2010-10-24 15:29:38

Missionssonntag: Brief aus Simbabwe


Evangelisierung konkret: Zum Missionssonntag ein Brief aus Simbabwe von Jesuitenpater Oskar Wermter.

Liebe Freunde!

Mbare ist laut. Das Geschrei der Kinder, das Trommeln der Tanzgruppe, die im Pfarrsaal für den nächsten Auftritt probt, und das Gelächter (oder auch Klagegeschrei) von der Strasse her begleiten uns den ganzen Tag. Discos mit Riesenlautsprechern dröhnen bis spät in die Nacht. Erweckungsprediger reden erregt auf die Leute ein. Gospel-Musik lässt die Scheiben klirren.
Am ersten Oktobersonntag kam unser Erzbischof zur Firmung. Ein Jahr lang hatten unsere freiwilligen Katecheten die 180 Jungen und Mädchen, jungen Erwachsenen, Väter und Mütter auf den Empfang der Gaben des Geistes vorbereitet.
Die Schwestern der Mutter Theresa kamen mit 20 alten Männern und Frauen, verloren und ohne Familien, am Busbahnhof oder in Quartieren der Armen aufgelesen. Der Bischof stieg zu den Blinden und Lahmen unter ihnen hinunter.
Am Sonntag zuvor wurden Teilnehmer an einer regulären Debatte über die neue Verfassung von Polit-Rabauken der “revolutionären” Partei verprügelt, einige schwer verletzt. Es gab ein Todesopfer – nur ein paar Schritte von der Kirche entfernt. Theoretisch werden diese Debatten von beiden Parteien getragen, praktisch zwingt aber die vormals “herrschende Partei” die Teilnehmer dazu, für einen “Präsidenten auf Lebenszeit” zu stimmen: Mugabe soll im Amt sterben und seiner Partei die Macht so lange wie möglich erhalten.
Erzbischof Ndlovu scheute sich nicht, auf seine ruhige Art Gewaltanwendung in der Politik zu beklagen. Er rief die neu Gefirmten zum Einsatz in Kirche und Staat auf: ‘Fürchtet Euch nicht vor der Politik. Aber wenn Ihr Euch politisch engagiert, sprecht die Wahrheit und seid ein Licht für die Menschen im Lande.’ Es gab Beifall.
Das Regime ist auf Lügen aufgebaut. Das wissen sie. Die Gaben des Geistes, die sie empfangen haben, sollen die gefirmten Vollmitglieder der Kirche für die Gemeinde einsetzen. Immer noch verlassen sich die Gläubigen zu sehr auf die Priester und scheuen sich vor Verantwortung. Die Armen klopfen an die Tür des Priesters, sie trauen den Obleuten in den Nachbarschaftsgruppen nicht.
Manche Katecheten sind unzuverlässig: der Priester wird das schon machen, wenn sie verhindert sind. Zwei Kirchen, zwei Pfarrheime, zwei Schulen: das braucht viel Instandsetzungsarbeit. Im Juli wurde das große grüne Dach der St. Peter Claver Kirche neu angestrichen. Die nötigen Ausgaben müssen exakt verbucht werden. Der Jesuiten -provinzial forderte die Gläubigen auf, eine sich selbst verwaltende und sich selbst erhaltende Gemeinde zu werden.
Karitative and soziale Hilfe muss von der Gemeinde ausgehen, nicht von einem einzelnen Priester. Das war schon einmal besser. Unsere Vinzenzkonferenz und die Leiter der Nachbarschaftsgruppen müssen zusammen die wirklich Armen ausfindig machen und die kleinen Betrüger und Schmarotzer, die es auch gibt, ausschließen. Mühselige Arbeit für die Mitglieder der Vinzenzkonferenz: jeder, der um Hilfe ersucht, muss besucht werden, damit man an Ort und Stelle die wirkliche Lage feststellt. Witwen und Waisen, vernachlässigte Alte und Kranke gibt es genug.
Doch die Gesunden sollen nicht gelähmt werden. Zwar sind Arbeitsstellen äußerst knapp. Doch Selbsthilfe ist möglich. Hilfe soll nicht Abhängigkeiten schaffen. Es gibt eine gewisse semi-feudale Mentalität, Feind jeder Entwicklung and allen Vorwärts -kommens: ‘Ich bin Dein Knecht, und Du versorgst mich – auf Lebenszeit’. Solch ein Denken ist Gift und darf nicht gefördert werden.
Unsere Leute lieben Großveranstaltungen, nächtelanges Predigen und charismatisches Zungenreden, musikalische Wettbewerbe mit festlichem Chorgesang, wozu man selbst Reisen in entlegene Gegenden nicht scheut. Wir feiern dieses Jahr Hundert Jahre Gemeinde St Peter Mbare. Alle waren stolz auf die Jubiläumshemden und –kleider, bedruckt mit Worten und Symbolen zum Fest. T-Shirts mit biblischen Sprüchen und religiösen Parolen sind äußerst beliebt. Wenn die Parteidamen Mugabe auf ihren bunten Kleidern zur Schau stellen, warum dann das Kirchenvolk nicht die Muttergottes oder immerhin den Papst?
Doch wer unterrichtet die Kinder in der Gemeindekatechese am Samstagmorgen, wer bringt die Hl Kommunion zu den rund 100 Kranken, wer besucht die Armen und Hungrigen, wer repariert zerbrochene Türen und verwaltet die Pfarrkasse, wenn die Gemeinde auf Achse ist oder sich selber feiert? Das ist ein echtes Problem, das wir angehen müssen. Wo den Armen und den Kleinen und Bedürftigen gedient wird, da ist der Geist Jesu am Werk. Haben wir das schon ganz verstanden?
Immer wieder bricht Chaos und Gewalt durch. Unsere Jesuitenzeitschrift MUKAI erscheint verspätet. Der Computer mit viel Material fiel Räubern in die Hände. Ein paar Tage später wurde unser Taufbrunnen umgestürzt. Mittlerweile ist alles repariert, Sicherheitsmassnahmen wurden verstärkt. Aber das Eigentliche ist natürlich eine neue Gesellschaftsordnung für diesen kaputten Staat. Ich versuche, dazu Denkanstösse zu geben in einer neuen unabhängigen Tageszeitung. Viele lehnen das alte verrottete Regime ab. Ein Beispiel: eine alte Frau wurde von ihrem Sohn erschlagen. Er kam frei, weil er “Verbindungen” hatte. Jeder ist entsetzt, der davon hört. Doch wer ist bereit, dem Bösen bis aufs Blut zu widerstehen? Wer wirklich den Geist empfangen hat, sollte dazu fähig sein.
P.George Bwanali SJ, im Juli zum Priester geweiht, besucht systematisch die Familien in den großen Wohnblocks um Old St. Peter’s herum, begleitet von den Leiterinnen der Nachbarschaftsgruppen. Ihn bewegt besonders die Lage der vernachlässigten und oft missbrauchten Mädchen in diesen überfüllten, verfallenen Wohnsilos. Er kümmert sich besonders um unsere zwei Schulen, wo auch ein jüngerer Jesuit und drei Ordensfrauen unterrichten. Zusammen mit Frauen der Gemeinde besucht er das große Krankenhaus, feiert die Messe mit den Krankenschwestern und lässt sich von seinen Mitarbeiterinnen zu den Kranken führen, die ihn brauchen.
Das ist, was Afrikaner in ihrer Religion suchen: Heilung. Der heilende Jesus spricht sie an. Wir müssen sie weiterführen zu dem Jesus der Liebe, der Ganzhingabe am Kreuz und der Auferstehung.
Nachdem P. Landsberg für sein Geistliches Zentrum freigestellt wurde, habe ich die Leitung von Gemeinde und Jesuiten-Kommunität übernommen. Aber unsere Tage, oder jedenfalls Jahre, sind gezählt. Jüngere einheimische Jesuiten übernehmen mehr und mehr Verantwortung. Einstweilen leben und arbeiten wir zusammen, tauschen uns aus über unsere Arbeitserfahrungen, und leben, so gut wir können, zusammen als Gefährten Jesu. “Liebe sollte sich mehr in Taten als in Worten zeigen” (St. Ignatius).
Mit Ihrer Hilfe können wir den wirklich Armen beistehen, die Hungrigen sättigen (in drei Küchen kochen Jugendliche jeden Tag für 600 bedürftige Kinder) und Kirchen, Pfarrzentren und Schulen mit Leben füllen.
Ich danke für Ihre Treue in diesen verwirrenden Zeiten, die einerseits ständige Umkehr verlangen, anderseits Beständigkeit und Treue angesichts von Gewalt und Bosheit. –

Schon jetzt möchte ich Ihnen eine gute Advents- und Weihnachtszeit wünschen.

Ihr Oskar Wermter SJ
 (pm 24.10.2010 gs)








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