Ein Monat nach dem
Urnengang in Afghanistan ist der Wahlbetrug amtlich: 1,4 Millionen Stimmen, also fast
jede vierte, ist ungültig. Das erklärte an diesem Mittwoch die afghanische Wahlkommission.
Dem vorläufigen Wahlergebnis nach würden auch im neuen Parlament wieder zahlreiche
Warlords sitzen: Abgeordnete mit Verbindungen zu bewaffneten Milizen und zum Drogenhandel
sowie zahlreiche mutmaßliche Kriegsverbrecher. Judith Behnen von der Deutschen Jesuitenmission
ist gerade von einer Reise ins zentralafghanische Bamiyan zurückgekehrt. Auch dort
habe es Probleme gegeben, berichtet sie unter Berufung auf einen lokalen Wahlbeobachter
der Vereinten Nationen: „In Bamiyan standen die Ergebnisse recht
schnell fest, sie wurden im Internet veröffentlicht. Aber dann wurde noch einmal nachgezählt,
und es gab überall Beschwerden wegen Wahlbetrugs. Die Problematik mit den Warlords
gibt es schon seit vielen Jahren. Dass sie auch politische Macht haben, ist klar.
Das schwächt die gesamte politische Struktur und ist in jeder Region Afghanistans
ein riesiges Problem. Aber ein Sprecher der Wahlbeobachterkommission meinte: Im Rahmen
dessen, was an Korruption und Wahlbetrug ohnehin schon bekannt war, ist das Ergebnis
sogar noch einigermaßen in Ordnung.“ 5,6 Millionen Stimmen wurden
bei der Wahl am 18. September abgegeben. Die Wahlbeteiligung lag bei 40 Prozent, deutlich
geringer als bei den Präsidentschaftswahlen. Die geringe Beteiligung zeige, dass sich
viele Menschen aus dem demokratischen Prozess „abgekoppelt“ hätten, so Behnen. Weiter
sei sie Anzeichen dafür,
„dass die Zentralregierung in Kabul von vielen
Provinzen aus als schwach gesehen wird. Zum Beispiel sind in Bamiyan die Hazaras sehr
stark. Und egal, mit wem man spricht, da heißt es: Wir bekommen von Kabul aus keine
Hilfe, die Regierung denkt überhaupt nicht an uns, weil wir eben Hazaras sind. Wir
werden nach wie vor diskriminiert, und das Geld geht in andere Bereiche, aber nicht
zu uns. Also ist die Unzufriedenheit mit der Regierung in Kabul doch sehr hoch.“ Die
Hazaras sind schiitische Moslems, die von den Taliban besonders verfolgt wurden. Sie
bilden in der Provinz Bamiyan zusammen mit Tadschiken und Usbeken die stärkste Bevölkerungsgruppe.
Indische Jesuiten unterhalten in der Region mit Hilfe der Deutschen Jesuitenmission
und der afghanischen Regierung Bildungsprojekte für Kinder und Erwachsene. Auch die
US-amerikanische Caritas sei in die Projekte involviert, erzählt Behnen. Es gehe darum,
ein Hilfsnetzwerk aufzubauen, um das Land von innen heraus zu stärken. Behnen: „Die
Jesuiten verstehen sich als Katalysatoren, die versuchen, über ihre Kontakte Leute
zusammenzubringen und auch unterschiedliche Finanzierungsmöglichkeiten an Land zu
ziehen bzw. selbst Projekte zu initiieren. Und dann sehen sie, wie man sie an andere
Organisationen abgeben kann.“ Die Jesuiten sind seit 2004 in Afghanistan tätig;
sie arbeiten dort in Kabul, Herat und Bamiyan vor allem im Bildungsbereich. Die Deutsche
Jesuitenmission unterstützte ihre Arbeit von Anfang an und besucht die einzelnen Projekte
regelmäßig. Judith Behnen ist Sprecherin der Jesuitenmission in Nürnberg und war zusammen
mit dem Missionsprokurator P. Klaus Väthröder SJ bis zum letzten Sonntag in Afghanistan
unterwegs.
Mehr über die jesuitischen Hilfsprojekte in der Provinz Bamyan
hören Sie demnächst in unserem Abendprogramm.