D: Rheinischer Merkur und Zeit - die Zukunft des Zeitungmachens
Der vergangene Donnerstag
war der erste Tag einer neuen Zeitrechnung für die katholische Wochenzeitung ‚Rheinischer
Merkur’. Sie hat aufgehört, als eigenständige Publikation zu existieren, es gibt sie
nur noch als Beilage der Wochenzeitung ‚Die Zeit’, das erste Mal eben seit vergangenem
Donnerstag. Seitdem haben die Leserinnen und Leser ihre Erfahrungen machen können:
das Layout sei noch klar eigenständig erkennbar, heißt es in Medienkritiken, der ‚Merkur’
sei inhaltlich und optisch ansprechend. Frage an Patrik Schwarz, Redakteur der ‚Zeit’
und verantwortlich für die Zusammenarbeit mit dem Merkur: Ein katholisches Blatt innerhalb
der liberalen ‚Zeit’, ist das gutgegangen?
„Ich glaube, dass wir ein Angebot
haben, das eine Menge Leute interessiert - Katholiken, aber auch Protestanten. Eine
Formulierung eines Kollegen von mir: Wir sind ein Blatt für Katholiken und auch für
Protestanten, in dieser Abstufung ist das eine ganz treffende Beschreibung.“ Soll
der ‚Merkur’ eine eigenständige Größe bleiben, oder ist er als Ergänzung zur ‚Zeit’
geplant?
„Der ‚Merkur’ lebt von seiner Eigenständigkeit. Giovanni di Lorenzo,
der Chefredakteur der ‚Zeit’, hat sehr früh in dieser Kooperation gesagt, dass es
uns darum geht, den Geist des ‚Merkur’ zu erhalten. Wir haben jetzt zwei Monate einer
sehr intensiven Entwicklungsarbeit hinter uns, und da ging es ganz am Anfang immer
um die Frage, wie das zusammen geht, die ‚Zeit’ und der ‚Merkur’. Ich glaube, dass
wir am Anfang eine wichtige Weiche gestellt haben: Es geht nicht darum, den ‚Merkur’
umzufrisieren auf ‚Zeit’. Das würde auch gar keinen Sinn machen, nicht für ‚Zeit’-Leser,
die sich interessieren für dieses Angebot einer Wochenzeitung für Glaube – Geist –
Gesellschaft, wie wir in der Unterzeile schreiben, und es würde auch keinen Sinn machen
für die ‚Merkur’-Leser.“ Angenommen, ich würde für den ‚Merkur’ schreiben
und sehr deutlich die Berichterstattung in der ‚Zeit’ zu einem bestimmten Thema kritisieren
- dürfte ich das?
„Ein beliebtes Beispiel, was uns Leser, aber auch andere
Journalisten genannt haben, ist die PID, die Präimplantationsdiagnostik. Da gibt es
im Spektrum der ‚Zeit’-Kollegen eine ganze Reihe unterschiedlicher Positionen. Die
Frage ist also, was passiert, wenn vorne auf der Seite eins der ‚Zeit’ der Leitartikler
sagt, bei der PID müsse man vor allem die Chancen sehen. Können dann die Kollegen
des ‚Rheinischen Merkur’ hinten auf ihren sechs Seiten sagen, warum sie PID kritisch
sehen oder sogar für falsch halten? Natürlich! Von dieser Spannbreite lebt das ganze
Unterfangen.“ Nun ist die ‚Zeit’ nicht unbedingt eine Wohltätigkeitsorganisation.
Was verspricht sich die ‚Zeit’ von diesem Huckepack-Verfahren?
„Die Zeit
ist, wie Sie gesagt haben, keine karitative Veranstaltung, die ist ein Verlag wie
andere auch, aber die ‚Zeit’ ist nicht mit der Vorstellung in dieser Kooperation drin,
dass damit Millionen zu machen sind. Auch die Idee für diese Kooperation kam von unserer
Seite aus der Redaktion. Wir hatten das Gefühl, dass es ein Spektrum von Meinungen
gibt, die wir im Hauptblatt nicht jede Woche in dem Umfang aufgreifen, abbilden und
kommentieren können, wie wir das in einer solchen Zeitung in der ‚Zeit’ machen können.“ Ihre
Erfahrung nach der ersten Ausgabe? Ist das ein Zukunftsprojekt?
„Ich glaube,
dass das ein Zukunftsprojekt ist, weil das Echo mich überzeugt. Und ich glaube auch,
dass ein Quentchen eines Modells in dieser Kooperation liegt, was das Zeitungmachen
betrifft. Die Idee, dass Sie eine Zeitung haben wie die ‚Zeit’, die eine Volkszeitung
ist, denn die muss ja jeden ansprechen - und dann gibt es aber auch noch Interessen,
die vielleicht nicht für 500.000 Auflage reichen, die aber intellektuell reizvoll
sind, die journalistisch reizvoll sind und für die Sie besondere Angebote machen können.
Ein Beispiel für ein solches Angebot ist ‚Christ und Welt’.“ Der neue Rheinische
Merkur ist nicht am Kiosk erhältlich, sondern geht ausschließlich an bisherige ‚Rheinischer
Merkur’-Abonnenten.