2010-10-21 11:35:38

Bischof Hanke: „Christen in Nahost brauchen Raum“


RealAudioMP3 In Rom geht die Sondersynode von Bischöfen zum Thema Nahost in die letzte Runde: An diesem Donnerstag berieten die Teilnehmer im Vatikan über konkrete Vorschläge („propositiones“), die sie dem Papst unterbreiten wollen. Der einzige deutsche Ortsbischof, der an den Arbeiten teilnimmt, ist der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke. Im Gespräch mit Stefan Kempis erzählt Hanke, dass seine Mitbrüder aus dem Nahen Osten „natürlich sehr wachsam auf unsere Bemühungen im Westen schauen, wie wir mit dem Islam umgehen“. Hier finden Sie das Interview in voller Länge.

Es gibt sehr viele und auch sehr widersprüchliche Wortbeiträge auf dieser Nahost-Synode, etwa über das Verhältnis zu den Moslems. Ist die Kirche im Nahen Osten ein Hühnerhaufen?

„Das zeigt eben die vielfältigen, schwierigen Erfahrungen der Christen im Vorderen und Mittleren Orient – das Leben dort ist ausgesprochen schwierig für die Christen, es reicht mitunter bis hin zur Aussichtslosigkeit. Aber hier gilt es eben, ein Hoffnungspotential zu schaffen und den Glauben neu zu stärken.“

Sie sind einer der Synodenväter, die die ganze Zeit dabeisitzen – was lernen Sie, was sind die Ideen und interessanten Vorschläge, die Ihnen auffallen?

„Zunächst einmal wird aus diesen Beiträgen klar, dass der Mittlere und Nahe Osten nicht über einen Leisten geschlagen werden kann. Da gibt es Unterschiede: In Syrien zum Beispiel erfreut sich das Christentum einer relativ großen Freiheit, während in anderen Ländern Einengung herrscht, ja sogar eine harte Zurückweisung der christlichen Glaubenspraxis. Also, der Nahe und Mittlere Osten ist einmal sehr vielfältig, das ist das eine; das andere ist, dass es dort eine Vielfalt an Kirchen gibt, die näher zusammenrücken müssen, wenn das Zeugnis der Christen überhaupt spürbar sein und bleiben soll. Mir persönlich ist dann noch aus der Schilderung einzelner Bischöfe aufgegangen, wie wichtig unsere Solidarität im Westen mit den Christen in der Bedrängnis dort ist. Ich glaube, da müsste noch wesentlich mehr Bewusstsein entstehen und wachsen in unseren Pfarrgemeinden und Diözesen in Europa und Nordamerika!“

Die Debatten an den Abenden hatten etwas Parlamentsähnliches; gleichzeitig sind die Redebeiträge aber sehr disparat, sie kommen ja auch aus geografisch oder rituell sehr unterschiedlichen Ecken. Ist das eine halbe Stufe hin zur innerkirchlichen Demokratie?
 
„Das hat, würde ich sagen, gar nichts mit Demokratie oder Nicht-Demokratie zu tun – das ist eine mitbrüderliche, geschwisterliche Begegnung, die hier stattfindet. Die Bischöfe, die Vertreter der orientalischen Kirchen, können einmal in aller Offenheit all ihre Sorgen formulieren: So etwas tut man gewöhnlich zuhause, und ich würde sagen, das hat tatsächlich etwas ganz Heimatliches an sich. Das sollte man jetzt gar nicht so hochspielen: Dafür muss in der Kirche Raum sein!
 
Ich sehe natürlich schon gewisse Themen, die sich trotz der disparaten Beiträge herausschälen: Da ist einmal die Frage nach der Pastoral in der Diaspora, besonders unter denen, die ausgewandert sind. Eine weitere Frage ist die Einheit der Kirchen im Vorderen und Mittleren Orient; man erkennt, dass man näher zusammenrücken muss, und dem müssen auch Taten folgen! Ein weiterer Punkt ist das Verhältnis zum Islam – der erlebte Islam in den Ländern des Mittleren und Vorderen Orients. Und unsere christlichen Brüder und Schwestern schauen natürlich sehr wachsam auf unsere Bemühungen im Westen, wie wir mit dem Islam umgehen und welche Bemühungen und Anstrengungen, welche Schritte wir unternehmen. Da muss man wohl noch viel, viel stärker eine Abstimmung, eine engere Kommunikation schaffen. Es ist sehr viel gesprochen worden von reziprokem Verhalten; nun gut, das kann man vielleicht im Nahen Osten nicht ganz so anwenden, darauf haben einige Bischöfe aufmerksam gemacht. Dann muss man das vielleicht neu übersetzen. Aber für unsere Politiker wäre das auf alle Fälle ein Impuls, das, was bei uns im Westen möglich ist, doch im Rahmen des globalen Geschehens auch in den Stammländern des Islams anzumahnen und unseren christlichen Schwestern und Brüdern Raum zu geben.“

Gibt es eine Idee, bei der Sie sagen: Ja, gute Idee, das mache ich künftig auch in Eichstätt so?

„Wir in Eichstätt haben ja das Collegium Orientale, und deswegen bin ich ja auch mit hier. Das ist ein Dienst, den das Bistum (auch finanziell) leistet, und wir wollen dieses Collegium Orientale noch stärker den Kirchen des Mittleren und Nahen Ostens eröffnen bzw. sie darauf aufmerksam machen, dass man bei uns Studenten ausbilden lassen kann – auch zur pastoralen Betreuung derer, die leider schon aus Verzweiflung und Resignation die Landstriche der Bibel verlassen haben. Aber wir sind es schuldig, diese christliche Tradition, die sie mitgenommen haben, zu stützen – die muss bewahrt werden.“

(rv 21.10.2010 sk)








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