Er war der letzte
Nichtitaliener auf dem Stuhl Petri vor Johannes Paul II., der letzte Deutsche vor
Benedikt XVI., auch wenn das Wort „deutsch“ hier ziemlich weit verstanden werden muss.
Zu diesem 1523 nach nur einem Jahr Pontifikat verstorbenen Papst fand an der Kirche
der deutschsprachigen Pilger in Rom, Santa Maria dell’ Anima, an diesem Mittwoch ein
Symposion statt.
„Vor allem dürfen wir auf die Art und Weise stolz sein,
wie er Papst und vorher Priester und Professor in Löwen und Erzbischof von Tortosa
war. Sein Zeitalter wird nicht als eine der besten Perioden der Kirchengeschichte
betrachtet.“
So stellte Erzbischof Willem Eijk, Bischof der Heimatstadt
Adrians Utrecht, den Papst und seine Zeit vor. Missbrauch, Ämterkauf, Abwesenheit
von Bischöfen von ihren Diözesen, niedriger Bildungsstand der Kleriker, Vetternwirtschaft,
Prachtliebe in Rom und anderswo: dies alles ist uns aus den Vorwürfen Martin Luthers
bekannt, der genau zu der Zeit zu protestieren begann, als Hadrian Papst wurde. Die
Welt war nicht mehr wirklich christlich, auch wenn die Prachtbauten der Renaissance
und die Macht der Bischof Anderes suggerierte. Dies ist eine der Einsichten Hadrians,
so Eijk:
„Das Leben nach christlichen Werten und Prinzipien sei vielleicht
selbstverständlicher und leichter, wenn die ganze Gesellschaft sie mit Leib und Seele
verbreitet.“ Nicht so in der Zeit Hadrians VI. „in einer solchen Situation
kommt es auf die persönliche Spiritualität an, das heißt einen durchlebten Glauben
und einen lebendigen Kontakt mit Gott. Diese geben die Kraft, gegen den Strom zu schwimmen.
Gottvertrauen zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des Hadrian.“
Adrian
war als Asket verschrien, die Römer wollten einen sparsamen und die Kardinäle mit
Bedingungen überhäufenden Ausländer nicht akzeptieren. Seine Vorgänger Leo X., Julius
II. und Alexander VI. waren Politiker gewesen, die viel Geld ausgegeben hatten. Nicht
so Hadrian. Er wurde in einem Konklave gewählt, dass der Historiker nur als politisch
erbärmlichen Kompromiss bezeichnen könne, so Eijk. Adrian von Utrecht, damals Erzbischof
von Tortosa, war noch nicht einmal präsent bei diesem Konklave und wollte auch nie
Papst werden. Seinen Unwillen machte er auch kund:
„Ich zitiere: ‚Wenn es
stimmt, was man mir mitteilt, habe ich viele Gründe, um traurig und wehmütig zu sein’.
Das hielt ihn aber nicht davon ab, schnell einen Anfang zu machen mit den notwendigen
Umgestaltungen. Während er sich noch in Saragossa aufhielt, um die Seereise nach Italien
vorzubereiten, erließ er schon seine Statuten für die päpstliche Kanzlei.“
Kardinäle
mussten ihren Luxus-Lebensstil aufgeben, Gottesdienst sollte wieder in den Mittelpunkt
des kirchlichen Lebens, Reformen in der Ämtervergabe durchgeführt und Frieden statt
Kriegsbeteiligung das Programm des Kirchenstaates werden. Hadrian wollte sich auch
anders als seine Vorgänger dem Wirken Martin Luthers zuwenden. Er sah nicht wie noch
Leo X. nur einen aufmüpfigen Mönch.
„Hadrian dachte anders. Aber er sah
in seinem Auftreten als erstes ein Auftreten gegen die Missstände der Kirche.“
Ein Überwinden dieser Missstände würde also wieder zu Einheit führen. „Das hat
er wohl falsch eingeschätzt. Aber es brauchte ihn wohl zu einer einmaligen Tat. Als
erster Papst in der Geschichte sprach er ein ‚mea culpa’ aus, wegen der Missstände
in der Kirche. Er hatte den Mut, die Schuld auch bei sich selbst zu suchen.“ 1523
war das, beim Reichstag zu Worms. Der Erfolg blieb aber aus. „Die Anwesenden Prälaten
fühlten sich beleidigt und waren nicht bereit, mitzuwirken. Die Lutheraner misstrauten
seinem ‚mea culpa’.“
Ob er als gescheitert angesehen werden muss? Erzbischof
Eijk sieht, dass die Zeit für einen wie Hadrian noch nicht reif gewesen sei, erst
50 Jahre später sei es zu den von ihm gewollten Reformen gekommen. Eine Einsicht,
die sich bereits auf dem Grab Hadrians in der Kirche Santa Maria dell’Anima nachlesen
lässt:
„pro dolor quantum refert in quae tempora vel optimi cuiusque virtus
incidat – Ach, es macht doch einen großen Unterschied, in welche Zeit die Verdienste
von sogar dem besten Manne fallen.“