Im folgenden eine RV-Arbeitsübersetzung der Papstpredigt am 17. Oktober 2010
Liebe
Brüder und Schwestern!
Es erneuert sich heute hier auf dem Petersplatz das
Fest der Heiligkeit. Mit Freude richte ich meinen freundlichen Gruß an euch alle,
auch die von weit her Angereisten. Einen besonderen Gruß an die Kardinäle, Bischöfe
und Ordensoberen der von den neuen Heiligen gegründeten Kongregationen, sowie an die
offiziellen Gesandten und alle zivilen Autoritäten. Gemeinsam versuchen wir zu empfangen,
was der Herr uns in den Heiligen Schriften verkündet. Die Liturgie dieses Sonntags
bietet uns eine grundlegende Lehre: die Notwendigkeit des ständigen Gebetes, ohne
Nachlass. Manchmal werden wir müde zu beten und meinen, das Gebet sei nicht sehr nützlich
für das Leben und wenig wirkungsvoll. Deshalb sind wir versucht, uns dem Tun zu verschreiben
und alle unsere menschlichen Mittel einzusetzen, um unsere Ziele zu erreichen. Wir
kommen dabei nicht auf Gott zurück. Jesus aber betont, dass wir immer beten sollen,
und er zeigt uns das mit dem Gleichnis vom ungerechten Richter, das im Lukasevangelium
festgehalten ist. Dieses Gleichnis erzählt von einem Richter, der Gott nicht fürchtet
und auf keinen Menschen Rücksicht nimmt, der keinerlei positives Verhalten zeigt,
sondern nur eigene Interessen verfolgt. Er hat keine Angst vor Gottes Urteil und keinen
Respekt vor dem Nächsten. Die andere Person ist eine Witwe, die in einer schwachen
Position ist. In der Bibel gehören Witwen und Waisen zu den Bedürftigsten, denn sie
sind schutz- und mittellos. Die Witwe geht zum Richter und bittet ihn um Gerechtigkeit.
Ihre Chancen, angehört zu werden, laufen gen Null, denn der Richter verachtet sie,
und sie hat keinerlei Druckmittel. Sie kann sich auch nicht auf religiöse Prinzipien
berufen, denn der Richter fürchtet Gott nicht. So scheint diese Witwe also ohne jede
Möglichkeit zu sein. Aber sie ist beharrlich, drängt ohne Ablass, ist lästig und so
schafft sie es am Ende, vom Richter das gewünschte Ergebnis zu bekommen. An diesem
Punkt überlegt Jesus: Wenn sich ein unredlicher Richter am Ende vom Gebet einer Witwe
überzeugen lässt, wie viel mehr erhört dann Gott, der gut ist, einen Betenden. Gott
ist ja die Güte in Person, er ist die Barmherzigkeit und deshalb immer bereit, Gebete
zu erhören. Deswegen dürfen wir nie verzweifeln, sondern müssen immer im Gebet beharrlich
sein.
Am Schluss dieses Gleichnisses geht es um den Glauben: “Wird jedoch
der Menschensohn, wenn er auf die Erde kommt, Glauben vorfinden?” (Lk 18,8). Diese
Frage soll bei uns eine Stärkung des Glaubens bewirken. Es ist klar, dass das Gebet
ein Ausdruck des Glaubens sein muss, sonst ist es kein wirkliches Gebet. Wenn jemand
nicht an die Güte Gottes glaubt, kann er nicht in angemessener Weise beten. Der Glaube
ist als Grundlage des Betens essentiell. Und das zeigen die neuen sechs Heiligen,
die heute zur Ehre der Weltkirche gewürdigt werden: Stanislaw Soltys, André Bessette,
Cándida María de Jesús Cipitria y Barriola, Mary of the Cross MacKillop, Giulia Salzano
und Battista Camilla Varano.
Der Heilige Stanislaw Kazimierczyk, Geistlicher
des 15. Jahrhunderts, kann auch für uns Beispiel und Fürsprecher sein. Vor allem in
der „Corpus Domini“-Kirche in Kazimierz, dem heutigen Krakau, wo er an der Seite seiner
Mutter und seines Vaters Glauben und Frömmigkeit lernte; wo er die Gelübde ablegte;
wo er als Priester und Erzieher arbeitete, und für Bedürftige da war. Besonders war
er aber verbunden mit der Eucharistie, durch eine glühende Liebe für den in Gestalt
von Brot und Wein anwesenden Christus. Er lebte das Geheimnis des Glaubens und der
Auferstehung, das sich auf unblutige Weise in der Heiligen Messe erfüllt; durch die
Liebe am Nächsten, deren Zeichen Quelle und Zeichen die Kommunion ist.
Bruder
André Bessette stammt aus dem Québec in Kanada und ist Geistlicher der Kongregation
des Heiligen Kreuzes. Er kannte Leid und Armut sehr gut: Sie führten ihn dazu, sich
im Gebet und durch ein intensives inneres Leben an Gott zu wenden. Als Portier des
Collège Notre Dame in Montréal zeigte er grenzenlose Barmherzigkeit und half Notleidenden,
die sich an ihn wandten. Für ihn bedeutete Glauben, sich fei und aus Liebe dem Willen
Gottes unterzuordnen. Durch und durch bewohnt von Jesu Mysterium hat er die Seligkeit
eines reinen Herzen und persönliche Aufrichtigkeit gelebt. Diese Gnade der Einfachheit
hat ihm erlaubt, Gott zu erkennen. Er war Zeuge unzähliger Heilungen und Konversionen.
“Versucht nicht, Proben zu bestehen”, sagte er, “sucht vielmehr die Gnade, sie gut
zu bestehen”. Für ihn sprach alles von Gott und von seiner Präsenz. Mögen wir, in
seiner Nachfolge, Gott mit Einfachheit suchen, um ihn immer im Herzen unseres Lebens
zu entdecken! Möge das Beispiel des Kanadiers Bruder Andre uns zu einem gläubigen
Leben anregen!
“Wird jedoch der Menschensohn, wenn er auf die Erde kommt, Glauben
vorfinden?” (Lk 18,8). Mit Freude denken wir heute auch über Menschen wie die spanische
Ordensfrau Madre Cándida María de Jesús Cipitria y Barriola nach. In tiefem Glauben
und auf den Spuren ihrer jesuitischen Vorbilder lebte diese Frau „nur für Gott“. Sie
widmete sich der Ausbildung und Förderung von Frauen, gründete in Salamanca die Kongregation
der Töchter Jesu und gibt uns heute ein Beispiel, dem es nachzueifern gilt. Die Früchte
ihres Werkes finden sich heute in vielen Ländern der Welt.
“Vergiss deine
Lehrer nicht – von ihnen kannst du die Weisheit lernen, die zum Heil durch Glauben
an Jesus Christus führt.” Viele Jahre lang waren unzählige junge Leute in ganz Australien
gesegnet mit Lehrern, die sich vom mutigen und heiligen Beispiel von Mutter Mary McKillops
Gebet, das inbrünstig und ausdauernd war, inspirieren ließen. Als junge Frau widmete
sie sich der Ausbildung der Armen im schwierigen und unzugänglichen ländlichen Australien.
Sie brachte andere Frauen dazu, ihr nachzufolgen in der ersten weiblichen Ordensgemeinschaft
Australiens. Sie sorgte für jeden jungen Menschen, der ihrer Obhut anvertraut war,
ohne Rücksicht auf Status und Wohlstand, bot ihm geistige und geistliche Ausbildung
an. Trotz vieler Herausforderungen waren es die Gebete zum Heiligen Joseph sowie eine
unermüdliche Hingabe an das Heilige Herz Jesu, dem sie ihre neue Kongregation widmete,
die dieser heiligen Frau die Gnade gaben, die sie brauchte, um Gott und der Kirche
treu zu bleiben. Mögen durch ihre Fürsprache ihre Nachfolger heute Gott und der Kirche
mit Glauben und Demut weiter dienen!
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
rief der Herr in Kampanien im Süden Italiens eine junge Grundschullehrerin, Giulia
Salzano, in seinen Dienst. Er machte sie zu einer Jüngerin der christlichen Erziehung
und zur Gründerin der Kongregation der Herz-Jesu Schwestern für die Katechese. Mutter
Giulia verstand gut die Bedeutung der Katechese in der Kirche. Sie widmete sich ihr
mit Großmut und Intelligenz, indem sie erzieherische Ausbildung mit geistlicher Hingabe
verband und so zur Ausbildung von Personen jeden Alters und jeder sozialer Schicht
beitrug. Wiederholt sagte sie ihren Mitschwestern, dass sie sich bis zur letzten Stunde
ihres Lebens dem Katechismus widmen wolle. Sie zeigte mit ihrem ganzen Dasein, dass
– wenn “Gott uns erschuf, um ihn zu kennen, zu lieben und ihm zu dienen” – nichts
dieser Aufgabe im Wege stehen durfte. Mögen das Beispiel und die Fürsprache der heiligen
Giulia Salzano die Kirche in ihrer Aufgabe unterstützen, Christus zu verkünden und
authentische christliche Gewissen zu formen.
Die heilige Battista Camilla Varano,
Klarissin des 15. Jahrhunderts, hat bis ins Tiefste den evangelischen Sinn des Lebens
bezeugt, vor allem durch die Beharrlichkeit des Gebetes. Sie trat mit 23 Jahren in
das Kloster von Urbino ein und wurde zu einer bewegenden Kraft in der Reformbewegung
der Franziskanerinnen, für die sie das Charisma der heiligen Klara von Assisi wiedererlangen
wollte. Sie gründete neue Ordensgemeinschaften in Camerino, wo sie mehrer Male zur
Äbtissin gewählt wurde, in Fermo und in San Severino. Das Leben der heiligen Battista,
das völlig in die göttliche Tiefe versenkt war, strebte kontinuierlich der Perfektion
zu, es zeugte von heldenhafter Liebe zu Gott und dem Nächsten gegenüber. Sie war gezeichnet
durch großes Leiden und mystischen Trost. So hatte sie, wie sie selbst schrieb, entschieden,
“ins Allerheiligstes Herz Jesu einzutreten und im Ozean seiner bittersten Leiden zu
ertrinken”. In einer Zeit, in der die Kirche einen Weg der Lockerung beschritt, suchte
sie mit Entschiedenheit den Weg der Buße und des Gebetes, angetrieben durch tiefes
Verlangen nach Erneuerung des mystischen Körpers Christi.
Liebe Brüder und
Schwestern, danken wir dem Herrn für das Geschenk der Heiligkeit, das in der Kirche
aufscheint und heute das Antlitz dieser unsrer Brüdern und Schwestern erleuchtet.
Jesus lädt auch jeden von euch ein, ihm zu folgen, um ins ewige Leben einzugehen.
Lassen wir uns von diesen leuchtenden Beispielen faszinieren und uns von ihren Lehren
leiten, so dass unsere ganze Existenz zum Lobgesang für Gott wird. Mögen die neuen
6 Heiligen, die wir heute mit Freude zur Ehre der Altäre erheben, für uns bei der
Jungfrau Maria Gnade erwirken. Amen.
(rv 17.10.2010)
Die offizielle
Übersetzung wird demnächst im Osservatore Romano und im Internet unter www.vatican.va
veröffentlicht.