Papst Benedikt XVI.
hat sich an diesem Montag in einem langen Brief an alle Priesteramtskandidaten der
Welt gewandt. Als Grund für den Brief gab der Vatikan an, dass der Papst im zu Ende
gegangenen Priesterjahr nicht nur zu den bereits Geweihten sprechen wollte, sondern
auch zu den Seminaristen. Das tut er nun in diesem Brief. Es geht um fast alle Bereiche
der Ausbildung zum Priester, um Eucharistie und Volksglauben, um Studium und Gebet.
Auch die Themen Missbrauch und Zölibat werden angesprochen. Benedikt XVI. beginnt
mit der persönlichen Erfahrung des jungen Joseph Ratzinger 1944, dem von seinem Kompaniechef
entgegengehalten wurde, dass die Welt keine Priester mehr brauche. Auch in einer von
1944 völlig verschiedenen Welt denken viele Menschen heute, dass das Priestertum kein
Beruf für die Zukunft sei, so Benedikt. Dagegen wendet der Papst ein:
„Die
Menschen werden immer, auch in der Periode der technischen Beherrschung der Welt und
der Globalisierung, Gott benötigen - den Gott, der sich uns gezeigt hat in Jesus Christus
und der uns versammelt in der weltweiten Kirche. Wo der Mensch Gott nicht mehr wahrnimmt,
wird das Leben leer. Alles ist zu wenig. Er sucht dann seine Zuflucht im Rausch oder
in der Gewalt, von der gerade die Jugend heute zunehmend bedroht wird. Gott lebt.“
Über
das Zentrum des Priesterlebens:
„Wer Priester werden will, muss vor
allem ein „Gottesmensch“ sein. Im Gesicht Jesu Christi sehen wir das Gesicht Gottes.
In seinen Worten hören wir Gott selbst mit uns reden. Deshalb ist das Allerwichtigste
auf dem Weg zum Priestertum und das ganze Priesterleben hindurch die persönliche Beziehung
zu Gott in Jesus Christus. Der Priester ist nicht der Verwalter irgendeines Vereins,
dessen Mitgliederzahl er zu erhalten und zu vergrößern versucht. Er ist der Bote Gottes
unter den Menschen.“
Über die Eucharistiefeier und die Liturgie:
„Gott
ist für uns nicht nur Wort. Mitte unserer Gottesbeziehung und unserer Lebensgestaltung
ist die Eucharistie. Zur rechten Eucharistiefeier gehört es auch, dass wir die Liturgie
der Kirche in ihrer konkreten Gestalt kennen, verstehen und lieben lernen. Allmählich
verstehen zu lernen, wie dies alles gewachsen ist, wie viel Erfahrung des Glaubens
im Aufbau der Messliturgie liegt, wie viele Generationen sie betend geformt haben,
ist etwas Begeisterndes, wie ich von meinem persönlichen Weg her sagen darf.“
Über
die Verwurzelung im Volksglauben:
„Bewahrt Euch auch den Sinn für die
Volksfrömmigkeit, die in allen Kulturen verschieden und doch auch immer wieder ganz
ähnlich ist, weil das Herz des Menschen letztlich immer dasselbe ist. Gewiss, die
Volksfrömmigkeit tendiert zur Irrationalität, vielleicht auch manchmal zur Äußerlichkeit.
Sie zu ächten ist dennoch ganz verkehrt. Sie verdient unsere Liebe, und sie macht
uns selber auf ganz reale Weise zu „Volk Gottes“.“
Über das Studium:
„Der
christliche Glaube hat eine rationale und eine intellektuelle Dimension, die ihm wesentlich
ist. Ohne sie wäre er nicht er selber. Ihr alle kennt das Wort des heiligen Petrus:
„Seid stets bereit, jedem Antwort zu geben, der euch nach der ‚Vernunft‘ (Logos) eurer
Hoffnung fragt“ (1 Petr 3,15). Die Fähigkeit zu solchen Antworten zu lernen, ist eine
Hauptaufgabe der Jahre im Priesterseminar. Ich kann Euch nur dringend bitten: Studiert
eifrig!“
Über menschliche Reife und Sexualität:
„Die Jahre
im Priesterseminar müssen auch eine Zeit des menschlichen Reifens sein. Für den Priester,
der andere auf dem Weg durchs Leben und bis zur Pforte des Todes begleiten soll, ist
es wichtig, dass er selbst Herz und Verstand, Vernunft und Gefühl, Leib und Seele
ins rechte Gleichgewicht gebracht hat und menschlich „intakt“ ist. In diesen Zusammenhang
gehört auch die Integration der Sexualität ins Ganze der Persönlichkeit. Die Sexualität
ist eine Gabe des Schöpfers, aber auch eine Aufgabe an das eigene Menschwerden. Wenn
sie nicht in die Person integriert ist, dann wird sie banal und zerstörerisch zugleich.“
Über
den Schatten, den der Missbrauch auf den Beruf geworfen hat; und über den Zölibat:
„In
letzter Zeit haben wir mit großem Bedauern feststellen müssen, dass Priester durch
sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ein Zerrbild ihres Amtes abgegeben
haben. Statt Menschen zu reifer Menschlichkeit hinzuführen und sie ihnen selbst vorzuleben,
haben sie durch ihren Missbrauch Zerstörungen hervorgerufen, die wir mit tiefem Schmerz
bedauern. Ob alledem kann bei vielen Menschen, wohl auch bei Euch selber, die Frage
aufkommen, ob es gut sei, ein Priester zu werden; ob der Zölibat ein sinnvoller Weg
menschlichen Lebens sei. Aber der zutiefst zu missbilligende Missbrauch kann die priesterliche
Sendung nicht diskreditieren, die groß und rein bleibt.“
Über die Vielfalt
der Spiritualitäten und die Einheit der Kirche:
„Priesterkandidaten
(leben oft) auf ganz verschiedenen spirituellen Kontinenten. Es kann schwer sein,
die Gemeinsamkeit des künftigen Auftrags und seines spirituellen Weges zu erkennen.
Gerade deshalb ist das Priesterseminar wichtig als Weggemeinschaft über die verschiedenen
Formen der Spiritualität hin. Die Movimenti sind eine großartige Sache. Ihr wisst,
wie sehr ich sie als Gabe des Heiligen Geistes an die Kirche schätze und liebe. Aber
sie müssen daran gemessen werden, wie sie alle auf das gemeinsame Katholische, auf
das Leben der gemeinsamen Kirche Christi offen sind, die in aller Vielfalt doch nur
eine ist.“ (rv 18.10.2010 ord)