Lombardi zu Missbrauchsopfern: Wir können Verbündete sein
Papstsprecher Pater
Federico Lombardi lädt alle Verbände von Opfern sexuellen Missbrauchs ein, die Kirche
auch als ihrenVerbündeten zu sehen. Das schreibt Lombardi in einem Brief von Sonntag
Abend, nachdem er von Teilnehmern einer Demonstration vor dem Vatikan ausgepfiffen
und verbal angegriffen wurde. Die etwa 100 Opfer sexuellen Missbrauchs durch Geistliche
wollten am Abend im Kerzenschein zum Vatikan ziehen, um ihren Forderungen Nachdruck
zu verleihen. Allerdings versperrte die Polizei ihnen den Weg zum Petersplatz. Als
Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi der Gruppe seine Solidarität mit ihrem Leiden
ausdrücken wollte, wurde er beschimpft und mit dem Ausruf „Schande, Schande“ zurückgewiesen,
wie italienische Medien berichteten. Lombardi trat den Rückzug an. Später vereinbarte
er mit einem der Organisatoren, Gary Bergeron, ein Treffen im Anschluss an die Kundgebung. Direkt
nach dem Treffen schrieb Lombardi den Organisatoren und Teilnehmern des Protestes
den Brief, den der Vatikan heute veröffentlichte.
„Die Fenster meines Büros
bei Radio Vatikan sind nur einige Meter entfernt, und deswegen schien es mir angemessen,
Ihnen zuzuhören und Ihrem Treffen ein Zeichen der Aufmerksamkeit zu schenken. Meine
Anteilnahme ist nicht offiziell, aber wegen meiner Zugehörigkeit und meiner Identifikation
mit der Katholischen Kirche und dem Heiligen Stuhl kann ich doch sagen, dass ich zu
dem, wofür Sie hier demonstrieren, eine Anteilnahme ausdrücken darf, die viele hier
teilen. Darin fühle ich mich ermutigt von der Haltung des Papstes, wie
er sie oftmals gezeigt hat: er hat den Opfern zugehört und seinen Willen bekundet,
alles Notwendige zu tun, damit diese furchtbaren Verbrechen des sexuellen Missbrauchs
nie wieder geschehen können. Auch wenn ich nicht alle Ihre Aussagen und
Positionen teile, so finde ich in ihnen doch viele Elemente, aus denen man ein Engagement
entwickeln kann, das auf unsere Solidarität und Zustimmung stößt.“
So wichtig
die Aufarbeitung durch die Kirche auch sei Lombardi betonte auch, dass eine Fokussierung
auf die katholische Kirche anderen Tätern Schutz bietet.
„Die Wunde des
sexuellen Missbrauchs, besonders von Minderjährigen, aber auch im Allgemeinen, ist
eine der großen Wunden der heutigen Welt. Das schloss und schließt immer noch die
katholische Kirche mit ein, aber wir wissen sehr wohl, dass das, was in der Kirche
geschah, nur ein kleiner Teil dessen ist, was in der Welt geschah und immer noch geschieht.
Die Kirche muss sich von diesem Übel befreien und ein gutes Beispiel geben für den
Kampf gegen den Missbrauch in ihrer Mitte. Dann müssen wir aber alle gegen diese Plage
vorgehen, von der wir wissen, wie ungeheuerlich sie ist. Diese Plage weitet sich umso
leichter aus, je besser versteckt sie bleibt. Auch heute sind viele darüber erfreut,
dass sich alle Aufmerksamkeit auf die Kirche richtet und nicht auf sie, denn das erlaubt
ihnen, ungestört weiter zu machen.“
Lombardi betont, dass aus der Aufarbeitung,
wie sie im Augenblick läuft, und aus den Maßnahmen, die die Kirche zum Schutz und
zur Prävention trifft, auch etwas Gutes für alle Beteiligten könne kann:
„Den
Kampf gegen diese Plage müssen wir gemeinsam kämpfen, mit vereinten Kräften gegen
die Verbreitung dieser Plage, die sich auf ganz neuen Wegen verbreitet, durch das
Internet und andere neue Kommunikationsformen, durch die Krise der Familien, durch
Sextourismus und Menschenhandel, die die Armut von Menschen vieler Kontinente ausnützt.
Was die Kirche – auch durch Sie und durch andere Gruppen – gelernt hat,
muss zu aller Nutzen sein, genauso wie die Initiativen, die die Kirche zu ihrer Reinigung
unternommen hat, um ein Vorbild an Sicherheit für die Jugend zu werden. Deswegen lade
ich Sie ein, auf die Kirche als einen möglichen Verbündeten zu blicken, oder – wie
ich es sagen würde – als Verbündeten, der schon heute aktiv ist bei der Verfolgung
der besten Ziele Ihres Kampfes.“ (rv 01.11.2010 ord)