Das „österreichische
Modell“ des Umgangs der Kirche mit Missbrauchsfällen stößt auf Respekt. Zuletzt würdigte
der deutsche Jesuit P. Klaus Mertes, der Anfang des Jahres in Berlin die Enthüllungswelle
der Missbrauchsfälle im kirchlichen Bereich losgetreten hatte, das Vorgehen der österreichischen
Kirche. "Für uns in Deutschland war der Blick auf Wien sehr ermutigend", sagte Mertes
vor der Wiener Diözesanversammlung. Mit einer Bußfeier im Stephansdom, der Einrichtung
einer Opferschutzkommission, der raschen Auszahlung von Therapie- und Entschädigungszahlungen
und der Überarbeitung der kirchlichen Richtlinien habe Wiens Kardinal Christoph Schönborn
wichtige Akzente gesetzt.
Was am österreichischen Modell wegweisend ist, resümiert
im Gespräch mit uns Paul Wuthe, Leiter des Medienreferats der Österreichischen Bischofskonferenz:
„Die Kirche in Österreich hat es geschafft, von sich aus dieses Tabu zu
brechen. Das haben die Bischöfe bereits im März bei der Vollversammlung getan, indem
sie die Opfer gebeten haben, sich zu melden, ins Gespräch mit der Kirche zu kommen
und die Ombudsstellen aufzusuchen, die es in jeder Diözese gibt. Der zweite Schritt
war, dass man sich bemühte, rasch und angemessen zu helfen.“
Dazu rief
Kardinal Schönborn eine unabhängige Opferschutzkommission unter Leitung von Waltraud
Klasnic ins Leben. 556 Opfer haben sich bisher gemeldet, hieß es vor wenigen Tagen.
Einige suchten die Konfrontation mit dem noch lebenden Täter, andere juristische Beratung.
In vielen Fällen bietet die Kirche Unterstützung durch Therapie und finanzielle Hilfe
auf freiwilliger Basis.
„Die Klasnic-Kommission hat ein Modell entworfen,
wo je nach der Schwere der Übergriffe zwischen 5.000 Euro, 15.000, 25.000 Euro und
einer nach oben offenen Summe individuell Hilfsleistungen geben wird. Bemerkenswert,
ist: Es ist unerheblich, ob der Vorfall bereits juristisch verjährt ist. Das Ziel
ist, möglichst rasch, menschlich, unbürokratisch und angemessen zu helfen, ohne dass
man ein Opfer zwingt, den Gang zum Gericht zu beschreiten. Dieses Modell hat so viele
Vorzüge, dass es mittlerweile auch von einigen Bundesländern übernommen wurde, Wien,
Tirol, Vorarlberg. Das zeigt, dass die Kirche hier gemeinsam mit der Opferschutzkommission
den richtigen Weg vorgezeigt hat.“ (rv 16.10.2010 gs)