2010-11-05 13:49:21

Hans Küng: Maß für Wirtschaft und Politik muss Menschenwürde sein


RealAudioMP3 Eine „institutionalisierte Gier“ sieht der Theologe Hans Küng als einen der Hauptgründe für die herrschende Wirtschafts- bzw. Finanzkrise: Diese sei z.B. die Motivation gewesen, um notwendige Regulierungen abzuschaffen. Das meinte Küng bei der Präsentation seines Buchs „Anständig wirtschaften“ in Wien. Küng sprach auch von einem „Versagen der Märkte, der Institutionen und der Moral“. „Das Maß für die Wirtschaft und die Politik ist: Die Menschenwürde muss im Zentrum stehen“, so der Theologe.

Dabei gehe es zuallererst nicht um Spezialregeln, sondern um „Regeln, die für alle gelten“. Das Hauptproblem im Hinblick auf heutiges Wirtschaften sei, „dass wir fast überall Probleme haben“, so Küng: „Wir müssen gleichzeitig an verschiedenen Problemen arbeiten.“ Dazu gehörten einerseits „Probleme des Marktes; wir brauchen neue Regulierungen der Märkte“. Außerdem stünden Fragen der Institutionen im Raum: „Wir brauchen bessere Aufsichtsbehörden, die auch besser ausgestattet sind“. Und schließlich sprach Küng „das Problem der Moral“ an: „Es ist eine Seuche gewesen, dass man meinte, man könne um des Geldes Willen alles machen. Es muss wieder deutlich werden, dass gewisse Dinge nicht gehen - und dass es der Wirtschaft nur dann hilft, wenn sie anständig wirtschaftet.“

Oberster Wert könne nicht die Wirtschaft sein, „auch wenn es so scheint, als ob Wirtschaft alles bestimmt. Aber wenn sie alles bestimmt, dann kann es nur schiefgehen“, sagte Küng. Es sei notwendig, dass Politik „nicht nur verlängerter Arm der Wirtschaft“ sei, sondern sie müsse Rahmenbedingungen und Regulierungen schaffen „und als Vertreterin des Volkes schauen, dass sich die Wirtschaft an bestimmte Regeln hält“. Beide, Politik und Wirtschaft, müssten sich an das Ethos halten, erklärte der Theologe: „Die Werteordnung muss so sein, dass das Ethos Normen bietet für Wirtschaft und Politik.“

Dabei gebe es nicht „besondere“ Regeln für das Bankenwesen, „sondern es sind zunächst einmal ganz grundlegende Regeln, die für alle gelten“, betonte Küng. Primär gehe es um Ehrlichkeit und Wiederherstellung des Vertrauens: „Das Vertrauen ist abhandengekommen, weil man ständig gelogen hat, weil man sich bestohlen vorgekommen ist.“

Natürlich gehe es auch nicht ohne Gesetze. Das Problem an Gesetzen sei aber, dass man sie umgehen und „bis zum Letzten ausnützen“ könne: „Das zeigt, dass wir die Ebene des Gewissens brauchen, den inneren Gerichtshof“, so der Theologe: „Ethos hat keine äußeren, aber innere Sanktionen.“

Auf die Frage, wie er denn als Theologe über Wirtschaft sprechen könne, meinte Küng: „Das ist doch unser Leben. Das ist eine Dimension unseres Daseins. Und wenn etwas schief geht in der Wirtschaft, wenn z. B. die Geldwirtschaft unabhängig wird von der Realwirtschaft und darüber schwebt, nur noch in sich selber spult, und gewisse Leute ungeheure Vermögen machen auf Kosten anderer: Dann stimmt da was nicht mehr.“ Sein Anliegen, Probleme aufzuzeigen, um Verbesserungen möglich zu machen, finde langsam Gehör: „Es ist ein langsamer Bewusstseinswandel, der aber eingesetzt hat", meinte Küng: "Heute ist ein ganz starkes Bewusstsein in der Bevölkerung da, dass vieles schiefgelaufen ist und dass man nicht mehr bereit ist, alles hinzunehmen. Insofern muss man nicht an der Menschheit verzweifeln.“ „Anständig wirtschaften“ ist im September im Piper-Verlag erschienen.

Dem Theologen Küng wurde in den achtziger Jahren von den deutschen Bischöfen die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen. Seitdem wurde der gebürtige Schweizer von Tübingen aus für seinen Einsatz für ein „Weltethos“ und für den interreligiösen Dialog bekannt. Immer wieder fällt er durch heftige Vatikankritik auf; 2005 empfing ihn Papst Benedikt XVI. in Castelgandolfo zu einem Gespräch.

(kathpress/rv 05.11.2010 sk)








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