Das ist schwer zu sagen. Ganz offensichtlich ist Weihnachten ein symbolischer Augenblick, es wird gefeiert, und in der Erntezeit gibt es viel zu essen. Wir haben gehört, dass die Versorgungslage der LRA gerade heikel ist, die sind also auf der Suche nach Essen. Außerdem ist der Wasserstand des Flusses in dieser Jahreszeit tiefer als sonst, so dass sich die Rebellen leichter von A nach B bewegen können.“

Oxfam und andere Hilfsorganisationen bemühen sich darum, mehr internationale Aufmerksamkeit für die ausweglose Lage der Menschen in der Region zu wecken. Dass die US-Administration und die Afrikanische Union Hilfsbereitschaft signalisieren, sieht der Menschenrechtler positiv. Das Wüten der LRA müsse unterbunden werden, es brauche konkrete regionale Lösungen, so Stoessel. Aber:

„Wir warnen gleichzeitig vor militärischer Aktion. Davon gab es in der Vergangenheit viel, und wir haben gesehen, dass – wenn die im Busch und diesen abgelegenen Gebieten nicht gut geplant ist – das zu noch größerem Leiden der Zivilgesellschaft führt. Wir plädieren also dafür, in den Mittelpunkt jeder Militäraktion den Schutz und das Wohlbefinden der Zivilgesellschaft zu stellen. Und wir fordern die UNO-Kräfte in der Dem. Rep. Kongo dazu auf, dem Nordosten des Landes mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die größte Peace-Keeping-Mission der Welt ist ja im Land stationiert, sie haben über 18.000 Leute, aber nur 850 sind in dem von der LRA infiltriertem Gebiet präsent. Die LRA hat hier mehr Menschen als jede andere militärische Gruppe umgebracht – wir meinen, dass die UNO dem Thema endlich Priorität geben sollte!“

Die „Lord’s Resistance Army“, zu deutsch „Widerstandsarmee des Herrn“, wurde ursprünglich 1987 in Uganda gegründet, wo sie im Norden des Landes gegen die Regierung Yoweri Musevenis und für die Errichtung eines Gottesstaates kämpfte. Nach Spaltung der Rebellengruppe ging ein Teil in die Demokratische Republik Kongo; heute sind die Rebellen im Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo und Zentralafrika aktiv. Vor allem Frauen und Kinder sind ihre Opfer, so werden zum Beispiel viele gekidnappte Minderjährige von den Rebellen als Sex-Sklaven oder Kindersoldaten missbraucht. Eine kohärente Ideologie der Gruppe sei schwer auszumachen, so Stoessel:

„Es ist schwer zu sehen, was ihre Ziele sind. Das Morden, Kidnappen, Vergewaltigung von Zivilisten sind Kennzeichen der LRA, aber wir können nicht erkennen, was die Ziele dieser Bewegung sind.“

(rv 15.12.2010 pr)







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