In drei Tagen findet
in Brasilien die Stichwahl für das Präsidentenamt statt – und auch wenn Dilma Rousseff
in den Umfragen 17 Prozent vor ihrem Konkurrenten Jose Serra liegt, so hat doch der
Wahlkampf deutlich gezeigt, welches Gewicht die katholische Kirche und die Freikirchen
auch politisch haben. Wichtige Vertreter dieser Kirchen haben sich ungewöhnlich deutlich
gegen Roussef gewandt, vor allem weil sie Abtreibung befürwortet. An diesem Donnerstag
hatte der Papst nun Bischöfe aus Brasilien zu Besuch... und er fand dabei überraschend
deutliche Worte.
„Eure Pflicht als Bischöfe ist es, zusammen mit eurem Klerus
die moralischen Kräfte zu wecken, die man zum Aufbau einer gerechten und brüderlichen
Gesellschaft braucht. Wenn die fundamentalen Rechte der Person es erfordern, haben
die Hirten die ernste Aufgabe, ein moralisches Urteil auszusprechen – auch im politischen
Bereich... Dabei müssen sie berücksichtigen, dass man die Menschenrechte nicht verteidigen
kann, wenn man nicht auch das Recht auf Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen
Tod entschlossen verteidigt! ... Wenn Politiker direkt oder indirekt planen, Abtreibung
oder Euthanasie zu entkriminalisieren, dann wird das demokratische Ideal in seinen
Grundfesten erschüttert! Liebe Brüder im Bischofsamt, laßt uns also keine Opposition
oder sinkende Beliebtheit fürchten, sondern verteidigen wir das Leben und lehnen wir
dabei jeden Kompromiss und jede Zweideutigkeit ab!“
Vor allem die in Brasilien
immer mächtigeren Freikirchen haben in den letzten Monaten vor der geschiedenen Ex-Guerillera
Rousseff gewarnt, die sich der scheidende Präsident Luiz Inacio Lula da Silva als
Nachfolgerin wünscht. Aber auch der katholische Bischof von Guarulhos bei Sao Paolo,
Dom Luis Gonzaga Bergonzini, sagt offen: „Das sehen nicht nur die Evangelikalen so,
sondern wir auch... Leute, die sich über Rousseff informieren, sind gegen sie und
werden sich gegen Gesetze wenden, die nicht unserem Glauben entsprechen.” Serra sei,
auch wenn er für Kondome gegen Aids eintrete, “ein kleineres Übel”, so der Oberhirte.
Einige katholische Bischöfe haben sich sogar per Flugblatt klar gegen Rousseff gewandt
– eine Aktion, von der sich die Bischofskonferenz als ganze aber distanzierte. Dem
Papst ging es an diesem Donnerstag vor Bischöfen aus Brasiliens Nordostregion auch
noch um ein anderes Thema:
„Ich wollte noch daran erinnern, dass die Präsenz
religiöser Symbole im öffentlichen Raum ein Hinweis auf die Transzendenz des Menschen
ist – und eine Garantie des Respektes davor. Sie haben auch im Falle Brasiliens einen
besonderen Wert, weil die katholische Kirche ein integraler Bestandteil seiner Geschichte
ist. Wie könnte man da nicht an die Jesusstatue denken, die mit ausgebreiteten Armen
in Rio über der „Baia da Guanabara“ steht und die Gastfreundschaft und Liebe verkörpert,
mit der Brasilien immer schon Verfolgten und Bedürftigen aus aller Welt die Arme öffnete?“
In
drei Tagen haben die Wähler das Wort. Wenn Frau Rousseff in das höchste Amt in Brasilien
aufsteigt, dann werden nicht nur die Kirchen und Sekten im größten katholischen Land
der Welt sehr genau hinschauen bei allem, was sie macht, sondern auch der Vatikan.
Mit ausgebreiteten Armen wird sie wohl nicht empfangen...