„Retten wir ein Dorf!“ – Ein etwas anderes Schulprojekt in Indien
Mutter Teresa lebt:
Mit Herz und Hand folgen zahlreiche indische Ordensfrauen der tatkräftigen Missionarin
nach; ihren Einsatz würdigt das katholische Hilfswerk missio im Monat der Weltmission
Oktober mit zahlreichen Veranstaltungen. Zu Gast in Aachen war in diesen Tagen in
dem Rahmen auch die indische Karmeliterschwester Maria Nirmalini. Sie ist rund um
die indische Hauptstadt Neu Delhi und im Bundesstaat Orissa in Bildungsprojekte engagiert.
Anne Preckel berichtet.
Manche Dinge kann man sich nicht vorstellen, und manche
Dinge will man sich auch gar nicht vorstellen. So ging es der indischen Ordensschwester
Nirmalini, als sie im April 2006 in das Dorf Nuh bei Neu Delhi kam: Viele der muslimischen
Dorfbewohner standen kurz vor dem Verhungern und waren sich selbst überlassen. Von
staatlicher Unterstützung, Schulen oder ausreichendem Lebensunterhalt konnte damals
nicht die Rede sein. Schwester Nirmalini erinnert sich im Interview mit Radio Vatikan:
„Das
hat mich einfach bewegt, nur 100 km von Neu Delhi entfernt totale Armut und Analphabetismus
zu finden. Alle in diesem Dorf waren krank. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen,
dass vor den Toren der indischen Hauptstadt solche schrecklichen Dinge zu sehen waren.“
Armut
und Hoffnungslosigkeit – das war eine andere Kulisse als die, die Schwester Nirmalini
bis zu diesem Zeitpunkt tagtäglich umgab: In New Delhis Diplomatenviertel leitet sie
eine katholische Privatschule für Mädchen. Im „Carmel Convent“ werden zum größten
Teil Kinder der indischen Mittelschicht ausgebildet, von Ingenieuren, Anwälten und
Ärzten.
„Wir haben um die 1.800 Schülerinnen, von denen 360 Christen sind,
die anderen sind Hindus und Moslems oder Pandschabis.“
Eine Schule für
die Töchter der besseren Gesellschaft – das ist die Schmiede der indischen Gesellschaft
von morgen. Genau diese jungen Frauen und ihre Familien brachte Schwester Nirmalini
mit Indiens Elend in Kontakt. So ist das Dorf Nuh heute – vier Jahre später – nur
eines der Sozialprojekte des Carmel Convents. „Ich denke, für eine
Schule ist es wichtig, mehr als eine Schule zu sein. Man kann neben der Ausbildung
immer die Zeit finden, etwas für Menschen zu tun, die wirklich nichts in ihrem Leben
haben. Ich denke, es war wichtig für die Kinder unserer Schule, empfänglich für solche
Dinge zu werden, so dass sie in Zukunft – was auch immer sie dann tun und welche Position
sie dann auch immer dann haben – die Gesellschaft verändern, sie verbessern.“
Schüler
und Lehrer sammeln Geld und Sachspenden, organisieren Lebensmittel und besuchen das
Dorf regelmäßig. Im Mittelpunkt der sozialen Arbeit stehen auch hier Mädchen und junge
Frauen. Doch es war noch viel zu tun, bevor man mit ihrer Ausbildung beginnen konnte.
„Viele der Kinder waren total unterernährt. Deshalb war es wichtig, sich
zunächst auf zwei Dinge zu konzentrieren. Zum einen auf das medizinische Wohlbefinden
der Kinder, zum anderen auf ihre Ernährung. Wir haben Ärzte, einige Eltern der Schüler
aus New Delhi, die freiwillig medizinische Dienste in dem Dorf leisten. Heute sind
wir in der Lage, allen Dorfkindern ein Mittagessen zu garantieren. Und ich bin froh,
sagen zu können, dass inzwischen 60 Kinder dort die Schule besuchen.“
Die
indische Regierung habe im April 2010 ein neues Gesetz auf den Weg gebracht, das jedem
Kind zwischen sechs und 14 Jahren eine obligatorische und kostenfreie Ausbildung garantieren
soll, erzählt Schwester Nirmalini. Das sei positiv, denn es biete langfristig auch
den Kindern von Nuh eine bessere Zukunft. Dass Nuh vom Slum zu einem Ort der Hoffnung
werden konnte, ist allerdings primär Menschen wie Schwester Nirmalini zu verdanken.
Auch das deutsche katholische Hilfswerk missio sowie die Erzdiözese Neu Delhi leisten
Unterstützung, so zum Beispiel bei der Lehrerausbildung:
„Einige
Leute wurden in der Erzdiözese von Delhi ausgebildet zu Koordinatoren. Diese bilden
die Kinder in dem Dorf aus. Dabei handelt es sich vielleicht nicht um eine komplette
Schulausbildung, aber immerhin. Die katholische Kirche von Neu Delhi organisiert also
verschiedene Trainingsprogramme und wir unterstützen die Lehrer, indem wir einen Teil
ihres Gehalts zahlen. Es ist interessant zu sehen, wie sich mit dem Bildungsprojekt
das ganze Dorf verändert hat!“
Schwester Nirmalini ist
nicht nur in New Dehli und Umgebung aktiv: Nach der Gewalt gegen Christen im Bundesstaat
Orissa im Jahr 2008 engagierte sie sich für Flüchtlinge im Kandhamal Distrikt, und
ermöglichte deren Kindern, die Schulbildung fortzusetzen und ihre Abschlüsse zu machen.