D: Ein Jahr Schwarz-Gelb aus kirchlicher Perspektive
Die Zeiten ändern
sich und die Menschen mit ihnen: Das gilt auch für Politiker und Regierungen. Ein
Jahr liegt die Vereidigung der schwarz-gelben Koalition in Deutschland zurück. Zeit
für die Katholische Kirche eine Bilanz zu ziehen und sich zu fragen, ob und wie sich
die Deutschen Politiker in dieser Zeit verändert haben. Prälat Karl Jüsten, der Leiter
des Katholischen Büros in der Hauptstadt, hat mit dem Kölner domradio darüber gesprochen.
„Nach
einem Jahr kann man natürlich noch kein endgültiges Fazit ziehen, man kann nur Erfahrungen
schildern, die man im ersten Jahr mit der neuen Regierung hatte. Und das ist ambivalent,
so wie das immer mit Erfahrungen in der Politik ist. Auf der einen Seite erfahren
wir viel Wertschätzung, etwa im Bereich der Entwicklungspolitik. Da haben sich unsere
Befürchtungen Gott sei Dank nicht bewahrheitet. Die Kirchen sind ein bevorzugter Gesprächspartner
für den neuen Entwicklungshilfeminister und der Minister nimmt auch sehr wohl Anliegen,
wie wir sie in den Kirchen entwickeln, auf. So dass ich aus diesem Bereich Positives
berichten kann.“
Aber die katholische Kirche muss auch Acht geben, so Jüsten.
„Gleichwohl
- wenn es um das liebe Geld geht, muss man natürlich aufpassen, dass man da weiter
Berücksichtigung findet, so wie das im Koalitionsvertrag versprochen worden war. Da
sind wir im Moment im Gespräch, dann gibt es andere Bereiche, die uns natürlich auch
ganz wichtig sind. Etwa die Sozialpolitik, da haben wir damals als der Koalitionsvertrag
verabschiedet wurde, schon angemahnt: wenn gespart wird, dann muss es auch sozialgerecht
zugehen! Da haben wir - als jetzt die Umsetzung der Hartz-Sätze ins Haus stand - hingeschaut
und gefragt, ob man mit den Sätzen, die da jetzt verabredet wurden, ob man damit eine
Familie ernähren kann oder nicht. Das halten wir eher für nicht besonders dolle, was
da an Leistungen für die Menschen zusätzlich bereitgestellt wird.“
Fünf
Euro mehr sind Prälat Jüsten nicht genug.
„Das ist so wie das zunächst da
steht sehr gering, zumal die angekündigten Ausgaben für die Bildung nicht transparent
genug sind und da noch genau geschaut werden muss, was denn da an Leistungen für die
Bildung, insbesondere für die Kinder, zugelegt wird.“
Hartz IV bleibt also
ein wesentlicher Punkt. Dies gilt aber auch allgemein für die Finanzkrise, die Gesundheitspolitik
und jetzt auch für die Ökosteuer. In vielen Fällen haben die Bürger das Gefühl bekommen,
dass diese Regierung die Steuerreform über den Geldbeutel der Steuerzahler regelt.
Das wäre demnach auch gegen eine christliche Sozialpolitik. Jüsten:
„Da
ist wahrscheinlich bei der Bevölkerung ein besonders großer Unmut, weil sie die Koalition
gewählt haben mit der Absicht, dass Steuersenkungen durchgeführt werden und die Steuersenkungen
in der breiten Front sind ja vor allem für den Otto-Normalverbraucher ausgeblieben.
Die Leute wollen natürlich schon wissen, was im Geldsäckel ist, um hinterher eine
Regierung bemessen zu können. Gleichwohl haben die Kirchen natürlich auch immer angemahnt
und gesagt, wir müssen auch solide Finanzen haben. Es nützt also nichts, wenn wir
eine Überschuldung haben und wenn die Schuldenlast insgesamt zu groß wird, das hat
auch gerade der Vorsitzende der Bischofskonferenz angemahnt. Von daher waren wir Kirchen
eh nie diejenigen, die auf Steuersenkungen gedrungen haben, so wie das die Parteien
getan haben, deshalb sehen wir das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die
Bevölkerung ist sicherlich unzufrieden, dass diese Steuersenkungen ausgeblieben sind.
Wir als Kirchen sagen aber gleichwohl, wenn das Geld zur Konsolidierung des Haushalts
beiträgt, dann ist das auch eine vernünftige Einnahme.“
Ein weiteres heißes
Eisen ist die Bundeswehrreform, ein wesentlicher Punkt an dem sich die Geister scheiden.
Wie steht die Kirche überhaupt zur Abschaffung der Wehrpflicht?
„Das war
sicher eine nicht so vorhergesehene Reform der jetzigen Regierung. Wir als Kirche
beobachten das mit einer größeren Distance, weil wir sagen, es gibt natürlich Länder
auf dieser Welt, wo es eine allgemeine Wehrpflicht gibt und auch Länder, wo es sie
nicht gibt. Das ist natürlich auch hier in Deutschland eine Entscheidung der Wehrgerechtigkeit
und wenn die Wehrgerechtigkeit nicht mehr hergestellt wird, dann muss man die Wehrpflicht
fallen lassen. Daran hängt nun aber auch die Umgestaltung, die Abschaffung des Zivildienstes
und da sind wir im Augenblick in heftigen Gesprächen mit der Regierung. Weil wir natürlich
nicht wollen, dass die anderen freiwilligen Dienste, die es auch gibt, dann möglicherweise
mit den Bach runtergehen.“
Ein sehr heikler Punkt für die Kirchen ist derzeit
auch die Grundsatzentscheidung der Präimplantationsdiagnostik (PID). Im Bundestag
wurde darüber diskutiert, ob das Verfahren künftig erlaubt oder verboten sein soll.
Damit kann festgestellt werden, ob ein Kind gesund oder krank zur Welt kommen wird.
Dazu Jüsten:
„Wir halten es für richtig, wenn ein Verbot der PID auch weiterhin
beschlossen wird. Wir sind ja bisher davon ausgegangen, dass das im Embryonenschutzgesetz
so geregelt ist, dass ein Verbot eigentlich steht. Erst das Urteil des BGH hat das
ja in Frage gestellt. Nun kann man die Weisheit dieses Gerichtsurteils noch mal kritisch
hinterfragen... Wir hoffen natürlich, dass es im Bundestag eine hinreichend große
Mehrheit gibt, die unserer Auffassung folgt. So schlecht stehen die Chancen nicht,
immerhin hat die CDU in ihrem Grundsatzprogramm das so beschlossen und da hoffen wir
mal auf die Prinzipientreue der Union. Wir hoffen natürlich auch, dass es eine genügend
große Zahl von Abgeordneten im Deutschen Bundestag gibt, die das auch so sehen wie
wir. Der Koalitionspartner der Union sieht das nur leider etwas anders, die wollen
da eine weitere Liberalisierung und da wird das jetzt die Debatte zeigen, ob wir uns
durchsetzen können. Mit dem aufgehobenen Fraktionszwang sehen wir da noch einige Chancen
für unsere Haltung.“