Italien: Näher bei den Protestanten als bei den Orthodoxen?
Nach Auffassung des Augsburger evangelischen Theologen Bernd Oberdorfer hat die römisch-katholische
Kirche mehr Gemeinsamkeiten mit den protestantischen als mit den orthodoxen Kirchen.
Der Vatikan habe sich zwar in den vergangenen Jahren im ökumenischen Gespräch vor
allem auf die Orthodoxie konzentriert, sagte das Mitglied im Rat des Lutherischen
Weltbundes an diesem Montag in Rom. Das dürfe jedoch nicht über den Umstand hinwegtäuschen,
dass Rom der Lutherstadt Wittenberg theologisch letztlich näher liege als Konstantinopel
oder Moskau, hob der Theologe in einem Vortrag hervor. Die römische Kirchenleitung
sei „viel zu klug“, um sich auf nur einen Dialogpartner festzulegen. Papst Benedikt
XVI. verwende einen Vernunftbegriff spezifisch abendländischer Prägung, sagte Oberdorfer
während einer zweitägigen internationalen Konferenz mit dem Titel „Katholizismus heute:
Ökumenische Perspektiven“. Dieser Vernunftbegriff stehe dem Protestantismus ungeachtet
von Luthers abschätzigem Urteil über die „Hure Vernunft“ wesentlich näher als den
orthodoxen Kirchen. Veranstalter der Tagung waren das „Centro Melantone“, das protestantische
Studienzentrum für Ökumene in Rom, in Zusammenarbeit mit dem Konfessionskundlichen
Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim.