Noch einmal das Thema
Hilfswerke, aber dieses Mal aus einer eher feiernden Perspektive. Das Bonifatiuswerk
der deutschen Katholiken hat mit einem Festgottesdienst im Bamberger Dom am Sonntag
die Diaspora-Aktion 2010 eröffnet. Höhepunkt der Diaspora-Aktion 2010, die unter dem
Motto „Freiraum für den Glauben. Bezeugen. Bewahren. Bewegen“ steht, ist der Diaspora-Sonntag
am 21. November. An diesem Tag wird in ganz Deutschland für die Belange der Katholiken
gesammelt, die in Nord- und Ostdeutschland, in Nordeuropa und im Baltikum in einer
extremen Minderheitensituation leben. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, der
als Weltkirchenbeauftragter der deutschen Bischofskonferenz viele Kirchen außerhalb
Deutschland kennt, räumte in seiner Predigt gleich mit einem Vorurteil auf, das trotz
aller Veränderungen und Wandlungen in der Kirche immer noch lebt:
„Diaspora,
Diasporakirche, Diasporachristen ist für viele alteingesessene Katholiken der worst
case - der denkbar schlechteste Fall - vom christlichen und katholischen Leben. Unter
Diaspora stellt man sich meist eine kleine, verängstigte Schar von Gläubigen vor,
die sich kaum traut, den Glauben zu bekennen und zu leben. Diese Meinung ist aber
falsch. Die Diasporakatholiken und -christen bilden oft sehr lebendige und aktive
Gemeinden.“
Schick wies aber auch darauf hin, dass diese Gemeinden auch
besonders gefährdet seien; sie bräuchten Hilfe und Unterstützung, damit sie leben,
aufgebaut werden und wirken können. Das Bonifatiuswerk sei für sie da.
„Das
Bonifatiuswerk, das die Diasporakirche im Blick hat und für sie da ist, ist ganz wichtig.
Es soll zunächst und zuerst den Christen der Diaspora, die oft materiell sehr arm
sind, aber geistlich und geistig sehr stark sind, helfen, ihres Werts, ihres Auftrags
und ihrer Bedeutung sich immer neu bewußt zu werden. Die Diasporachristen sind gesandt,
die Werte des Evangeliums, die Tugenden des Christseins zu verkünden oder lebendig
zu erhalten. Damit geben sie ihrer Gesellschaft, unserem Staat und unseren Staaten,
wichtige Impulse. Sie weisen auf Gott hin, der ein Gott des Lebens ist und der die
Fülle des Lebens für alle will, für die Ungeborenen bis zu den Sterbenden, für die
Inländer und die Immigranten, für die Reichen und die Hartz-IV-Empfänger. Das verändert
Gesellschaften, macht sie human und läßt alle Menschen menschenwürdig mit allen Pflichten
und Rechten leben.“
Auffallend bei den Feierlichkeiten in Bamberg war der
Rückbezug von den Diasporachristen auf die Situation der Christen und der Kirche in
unseren deutschsprachigen Ländern, auch dorthin, wo keine Diasporasituation herrscht.
Nirgends wurde es aber deutlicher als bei der Festansprache des Vorsitzenden des Zentralkomitees
der deutschen Katholiken, Alois Glück. Diaspora sei nicht nur „da oben im Norden“,
sondern auch jetzt schon mitten unter uns, so Glück, das Bonifatiuswerk habe das schon
ganz richtig beschrieben:
„Sie sprechen von einer Glaubensdiaspora in den
Großstädten, und ich glaube man darf heute hinzufügen, nicht nur in den Großstädten,
von einer innerkirchlichen Diaspora – ein interessanter Begriff - , von einer Altersdiaspora.
Damit soll beschrieben werden, dass wir heute viele Lebenssituationen haben, in denen
Katholiken nicht mehr in einer vom christlichen Milieu geprägten Situation leben.
Eine Konsequenz daraus ist, dass es eine bewußte Glaubensentscheidung braucht, früher
oder später, um mit der Kirche verbunden zu bleiben und seinen Glauben zu leben.“
Das,
was wir in den letzten Jahrzehnten also in den Diasporakirchen außerhalb unseres Landes
beobachtet hätten, ließe sich jetzt in unserer Kirche finden.
„Wir leben
gegenwärtig auch bezogen auf Religion, auf Glauben und Kirche in einer Welt voller
Widersprüche. Es kommt so gesehen nicht von ungefähr, dass auf der einen Seite eher
eine zunehmende Entfremdung von den Kirchen stattfindet, auf der anderen Seite Religion
wieder eine Bedeutung hat für die innere Entwicklung der Gesellschaften, weltweit,
wie es so vor zehn Jahren noch nicht denkbar war.“
Das Umgehen mit dieser
Situation erfordere Kreativität, so Glück. Man könne sich in die Resignation flüchten,
und das täten auch viele, selbst langjährige Engagierte. Man könne das Bild der kleinen
Herde zeichnen, die übrigbleibe und die dann nur noch aus wirklich echten und authentisch
Glaubenden bestehe, aber dies, so Glück, sei letztlich Verrat am Missionsauftrag der
Kirche.
„Deswegen der dritte Wegweiser: Einen neuen Aufbruch wagen. Aber
Aufbruch heißt für uns alle auch grundsätzlich Veränderungsbereitschaft. Aufbruch
geht nie nach dem Motto: Wir wissen, wie es richtig ist, und jetzt kommt alle zu uns.
Aufbruch heißt auch, mit Gottvertrauen in Wege hineingehen, in ein Gelände, das wir
so noch nicht kennen. Aufbruch wagen heißt Ausbruch aus der Selbstgenügsamkeit, aus
der Selbstbetriebsamkeit, heißt herausgehen aus dem Vertrauten der eigenen Gesinnungsgemeinschaft.
Geht hinaus! hat der Meister gesagt, und nicht: Setzt euch hin und wartet, ob einer
kommt! Zu den Menschen gehen, neue Wege gehen, dafür Freiräume gestalten, das tut
das Bonifatiuswerk in vielfältiger Weise. Die Entwicklungen werden immer geprägt von
den engagierten Minderheiten. Es hat noch nie einen Massenaufbruch zu neuen Ufern
gegeben. Die Frage ist, ob wir genügend engagierte Leute haben, die sich einbringen.“