Erste Etappe von Benedikts
Apostolischer Visite war an diesem Samstag Santiago de Compostela. Dort feierte der
Papst anlässlich des Heiligen Compostelanischen Jahres eine Messe mit Gläubigen auf
der Plaza del Obradoiro.
„Europa muss sich Gott öffnen, muss ohne Angst
heraustreten hin zur Begegnung mit Ihm, muss mit seiner Gnade für die Würde des Menschen
arbeiten...“
In Santiago de Compostela, an einem der historischen Kreuzungspunkte
Europas, erinnerte Papst Benedikt XVI. – wie schon zuvor sein Vorgänger Papst Johannes
Paul II. – an die christlichen Wurzeln Europas. Zur Papstmesse drängten sich Gläubige
aus aller Welt auf der übervollen Plaza. Einheit und Glauben seien wichtige Stützen
für die Zukunft des Kontinents, sagte ihnen der Papst:
„Das Europa der
Wissenschaft und Technologien, das Europa der Zivilisation und Kultur muss zugleich
ein Europa sein, das offen ist für die Transzendenz wie auch für die Brüderlichkeit
mit den anderen Kontinenten, offen für den lebendigen und wahren Gott vom lebendigen
und wahren Menschen her. Das ist es, was die Kirche Europa bringen will: auf Gott
und auf den Menschen zu achten aus dem Wissen heraus, dass uns beides in Jesus Christus
dargeboten wird.“
Dass sich im 19. Jahrhunderts in Europa die Überzeugung
durchgesetzt habe, Gott sei ein „Gegenspieler des Menschen und Feind seiner Freiheit“,
sei eine „Tragödie“, so Benedikt. Bereits auf dem Flug nach Santiago hatte er vor
Journalisten einen „aggressiver Laizismus und Antiklerikalismus“ beklagt; der neu
gegründete Rat für Neuevangelisierung sei für Spanien deshalb besonders wichtig. Gott
sei doch „Ursprung unseres Seins, Fundament und Gipfel unserer Freiheit“, erinnerte
der Papst eindringlich. Und er fragte weiter:
„Wie kann der sterbliche
Mensch sich auf sich selbst gründen, und wie kann der sündige Mensch sich mit sich
selbst versöhnen? Wie ist es möglich, dass über diese erste und wesentliche Wahrheit
des menschlichen Lebens in der Öffentlichkeit geschwiegen wird? Wie kann das, was
im Leben am meisten maßgebend ist, in die bloße Privatsphäre verwiesen oder in den
Halbschatten verbannt werden?“
Die Gefährdung des Christentums – sie zeigt
sich aktuell auch an Diskussionen um sein Symbol, das Kruzifix, in verschiedenen europäischen
Staaten wie zuletzt der Schweiz. So ist es wohl kein Zufall, dass Benedikt XVI. gerade
in Santiago de Compostela, am Kreuzungspunkt verschiedener Länder und Pilgerwege,
an die Bedeutung des Kreuzes erinnerte: „Dieses Kreuz, Zeichen der
höchsten Liebe, die bis zum Äußersten ging, und deshalb Gabe und Vergebung zugleich,
muss unser Leitstern in der Nacht der Zeit sein. Kreuz und Liebe, Kreuz und Licht
sind Synonyme unserer Geschichte, weil sich Christus in dieser Geschichte annageln
ließ, um uns das höchste Zeugnis seiner Liebe zu geben, um uns zu Vergebung und Versöhnung
einzuladen, um uns zu lehren, das Böse durch das Gute zu besiegen. Hört nicht auf,
die Lehre dieses Christus der Kreuzungen auf den Lebenswegen zu lernen. In ihm kommt
uns Gott entgegen als Freund, Vater und Führer. O gesegnetes Kreuz, leuchte immerzu
in den Ländern Europas!“
Weiter wendete sich der Papst an die Politiker
sowie auch insbesondere junge Gläubige: Der Dienst am anderen sei „nicht bloße Option,
sondern wesentlicher Teil des Seins“, er bemesse sich nicht an weltlichen Kriterien
des „Unmittelbaren, Materiellen und Scheins“, sondern zeige sich an „einfachen Gesten“,
so der Papst. Daran erinnere das Heilige Jahr von Compostela und überhaupt die Erfahrung
eines jeden echten Pilgers:
„…denn wo es keinen Einsatz für die anderen
gibt, entstehen Formen von Anmaßung und Ausnutzung, die einer echten ganzheitlichen
Entwicklung des Menschen keinen Raum lassen.“
Benedikt XVI. – auch er
ist an diesem Wochenende Pilger, auch wenn er die begehrte Urkunde nicht erhält, denn
er ist ja mit Flugzeug und Papamobil angereist. Es war ein nachdenklicher, demütiger
Papst, der sich an diesem Samstagnachmittag den Gläubigen zeigte:
„In diesem
Heiligen Jahr komme ich als Pilger unter Pilgern, gemeinsam mit vielen, die hierher
kommen und nach dem Glauben an den auferstandenen Christus dürsten, nach dem Glauben,
der von den Aposteln wie dem heiligen Jakobus dem Älteren (…) treu verkündet und weitergegeben
wurde.“