Etwas gedämpfter als in den letzten Tagen geht die Debatte um eine Papst-Äußerung
zu Kondomen weiter. Der Mitautor des päpstlichen Gesprächsbuchs, Peter Seewald, sagte
dem ARD-Hörfunk, die Aussage von Benedikt XVI. über den Gebrauch von Kondomen sei
nicht nur auf Sonderfälle wie Prostituierte beschränkt. Es sei aus seiner Sicht „klar
und unmissverständlich“, dass es Benedikt auch darum gehe, deutlich zu machen, dass
es in bestimmten Fällen „besser sei, ein kleineres Übel zu wählen“. Der Papst habe
auf seine Nachfrage hin geantwortet, dass es eine Anzahl von Fällen gebe, wo der Gebrauch
von Kondomen ein Weg sein könne, wieder zu einer verantwortlicheren Sexualität zu
kommen.
Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff betont, die Papstworte
zu Kondomen hätten „grosses Gewicht“. Sie zeigten, dass sich Benedikt XVI. den Realitäten
des sexuellen Lebens der Menschen stellt. Schockenhoff wörtlich: „Man darf eine einzelne
Interviewäußerung sicher nicht überbewerten. Aber die Papstworte zeigen eine erstaunliche
Realitätsnähe, die man in vielen kirchlichen Lehramtsäußerungen nicht findet.“ Zwar
sei das Interview eindeutig keine offizielle Lehraussage der Kirche, doch hätten die
Äußerungen erhebliche Verbindlichkeit. Er laube, dass eine künftige lehramtliche Äußerung
zur Sexualmoral „eigentlich nicht mehr hinter das zurückfallen“ könne, was der Papst
gesagt habe. Für Schockenhoff ist eindeutig, dass die vom Papst gewählten Formulierungen
auch die Erlaubnis zur Kondombenutzung für Ehepartner umfassen, von denen einer HIV-positiv
ist. Wörtlich sagt er: „Ganz klar, das hat der Papst gesagt. Ich würde sogar noch
einen Schritt weiter gehen. Wenn Ehepartner in dieser Situation sind, müssen sie tun,
was ihnen ihr Gewissen sagt.“
Die Deutsche Bischofskonferenz sieht die Äußerungen
des Papstes zum Kondom als Hinweis, „dass er auch die Realitäten und die Lebenswirklichkeit
kennt“. Das schreibt Erzbischof Robert Zollitsch, Vorsitzender der Konferenz, in einer
Würdigung des (gesamten) neuen Papstbuches. „Gerade diese Stellen des Interviews zeigen
die tiefe Einfühlsamkeit des Papstes, der sich auch in schwierige Lebenslagen von
Menschen hineindenkt.“ Die Äußerungen zum Kondomgebrauch seien eine Ergänzung zu „früheren
Aussagen, dass eheliche Treue und Enthaltsamkeit der beste Schutz sind, aber auch
Entwicklung und Erziehung“. Wörtlich schreibt Zollitsch: „Wenn für Menschen in bestimmten
Situationen eine Nutzung von Kondomen vorstellbar ist, dann deshalb, weil dies einen
„ersten Schritt zur Moralisierung … und Verantwortung“ darstellen könnte.“ Solche
Aussagen seien „keine Sensation, aber doch etwas Neues, das man bislang so von einem
Papst nicht gehört hat“. Er sei „sehr gespannt darauf, ob Papst Benedikt diese Gedanken
noch weiterentwickeln wird, ob sie dann eines Tages auch die förmliche Lehrmeinung
der Kirche mitprägen werden und was sie für die pastorale Praxis bedeuten“.