Manfred Bissinger – Journalist, Autor, Herausgeber - 70 Jahre ‘Menschen
in der Zeit’ eine Sendung von Aldo Parmeggiani
Manfred Bissinger, Jahrgang
1940, ist seit 2002 geschäftsführender Herausgeber des Hoffman und Campe-Verlags
in Hamburg. Die wichtigsten Etappen seiner journalistischen Laufbahn: stellvertretender
Chfredakteur des ‘Stern’, Sprecher des Hamburger Senats, Chefredakteur der Magazine
‘Konkret’, ‘Natur’, und ‘Merian’ sowie Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung
‘Die Woche’. Herr Bissinger, vielen Dank, dass Sie uns dieses Gespräch, das wir aus
Anlass Ihres 70. Geburtstages führen, gewähren.
*Sie stammen aus einer Familie,
für die die Sprache, Literatur, das geschriebene Wort immer eine besondere Rolle gespielt
haben: schon Ihr Vater war einst , wie Sie heute – Journalist, Verleger und Autor.
Sie haben Ihr Metier sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Welchen konkreten Einfluss
hatte Ihr Elternhaus auf Ihren beruflichen Lebensweg?
‘Es hatte einen großen
Einfluss, weil es ein bürgerliches Elternhaus war und in einem bürgerlichen Elternhaus
wurde natürlich auch Literatur zur Kenntnis genommen. Die Kinder wurden damit vertraut
gemacht und wir haben sehr früh gelernt, dadurch, dass mein Vater als Journalist arbeitete
und Zeitschriften verlegte, was das für ein interessanter Beruf sein könnte. Mein
Vater hat dann alle drei Söhne, der eine wurde Verlagskaufmann, der andere wurde Drucker
und ich wurde Journalist, in der Hoffnung dahin bewegt, dass sie eines Tages ihren
Beruf weiterführen können’.
*Wie haben Sie die 68-Jahre erlebt, wie bewerten
Sie diesen Zeitabschnitt im Rückblick?
‘Ich habe diese Zeit als Reporter des
Magazins ‘Stern’ erlebt und habe eigentlich über alles, was damals passiert ist, berichtet
und darüber geschrieben. Sie – die 68-er- hatten sicher eine Berechtigung, weil wir
schon damals eine Phase des Stillstands im Lande hatten, aber sie hatten sicher in
manchen Fragen überhaupt nicht recht, weil sie bestimmte Grundrechte der Gesellschaft
in Frage gestellt hatten. Und unter dieser Infragestellung leidet das Land noch heute.
Also Grundrechte, wie Fleiß und Ordnung, Pünktlichkeit und Anstand, Moral, darum haben
sie sich nicht gekümmert. Manches haben sie abgelegt, weil sie antiautoritär waren
und dachten, sie könnten alles aufheben. Das war sicher keine gute Situation, dass
sie jedoch für etwas frische Luft in der Gesellschaft gesorgt haben, war sicher vernünftig.’
*Als
Journalist haben Sie es schon früh zum Rang eines Chefredakteurs gebracht: wie
lautet nach Ihrer Meinung das erste Gebot für einen guten Journalismus?
‘Wahrhaftigkeit.
Ehrlichkeit, Offenheit, das gehört alles mit dazu. Eine klare Sprache . Verständnis.
Den Menschen etwas beibringen wollen. Ihnen Orientierung geben. Das sind für mich
wesentliche Merkmale des Journalismus’.
Sie haben die Berufskategorie sehr
hoch gesteckt, mit diesen eben genannten Kardinaltugenden, wenn man das so sagen kann.
‘Der
Journalist hat auch wahnsinnig viel Verantwortung. Wenn er die nicht wahrnimmt, können
schreckliche Dinge passieren. Vor allem natürlich gegenüber Menschen. Wir haben es
besonders in den letzten Jahren ja erleben müssen, wie einzelne Menschen erst nach
oben geschrieben werden, um dann wieder nach unten gedrückt zu werden und dabei auch
kaputt gehen können. Das ist eine Verantwortung, die der Journalismus hat, die er
leider immer weniger wahrnimmt’.
*Welche sind die Merkmale unseres Informationszeitalters
und welche Auswirkungen haben sie auf unsere Gesellschaft?
‘Die Merkmale sind
natürlich, dass die Kanäle, über die informiert wird, sehr viel mehr geworden sind,
als es früher gegeben hat. Als ich Journalist wurde, das gab es Rundfunk, Zeitungen
und Magazine. Heute gibt es hunderte von Fernsehkanälen, es gibt vor allem das Internet,
es gibt natürlich immer noch Zeitungen und Zeitschriften, es gibt immer noch Radio,
aber es gibt von allem eine Fülle; dadurch ist eine Art Wettbewerb unter den Medien
entstanden, der oft dazu führt, dass einzelne übertreiben, weil sie auf sich aufmerksam
machen wollen.’
*Werden Internet und Multimedien die traditionellen Medien
verdrängen oder sie zu neuen Anregungen, auf neue Wege führen?
‘Also ich glaube
nicht, dass sie sie verdrängen werden, ich bin fest davon überzeugt, dass es in einer
bürgerlichen Gesellschaft – und die haben wir Gott sei Dank noch – immer ein Kern
von Menschen gibt, die nach Qualität verlangen. Und diese Qualität können am ehestens
die gedruckten Medien erfüllen’.
*Noch nie gab es so viel Information wie
heute, noch nie war die Macht der Medien größer und der Kampf um ihre Nutzer härter.
Comunicatio – quo vadis?
‘Es war aber auch noch nie so notwendig, den Menschen,
die mit diesen Medien umgehen, zu erklären, wie sie mit ihnen umgehen sollen und den
Menschen in dem Dschungel Orientierung geben sollen, Wir haben doch sehr viele Medien,
auch das Internet, das ohne Quellen arbeitet, sodass für den Nutzer nicht mehr erkennbar
ist, woher die Nachrichten und die Ratschläge oder die Meinungen, die sie geliefert
bekommen, woher die entstanden sind’
*In einer jüngsten Umfrage zur Vertrauenswürdigkeit
von Berufen landet die Kategorie ‘Journalisten’ in den hinteren Rängen, zusammen mit
den übrigen Schlusslichtern, wie Banker, Immobilienhändler und Politiker. Auf welche
Ursachen ist diese Platzierung zurückzuführen?
‘Mich wundert diese Platzierung
nicht, weil gerade der Journalismus in den letzten Jahren so sensationsheischend und
damit auch so unglaubwürdig geworden ist. Dass sich dies natürlich im Publikum niederschlägt,
das sagt nichts darüber aus, ob es ein Publikum gibt, das diese Sensation gerne konsumieren
möchte. Wir haben in Deutschland ein Boulevardblatt, ‘Bild,’ das hat die höchste Auflage
von allen Blättern. Und das ist auf diese Art und Weise sensationsheischend gemacht.
Die Leute interessiert das - aber es trägt nicht zum Berufsbild des Journalisten bei,
dass es angesehen wäre’.
Was sagen Sie zu der Bild-Schlagzeile: Wir sind Papst?
‘Sie
bringt in wenigen Worten etwas auf den Punkt, was zu diesem Zeitpunkt richtig war
und ja bis zum heutigen Tage gilt. Sie sagt etwas aus. Was mir in der Aussage sympathisch
ist: wenn man sagt ‘Wir sind Papst’, dann anerkennt man ja auch, dass die Kirche eine
wichtige und eine vernünftige Rolle in diesem Land spielt. Sonst würde man nicht sagen:
Wir sind Papst.’
*Haben Sie auch Einblick in die kirchliche Medienwelt,
das kirchliche Medien-Angebot?
‘Ich hab früher manchmal für ‘Christ und Welt’
geschrieben, ich habe auch öfter Mal für den ‘Rheinischen Merkur’ geschrieben. Ich
habe das gerne getan. Ich habe gerade gelesen, dass der ‘Rheinische Merkur’ jetzt
eine Beilage’ der ‘Zeit’ wird. Ich kann mir sogar vorstellen, dass das in der Konsequenz
erfolgreicher ist, immer vorausgesetzt, es gelingt, diese Beilage, der Hauptausgabe
der ‘Zeit’ beizulegen. Dann würde man mit seinen Botschaften auch ein anderes Publikum
erreichen, als man normalerweise erreicht, denn der normale Leser kauft lieber eine
Zeitung, die für ihn in ‘Anführungszeichen’ unabhängig und nicht von einer Gruppe
abhängig ist’.
*Was fällt Ihnen beim Stichwort Vatikan ein?
‘Zwei
Dinge: erstens ist es ein wunderbares Gebilde und eine wunderbare, kleine Stadt. Sie
fasziniert mich. Zum anderen fällt mir natürlich ein, dass dort eine mächtige Institution
ihren Sitz hat und dass diese mächtige Institution in unserem Leben Gott sei Dank
immer noch eine große Rolle spielt. Ja ich würde sagen, dass die Kirche oder die Kirchen
für mich unendlich wichtige Institutionen sind, in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung
um die Ziele und um die Zukunft, dass ich mir wünschen würde, die Kirche würde sich
noch intensiver einmischen, als sie das bisher schon tut’.
*Sie haben viele
bedeutende deutschsprachige Zeitungen, Zeitschriften, Magazine erfolgreich geleitet,
darunter auch den bekannten Hamburger Hoffmann und Campe-Verlag, in dem…..
‘Indem
der Papst publiziert hat. Wir haben einmal ein Buch, das ist ja weltweit erschienen,
von Johannes Paul II.,herausgegeben, was im übrigen sehr, sehr gut verkauft worden
ist, also es war auch für den Verlag ein sehr erfolgreiches Buch’.
Monat
für Monat entführen darin weltweit bekannte Schriftsteller die ‘Merian’-Leser in unbekannte
Welten. Seit 1948 hat Merian in über 700 Ausgaben monatlich eine Stadt, ein Land oder
eine Region vorgestellt….
‘Ja, auch den Vatikan’.
Über 60 Jahre dokumentiert
diese Zeitschrift den kulturellen Wandel in Europa und auch darüber hinaus. Inzwischen
hat sich zwar viel geändert, geblieben ist über all die Jahre jedoch der literarische
Anspruch der Redaktion an die Texte der verschiedenen Autoren, und geblieben ist natürlich
auch die sprichwörtliche Reiselust der Deutschen. Sind Sie selbst auch von dieser
Lust befallen und haben Sie selbst auch Reiseberichte für Merian geschrieben?
‘Ja,
ich habe viele Reiseberichte für ‘Merian’ geschrieben, ich habe einmal ein halbes
Heft für Israel geschrieben, weil mich das Land sehr faszinierte, und ich sozusagen
die Chance hatte, als ein frisch Dahingekommener das mit ganz neuen Augen zu betrachten.
Das ist eine schöne Art, Journalismus zu betreiben, weil man auf eine wunderbare Weise
erklären kann, wie die Welt funktioniert und wie die Menschen in dieser Welt funktionieren.
Das ist auch bei dem Heft Vatikan gut gelungen. Der Reiz von Merian ist, dass es ein
kulturgeschichtlich und kulturhistorisch, aber zeitgleich auch sehr zeitnah produziertes
Heft ist, das sie auch nach 20 Jahren noch nachlesen können’.