Die Kirche in Togo ist seit der Unabhängigkeit 1960 im Aufwind und hat sich in den
vergangenen Jahrzehnten rasch entwickelt. Aber viele der Konvertiten bleiben in traditionellen
Praktiken verhaftet, sagt Isaac Gaglo, 52. Der Bischof der Diözese Aného im Südwesten
Togos ist sich bewusst, dass die junge Kirche ihren Glauben erst vertiefen und den
Evangelisationsprozess fortsetzen muss. Erst mit den Portugiesen ist das Christentum
nach Togo gekommen, die erste Mission im Land entstand 1886. Die Presseagentur Kipa
hat den Westafrikaner getroffen, der anlässlich des Anlass des Weltmissionsmonats
im Oktober durch die Schweiz reist. Kipa: Herr Bischof Isaac Gaglo, bei vielen
Afrikanern hat das Christentum nicht die alten Glaubenspraktiken der traditionellen
Religionen getilgt. Die Rede ist von doppelter Zugehörigkeit und der Zerrissenheit
der Gläubigen zwischen ihrem christlichen Glauben und der Kultur ihrer Gesellschaft... Isaac
Gaglo: Das stimmt. Viele Menschen konvertieren zum Christentum, bleiben aber gleichzeitig
den traditionellen Religionen verhaftet. Wenn Togolesen mit schwierigen Situationen
konfrontiert sind, suchen sie überall Antworten. Nicht bei allen geht die Konversion
tief, das Volk hat sich das Wort Gottes nicht vollständig angeeignet. Selbst bei Prüfungen
an der Universität suchen Studenten verschiedene Sicherheiten. Der Ball liegt bei
der Kirche. Sie muss ihnen die Möglichkeiten bieten, den Glauben zu vertiefen. Sie
tut dies auch, indem sie Unterricht und Ausbildung anbietet. Wir bedienen
uns vor allem für Kampagnen sehr stark des Radios, weil viele weder lesen noch schreiben
können. Die Kirche engagiert sich auch in der Alphabetisierung in Pfarreien, Vereinen,
religiösen Gemeinschaften, denn der Analphabetismus stellt ein großes Hindernis dar
in der Evangelisierung. Kipa: Die Kirche in Togo engagiert sich auch im
Sozialbereich und der Bildung... Gaglo: Wir sind sehr aktiv im Schulsektor,
vom Kindergarten bis hin zur Universität. In Togo stellen die Unter-Zwanzigjährigen
fast sechzig Prozent der Bevölkerung. Übrigens schließen unsere Schüler mit Bestnoten
ab! Seit 2007 gibt es in Sanguéra nahe der togolesischen Hauptstadt Lomé den
Zusammenschluss der "Université Catholique de l’Afrique de l’Ouest" (Ucao; katholische
Universität Westafrikas). Die Universitätsgemeinschaft Togo (Unité Universitaire Togo),
an der Informatik gelehrt wird, gehört zu diesem Ucao-Verbund, der neben Togo auch
Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Guinea, Mali und Senegal umfasst. Diese Präsenz
auf dem Bildungsmarkt ist für die Evangelisierung sehr wichtig. Kipa: Ist
die togolesische Kirche, wie dies in anderen Regionen der Fall ist, auch unternehmerisch
tätig? Gaglo: Nur siebzehn Prozent des Kulturlandes werden in Togo bestellt,
und die Menschen ziehen aus den Dörfern in die Städte, wo es eine entsprechende Infrastruktur
gibt. Die Landwirtschaft wird all zu oft vernachlässigt. In unserer Diözese gehören
der Kirche 750 Hektar urbares Land, das wir gerne nutzen möchten. Wir suchen derzeit
nach Finanzierungsmöglichkeiten für eine Landwirtschaftschule, die der ganzen Bevölkerung
offen stehen soll. Im industriellen Sektor wollen wir hingegen nicht aktiv werden. Unser
Ziel ist es, die Jungen zur landwirtschaftlichen Nutzung des Landes anzuregen. Sie
verlassen ihre Dörfer und die kleineren Städte, um sich in Lomé anzusiedeln. Die Agglomeration
umfasst jetzt schon knapp zwei Millionen Einwohner, also ein Drittel der Gesamtbevölkerung
unseres Landes. Die ländlichen Gegenden werden aufgegeben, und nichts hält die Jungen
in den Dörfern. Dabei ist das Leben in Lomé auch nicht einfach für die Menschen. Kipa:
Und wie sieht es in Togo mit Industrie aus? Gaglo: Das Land exportiert vor
allem Phosphat und Zement. Agrarexporte wie Baumwolle, Kakao oder Ananas machen einen
kleineren Teil aus. Hinzu kommt der Hafen von Lomé – der einzige Hafen der Region
mit großer Wassertiefe. Kipa: Etliche Händler und Industrielle in Togo
beklagen sich über die Konkurrenz der Produkte "made in China", die den Markt überschwemmen... Gaglo:
Die Bevölkerung hat mehr und mehr Angst vor der chinesischen Präsenz. Chinesische
Produkte drängen auf unseren Markt. China hat angekündigt, seine wirtschaftliche Zusammenarbeit
mit Togo fortzusetzen und auszubauen. Chinesen bauen unsere Strassen, die Infrastruktur,
kaufen das Land. Auch die Libyer sind sehr aktiv in Togo. Noch sieht man die Folgen
nicht so sehr, aber das wird kommen. Sie lassen sich lautlos nieder und besetzen strategisch
wichtige Nischen. Kipa: Um auf die politische Lage zurückzukommen: Die
Wiederwahl von Präsident Faure Gnassingbé vergangenen März bleibt umstritten, es wird
immer noch auf den Bericht der Beobachter der bischöflichen Kommission Justitia et
Pax gewartet... Gaglo: Nicht ist sicher. Der Fall Togo ist heikel. Wir wollen
die Parteien zum Dialog bewegen, um Versöhnung und Verzeihung zu fördern. Was kann
man mehr tun? Wir hören den Menschen zu, wir suchen den guten Willen auf beiden Seiten.
Es wäre der Sache nicht förderlich, alles zu sagen. Auf der Ebene der Bürger ist die
Kirche sehr respektiert und wird gehört. Sie sind verunsichert, wenn die Kirche nicht
reagiert. Aber die Kirche lässt die Menschen nicht alleine, sie gibt nicht auf, im
Gegenteil. Aber es ist richtig, die Situation zieht sich hin. Die Kirche engagiert
sich in der Aufklärung der politischen Gewalttaten der letzten Jahrzehnte. Die Kommission
"Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung" etwa wird von Bischof Nicodème Barrigah-Benissan
präsidiert. Sie untersucht die politische Gewalt zwischen 1958 und 2005 und kämpft
gegen die Strafffreiheit in Togo. Unser Ziel ist es, der Gewalt ein Ende zu setzen
und Versöhnung zu erreichen. (kipa 24.10.2010 gs)