2010-10-19 15:34:29

Menschen in der Zeit: Manfred Bissinger


Manfred Bissinger – Journalist, Autor, Herausgeber - 70 Jahre
‘Menschen in der Zeit’
eine Sendung von Aldo Parmeggiani

Manfred Bissinger, Jahrgang 1940, ist seit 2002 geschäftsführender Herausgeber
des Hoffman und Campe-Verlags in Hamburg. Die wichtigsten Etappen seiner
journalistischen Laufbahn: stellvertretender Chfredakteur des ‘Stern’, Sprecher des Hamburger Senats, Chefredakteur der Magazine ‘Konkret’, ‘Natur’, und ‘Merian’ sowie Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung ‘Die Woche’. Herr Bissinger, vielen Dank, dass Sie uns dieses Gespräch, das wir aus Anlass Ihres 70. Geburtstages führen, gewähren.

*Sie stammen aus einer Familie, für die die Sprache, Literatur, das geschriebene Wort immer eine besondere Rolle gespielt haben: schon Ihr Vater war einst , wie Sie heute – Journalist, Verleger und Autor. Sie haben Ihr Metier sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Welchen konkreten Einfluss hatte Ihr Elternhaus auf Ihren beruflichen Lebensweg?

‘Es hatte einen großen Einfluss, weil es ein bürgerliches Elternhaus war und in einem bürgerlichen Elternhaus wurde natürlich auch Literatur zur Kenntnis genommen. Die Kinder wurden damit vertraut gemacht und wir haben sehr früh gelernt, dadurch, dass mein Vater als Journalist arbeitete und Zeitschriften verlegte, was das für ein interessanter Beruf sein könnte. Mein Vater hat dann alle drei Söhne, der eine wurde Verlagskaufmann, der andere wurde Drucker und ich wurde Journalist, in der Hoffnung dahin bewegt, dass sie eines Tages ihren Beruf weiterführen können’.

*Wie haben Sie die 68-Jahre erlebt, wie bewerten Sie diesen Zeitabschnitt im Rückblick?

‘Ich habe diese Zeit als Reporter des Magazins ‘Stern’ erlebt und habe eigentlich über alles, was damals passiert ist, berichtet und darüber geschrieben. Sie – die 68-er- hatten sicher eine Berechtigung, weil wir schon damals eine Phase des Stillstands im Lande hatten, aber sie hatten sicher in manchen Fragen überhaupt nicht recht, weil sie bestimmte Grundrechte der Gesellschaft in Frage gestellt hatten. Und unter dieser Infragestellung leidet das Land noch heute. Also Grundrechte, wie Fleiß und Ordnung, Pünktlichkeit und Anstand, Moral, darum haben sie sich nicht gekümmert. Manches haben sie abgelegt, weil sie antiautoritär waren und dachten, sie könnten alles aufheben. Das war sicher keine gute Situation, dass sie jedoch für etwas frische Luft in der Gesellschaft gesorgt haben, war sicher vernünftig.’

*Als Journalist haben Sie es schon früh zum Rang eines Chefredakteurs gebracht:
wie lautet nach Ihrer Meinung das erste Gebot für einen guten Journalismus?

‘Wahrhaftigkeit. Ehrlichkeit, Offenheit, das gehört alles mit dazu. Eine klare Sprache . Verständnis. Den Menschen etwas beibringen wollen. Ihnen Orientierung geben. Das sind für mich wesentliche Merkmale des Journalismus’.

Sie haben die Berufskategorie sehr hoch gesteckt, mit diesen eben genannten Kardinaltugenden, wenn man das so sagen kann.

‘Der Journalist hat auch wahnsinnig viel Verantwortung. Wenn er die nicht wahrnimmt, können schreckliche Dinge passieren. Vor allem natürlich gegenüber Menschen. Wir haben es besonders in den letzten Jahren ja erleben müssen, wie einzelne Menschen erst nach oben geschrieben werden, um dann wieder nach unten gedrückt zu werden und dabei auch kaputt gehen können. Das ist eine Verantwortung, die der Journalismus hat, die er leider immer weniger wahrnimmt’.

*Welche sind die Merkmale unseres Informationszeitalters und welche Auswirkungen haben sie auf unsere Gesellschaft?

‘Die Merkmale sind natürlich, dass die Kanäle, über die informiert wird, sehr viel mehr geworden sind, als es früher gegeben hat. Als ich Journalist wurde, das gab es Rundfunk, Zeitungen und Magazine. Heute gibt es hunderte von Fernsehkanälen, es gibt vor allem das Internet, es gibt natürlich immer noch Zeitungen und Zeitschriften, es gibt immer noch Radio, aber es gibt von allem eine Fülle; dadurch ist eine Art Wettbewerb unter den Medien entstanden, der oft dazu führt, dass einzelne übertreiben, weil sie auf sich aufmerksam machen wollen.’

*Werden Internet und Multimedien die traditionellen Medien verdrängen oder sie zu neuen Anregungen, auf neue Wege führen?

‘Also ich glaube nicht, dass sie sie verdrängen werden, ich bin fest davon überzeugt, dass es in einer bürgerlichen Gesellschaft – und die haben wir Gott sei Dank noch – immer ein Kern von Menschen gibt, die nach Qualität verlangen. Und diese Qualität können am ehestens die gedruckten Medien erfüllen’.


*Noch nie gab es so viel Information wie heute, noch nie war die Macht der Medien größer und der Kampf um ihre Nutzer härter. Comunicatio – quo vadis?

‘Es war aber auch noch nie so notwendig, den Menschen, die mit diesen Medien umgehen, zu erklären, wie sie mit ihnen umgehen sollen und den Menschen in dem Dschungel Orientierung geben sollen, Wir haben doch sehr viele Medien, auch das Internet, das ohne Quellen arbeitet, sodass für den Nutzer nicht mehr erkennbar ist, woher die Nachrichten und die Ratschläge oder die Meinungen, die sie geliefert bekommen, woher die entstanden sind’

*In einer jüngsten Umfrage zur Vertrauenswürdigkeit von Berufen landet die Kategorie ‘Journalisten’ in den hinteren Rängen, zusammen mit den übrigen Schlusslichtern, wie Banker, Immobilienhändler und Politiker. Auf welche Ursachen ist diese Platzierung zurückzuführen?

‘Mich wundert diese Platzierung nicht, weil gerade der Journalismus in den letzten Jahren so sensationsheischend und damit auch so unglaubwürdig geworden ist. Dass sich dies natürlich im Publikum niederschlägt, das sagt nichts darüber aus, ob es ein Publikum gibt, das diese Sensation gerne konsumieren möchte. Wir haben in Deutschland ein Boulevardblatt, ‘Bild,’ das hat die höchste Auflage von allen Blättern. Und das ist auf diese Art und Weise sensationsheischend gemacht. Die Leute interessiert das - aber es trägt nicht zum Berufsbild des Journalisten bei, dass es angesehen wäre’.

Was sagen Sie zu der Bild-Schlagzeile: Wir sind Papst?

‘Sie bringt in wenigen Worten etwas auf den Punkt, was zu diesem Zeitpunkt richtig war und ja bis zum heutigen Tage gilt. Sie sagt etwas aus. Was mir in der Aussage sympathisch ist: wenn man sagt ‘Wir sind Papst’, dann anerkennt man ja auch, dass die Kirche eine wichtige und eine vernünftige Rolle in diesem Land spielt. Sonst würde man nicht sagen: Wir sind Papst.’


*Haben Sie auch Einblick in die kirchliche Medienwelt, das kirchliche Medien-Angebot?

‘Ich hab früher manchmal für ‘Christ und Welt’ geschrieben, ich habe auch öfter Mal für den ‘Rheinischen Merkur’ geschrieben. Ich habe das gerne getan. Ich habe gerade gelesen, dass der ‘Rheinische Merkur’ jetzt eine Beilage’ der ‘Zeit’ wird. Ich kann mir sogar vorstellen, dass das in der Konsequenz erfolgreicher ist, immer vorausgesetzt, es gelingt, diese Beilage, der Hauptausgabe der ‘Zeit’ beizulegen. Dann würde man mit seinen Botschaften auch ein anderes Publikum erreichen, als man normalerweise erreicht, denn der normale Leser kauft lieber eine Zeitung, die für ihn in ‘Anführungszeichen’ unabhängig und nicht von einer Gruppe abhängig ist’.


*Was fällt Ihnen beim Stichwort Vatikan ein?

‘Zwei Dinge: erstens ist es ein wunderbares Gebilde und eine wunderbare, kleine Stadt. Sie fasziniert mich. Zum anderen fällt mir natürlich ein, dass dort eine mächtige Institution ihren Sitz hat und dass diese mächtige Institution in unserem Leben Gott sei Dank immer noch eine große Rolle spielt. Ja ich würde sagen, dass die Kirche oder die Kirchen für mich unendlich wichtige Institutionen sind, in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um die Ziele und um die Zukunft, dass ich mir wünschen würde, die Kirche würde sich noch intensiver einmischen, als sie das bisher schon tut’.

*Sie haben viele bedeutende deutschsprachige Zeitungen, Zeitschriften, Magazine erfolgreich geleitet, darunter auch den bekannten Hamburger Hoffmann und Campe-Verlag, in dem…..

‘Indem der Papst publiziert hat. Wir haben einmal ein Buch, das ist ja weltweit erschienen, von Johannes Paul II.,herausgegeben, was im übrigen sehr, sehr gut verkauft worden ist, also es war auch für den Verlag ein sehr erfolgreiches Buch’.


Monat für Monat entführen darin weltweit bekannte Schriftsteller die ‘Merian’-Leser in unbekannte Welten. Seit 1948 hat Merian in über 700 Ausgaben monatlich eine Stadt, ein Land oder eine Region vorgestellt….

‘Ja, auch den Vatikan’.

Über 60 Jahre dokumentiert diese Zeitschrift den kulturellen Wandel in Europa und auch darüber hinaus. Inzwischen hat sich zwar viel geändert, geblieben ist über all die Jahre jedoch der literarische Anspruch der Redaktion an die Texte der verschiedenen Autoren, und geblieben ist natürlich auch die sprichwörtliche Reiselust der Deutschen. Sind Sie selbst auch von dieser Lust befallen und haben Sie selbst auch Reiseberichte für Merian geschrieben?

‘Ja, ich habe viele Reiseberichte für ‘Merian’ geschrieben, ich habe einmal ein halbes Heft für Israel geschrieben, weil mich das Land sehr faszinierte, und ich sozusagen die Chance hatte, als ein frisch Dahingekommener das mit ganz neuen Augen zu betrachten. Das ist eine schöne Art, Journalismus zu betreiben, weil man auf eine wunderbare Weise erklären kann, wie die Welt funktioniert und wie die Menschen in dieser Welt funktionieren. Das ist auch bei dem Heft Vatikan gut gelungen. Der Reiz von Merian ist, dass es ein kulturgeschichtlich und kulturhistorisch, aber zeitgleich auch sehr zeitnah produziertes Heft ist, das sie auch nach 20 Jahren noch nachlesen können’.







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