Von Pater Bernd Hagenkord
SJ Dass es ausgerechnet der Osservatore Romano ist, der noch vor der Buchvorstellung
lange Passagen aus dem neuen Interviewbuch mit Benedikt XVI. veröffentlicht, ist überraschend.
Weniger überraschend ist aber vielleicht, dass der Papst seine Überlegungen wieder
in den Zusammenhang von Sexualität und Verantwortung stellt. Denn da gehören sie hin. In
seinem Interview auf dem Weg nach Afrika vor eineinhalb Jahren hatte Benedikt XVI.
gesagt: „Man kann das Aids-Problem nicht durch die Verteilung von Kondomen regeln.
Ihre Benutzung verschlimmert vielmehr das Problem“. Die Lösung liege vielmehr in einem
„spirituellen und menschlichen Erwachen“ und der „Freundschaft für die Leidenden“.
Das war in den Medien als „Papst verbietet Kondome“ zitiert worden, Benedikt verurteile
das Nutzen von Kondomen im Kampf gegen Aids. Die Stimmen Afrikas, die dem Papst damals
recht gaben und die regelrecht zornig wurden, dass wir Europäer das Leiden dieser
Länder auf eine einzige Frage reduzierten, sind wenig gehört worden. Schauen wir
uns das Zitat genauer an, dass der Osservatore an diesem Sonntag veröffentlicht, dann
ist sein zentraler Punkt dem sehr ähnlich, was der Papst in Afrika gesagt hatte, es
geht ihm um die „Vermenschlichung der Sexualität“. Die Benutzung des Kondoms kann
ein Schritt zu einer Moralisierung sein, die Sexualität nicht als Selbstzweck, sondern
als Teil des Menschen betrachtet. Hier ist das wirkliche Anliegen des Papstes. Redet
man nur von Kondomen, so ist das eine „Banalisierung des Problems“, und das gilt sowohl
für unsere Länder als auch für den Kampf gegen die HIV-Infektion in Afrika. Bei
aller inneren Übereinstimmung ist es aber trotzdem neu, dass der Papst das Kondom
in seinen Aussagen nicht mit einem absoluten und strikten „Nein“ belegt. Es kann Mittel
sein, zu einem ganz bestimmten Ziel. Damit leistet Benedikt XVI. seinen Beitrag, damit
wieder mehr über Menschlichkeit und Hilfe, und weniger über verhärtete Positionen
gesprochen werden kann. Was das moraltheologisch bedeutet und was das für die innerkirchliche
Diskussion bedeutet, dazu werden wir mit Sicherheit in den nächsten Tagen und Wochen
noch viel hören. (rv 21.11.2010 ord)