Früher einmal war
die Elfenbeinküste ein Vorzeigestaat in Westafrika: Dann kam vor zehn Jahren Laurent
Gbagbo an die Macht und liefert sich seitdem ein Duell mit seinem Herausforderer Alassane
Ouattara, das dem Land bis 2007 fünf Jahre Bürgerkrieg bescherte. Seit den Wahlen
von Ende November sehen sich nun beide als Präsidenten, Gbagbo wie Ouattara – und
dem Land droht Krieg und ethnische Spaltung entlang seiner Nord-Süd-Grenze. „In
Bouaké ist die Lage, oberflächlich gesehen, ruhig“, berichtet uns ein italienischer
Missionar namens Michele Speranato aus der zweitgrößten ivorischen Stadt Bouaké, die
genau an der Nord-Süd-Linie liegt : „Die Leute warten ab, was jetzt kommt, und
bleiben zuhause. Die „Forces nouvelles“ haben jeden Tag eine Demonstration veranstaltet;
dabei kam es bisher nicht zu Gewalt. Auch sie beraten untereinander über die Lage.“ Die
„Forces nouvelles“ – das sind Rebellen, die seit dem Bürgerkrieg 2002 den mehrheitlich
muslimischen Norden des Landes unter Kontrolle haben. Ein Friedensabkommen von 2007
hat sie als politische Kraft anerkannt; ihr Anführer Guillaume Soro hat den bisherigen
Oppositionellen Ouattara als Präsident anerkannt und wurde von diesem prompt mit dem
Titel des Ministerpräsidenten belohnt. Aber Ouattara will offenbar keinen Krieg: „Es
ist die bisherige Opposition selbst, die zur Ruhe aufgerufen hat, an der Spitze der
Co-Präsident Ouattara und seine Minister – das heißt, die Leute, die ihn in Abidjan
vertreten.“ In Abidjan, das ganz im Süden an der Küste liegt, haben letzte
Woche bei Unruhen mindestens vier Menschen ihr Leben verloren. Schon rund um die Stichwahl
vom 28. November war es zu Zusammenstößen gekommen; trotz nächtlicher Ausgangssperre
ist die Lage weiter angespannt, sind nach Angaben der Nachrichtenagentur afp immer
wieder Schüsse zu hören. Anders Bouaké: „Seit zwei Tagen spielt sich auf den
Straßen alles wie in Zeitlupe ab. Die Frauen, die notgedrungen rausmüssen, um auf
dem Markt etwas zu kaufen oder zu verkaufen, sprechen nur über das Nötigste. Viele
Familien bleiben wegen der Unsicherheit, ja Angst zu Hause und essen eben nichts.
Allerdings – ein Drama sollte man aus der Lage nicht machen. Alle sind jetzt eben
vorsichtig, das ist es.“ UNO-Generalsekretär Ban ki-Moon, sonst kein Mann der
klaren Rede, hat den bisherigen Präsidenten Gbagbo klar zum Verzicht auf die Macht
aufgefordert; ähnlich die USA und die EU, darunter die frühere Kolonialmacht Frankreich.
Die „Afrikanische Union“ warnt vor „unkalkulierbaren Folgen“, wenn der Wille der Wähler
jetzt nicht anerkannt wird; sie hat den früheren südafrikanischen Präsidenten Thabo
Mbeki als Sonder-Emissär zur Elfenbeinküste geschickt, um Verhandlungen in Gang zu
bringen. „Wir hoffen auf die internationale Gemeinschaft und auf Mbeki, der
seit gestern in Abidjan ist, um zu verhandeln. Unser Erzbischof von Bouaké hat uns
gestern alle zusammengerufen – alle Christen, auch Leute von auswärts -; die Kathedrale,
die etwa 2.500 Menschen hat, war brechend voll. Der Erzbischof hat ihnen gesagt, dass
die Christen in einem Moment wie diesem unbedingt zusammenhalten müssen. Sie müssen
unbedingt auf Einheit setzen und darauf, dass wir alle Brüder und Schwestern sind
– egal von welcher Ethnie wir sind – und dass wir uns nicht auf einmal als Gegner
wahrnehmen dürfen. Wir müssen unbedingt für die Versöhnung und Einheit im Land arbeiten.“ Aus
der Sicht des Missionars ist es sehr wichtig, dass der Christenführer von Bouaké sich
in diesem Sinne äußert – denn Religion spiele in der Elfenbeinküste „noch eine richtig
große Rolle“. Im Vorfeld der Wahlen hat die katholische Kirche sich erfolgreich bemüht,
enger mit den anderen christlichen Konfessionen zusammenzuarbeiten – und auch mit
den Moslems. Es gibt auch Momente des gemeinsamen Gebets; aber wir arbeiten
jetzt auch stärker zusammen, auch auf der Ebene der normalen Leute und in der Politik.
Auch gestern in der Kathedrale waren Moslems dem Aufruf des Erzbischofs gefolgt; das
sind starke, wichtige Momente.“ Das Verfassungsgericht hat – im Gegensatz zur
nationalen Wahlkommission – Amtsinhaber Gbagbo zum legitimen Präsidenten erklärt.
Schon in der Vergangenheit zog Gbagbo, wenn`s eng wurde, die ethnische Karte: Es wird
wieder mal eng in Sachen Krieg oder Frieden in Elfenbeinküste. (rv 06.12.2010 sk)