Der Vatikan betrachtet
die Veröffentlichung von US-Botschaftsdepeschen durch die Internet-Plattform Wikileaks
mit Gelassenheit. Nun hat sich auch der Chefredakteur der Vatikanzeitung „L´Osservatore
Romano“ dazu geäußert. „Die Dokumente sind zwar gestohlen, aber sie enthalten praktisch
keine Enthüllungen“, betonte Giovanni Maria Vian in einem Interview mit der Turiner
„La Stampa“ (Sonntag). Die bekanntgewordenen Diplomaten-Berichte zeugten von wenig
Initiative seitens der Autoren, die in erster Linie Einschätzungen italienischer Medien
abgeschrieben hätten. Ausdrücklich wandte sich Vian gegen die Behauptung einer schwachen
Führung im Vatikan. Diese Aussage sei „unbegründet, auch wenn sie verbreitet ist und
immer wieder von Menschen wiederholt wird, die den Heiligen Stuhl als unzeitgemäßes
Organ bezeichnen“, so der Chefredakteur. Auch seien der Vatikan und seine Behörden
kommunikationstechnologisch gut ausgestattet.
Hintergrund Über
Wikileaks veröffentlichte Depeschen aus der US-Botschaft beim Heiligen Stuhl hatten
den Vatikan als „kryptisch und antiquiert“ beschrieben. Kardinalstaatssekretär Tarcisio
Bertone sei ein bloßer „Ja-Sager“, der kein Englisch spreche und zu oft außerhalb
von Rom unterwegs sei. Viele Führungspersönlichkeiten in der Kirchenleitung besäßen
nicht einmal eine eigene E-Mail-Adresse. Vatikansprecher Federico Lombardi habe zwar
ein Blackberry, aber keinen direkten Zugang zum Papst, so die Berichte. Der Vatikan
hatte sich bereits am Samstag von den Informationen distanziert.