Nahostsynode im Vatikan: Kernsätze aus den Ansprachen
Hier finden Sie einen
Überblick über offizielle Wortmeldungen auf der 2. und 3. „Generalversammlung“ der
Nahost-Synode im Vatikan - zusammengestellt von Stefan Kempis, der die Synode für
uns beobachtet. Die Aussprache begann mit Vertretern der Bischöfe in mehreren Kontinenten,
in denen es viele Christen östlicher Riten gibt – eine Folge des Exodus.
Kardinal
Polycarp Pengo aus Tansania im Auftrag der afrikanischen Bischöfe: „Bei uns in
Ostafrika war der Islam bis vor fünfzig Jahren so dominierend an der Küste des Indischen
Ozeans, dass das den Glauben der jungen Leute bedrohte, wenn sie auf der Arbeitssuche
aus dem Landesinnern in diese Regionen kamen. Was die Lage in Ostafrika gerettet hat,
war die enge Zusammenarbeit von christlichen Missionaren im Landesinnern mit denen
an der Küste. Die jungen Leute bekamen, wenn sie an die Küste zogen, Briefe an die
dortigen Missionare mit, und diese nahmen die jungen Leute dann gleich in ihre christlichen
Gemeinschaften auf…“
Erzbischof John Atcherley Dew aus Neuseeland im
Auftrag der ozeanischen Bischöfe: „Wir hatten immer schon Migranten und Flüchtlinge
aus dem Grossraum Nahost in Ozeanien: europäische Juden, Flüchtlinge aus dem Deutschland
der 30er Jahre, Überlebende der Shoah; Libanesen, Palaestinenser, Ägypter; Iraker,
und zwar sowohl Christen wie Muslime; und in neuerer Zeit kurdische Flüchtlinge aus
Irak, Iran und der Türkei.“
Kardinal Roger Mahoney aus den USA für die
nordamerikanischen Bischöfe: „Viele östliche Katholiken, die aus dem Nahen Osten zu
uns kommen, werden der Einfachheit halber römische Katholiken und geben ihre Tradition
auf. Es gibt eine Spannung zwischen Vielfalt und Einheit… Ein Beispiel: Viele östliche
Kirchen lassen Kinder ab der Taufe schon zur Kommunion zu. Wenn diese Familien dann
römisch-katholische Messen mit ihren Kindern zusammen besuchen, werden diese Kinder
oft daran gehindert, zur Kommunion zu gehen. Wir bräuchten groessere Sensibilität
in sehr praktischen Fragen wie dieser hier, um die Schwierigkeiten von Einwanderern
aus dem Nahen Osten zu erleichtern.“
Erzbischof Raymundo Damasceno Assis
aus Brasilien im Auftrag der lateinamerikanischen Bischöfe: „Wir bräuchten ein
stärkeres Bewusstsein, dass wir einen gemeinsamen katholischen Glauben haben, um auch
zu einer gemeinsamen Missionsarbeit zu kommen.“
Kardinal Angelo Sodano
für das Kardinalskollegium: „Ich drücke meine Solidarität auch mit den Christen in
Afghanistan aus, obwohl sie auf dieser Synode nicht vertreten sind… Ich erinnere daran,
wie nützlich es wäre, mit den päpstlichen Nuntien in den Ländern des Nahen Ostens
zusammenzuarbeiten. Es sind acht: in Jerusalem, Beirut, Damaskus, Ankara, Bagdad,
Teheran, Kairo und Safat in Kuweit.“
Erzbischof Elias Chacour aus Akko in
Israel, der die grösste katholische Kirche im Heiligen Land vertritt, die melkitische
nämlich: „In den letzten zwanzig Jahrhunderten waren unsere Christen im Heiligen Land
zu Unterdrückung, Verfolgung und Leiden mit Christus verurteilt. Er ist auferstanden,
aber sein Kreuz steht noch bei uns; unsere Christen hängen noch an diesem furchtbaren
Kreuz. Sie leben weiter mit täglichen Drohungen von Behörden, die davon träumen, unsere
Minderheit umzusiedeln, weg von ihrem Land, von ihren Häusern… Wir wollen bleiben,
wo wir sind, wir brauchen Eure Freundschaft und nicht Euer Geld!“
Der armenische
Erzbischof Boutros Marayati aus dem syrischen Aleppo: „Im Grundlagentext der Synode,
dem Instrumentum laboris, fehlt der Hinweis auf den Genozid an den armenischen Christen
und auf den Genozid überhaupt an Christen, der heute noch anhält… Wir fragen uns:
Gibt es etwa ein Projekt mit dem Ziel, den Nahen Osten christenfrei zu machen?“
Der
koptische Bischof von Assiut in Ägypten: „In unserem Land Ägypten sind alle –
Katholiken, Nichtkatholiken und sogar Nichtchristen – Kopten. Wozu dient da eine lateinische
Liturgie in arabischer Sprache? Wenn Lateiner da sind, dürfen sie natürlich lateinische
Messen feiern, aber in einer anderen Sprache und nicht auf Arabisch, denn damit locken
sie unsere Gläubigen an und führen zu Verwirrung!“
Der ägyptische koptische
Bischof Fahim Awad Hanna: „Der Hunger nach dem Wort Gottes ist gross in unserer
Region. Wir brauchen mehr Spezialisten, Zentren und Gemeinschaften, um die biblische
Kultur in unserer Realität zu studieren, zu meditieren, zu leben und zu verbreiten.“
Der
koptische Bischof Joannes Zakaria aus Luxor/Theben in Ägypten: „Aus Theben kamen
der heilige Mauritius und seine Gefährten von der Thebäischen Legion des römischen
Heeres, die das Evangelium in der Schweiz, Deutschland und Frankreich verbreitet haben…
Die Ostkirchen sollten etwas für die Reevangelisierung ihrer Kinder tun! Ich schlage
eine schriftliche Strategie für die Erneuerung der missionarischen Aktivität der Ostkirchen
vor, und die Gründung von Instituten für die Ausbildung von Missionaren.“
Kurienkardinal
Zenon Grocholewski von der vatikanischen Bildungskongregation: „Unsere Schulen
und Bildungseinrichtungen im Nahen Osten müssen für alle offen sein und auch die respektieren,
die den christlichen Glauben nicht teilen… Das kann aber nicht bedeuten, dass sie
die christlichen Werte verschweigen!“
Pater David Neuhaus vom Lateinischen
Patriarchat Jerusalem: Hebräisch ist auch eine Sprache der katholischen Kirche
im Nahen Osten! Tausende von Kindern aus ausländischen Gastarbeiterfamilien brauchen
Katechismusunterricht auf hebräisch – eine grosse Herausforderung für unser Vikariat
für Katholiken hebräischer Sprache…“
Erzbischof Louis Sako von Kirkuk im
Irak: „Der tödliche Exodus, der unsere Kirchen betrifft, lässt sich nicht vermeiden.
Die Emigration ist die grösste Herausforderung, die unsere Präsenz im Irak bedroht.
Die Zahlen sind besorgniserregend.“
Der koptische Bischof Antonios Aziz
Mina aus Gisa in Ägypten: „Man müsste die Prozedur der Bischofsernennungen bei
den Ostkirchen vereinfachen, damit sie schneller geht… Seit den dreissiger Jahren
dürfen verheiratete Priester (der Ostkirchen) nicht mehr ausserhalb des patriarchalen
Territoriums und der historischen östlichen Regionen geweiht werden bzw. arbeiten.
Ich glaube, dass die Zeit gekommen ist, das zu ändern – zugunsten der Seelsorge der
östlichen Gläubigen in der Diaspora.“
Erzbischof Maroun Laham von Tunis
in Tunesien: „Man muss wissen, dass es mehr Moslems in Nordafrika gibt als im
Nahen Osten… Unsere christlichen Gläubigen sind in der Regel alle Ausländer; jede
Kirche im Maghreb hat nicht weniger als 60 verschiedene Nationalitäten in ihren Reihen…
Ich bitte um Zusammenarbeit: um ein Ausleihen von Priestern, Ordensleuten, geweihten
Laien oder Freiwilligen, die in den Pfarreien und den verschiedenen Einrichtungen
der Kirche in Nordafrika arbeiten. Bisher stellte Europa all das sicher; jetzt geht
das nicht mehr, wegen des Priestermangels… Wir haben zwei Richtungen, in denen wir
um Hilfe bitten können: Afrika und Nahost… Bittet, so wird euch gegeben, sagt der
Herr. Wir haben gebeten, jetzt warten wir darauf, etwas zu empfangen.“
Der
maronitische Erzbischof Samir Nassar von Damaskus: „Die Nähe von Christen mit
ihrem Evangelium bringt Moslems dazu, über eine kritische Lektüre des Koran nachzudenken…
In einem säkularen Staat wie Syrien lassen sich einige Initiativen gemeinsam mit Moslems
durchführen; wir konnten etwa Kunst-, Theater- oder Sportveranstaltungen im zurückliegenden
Paulusjahr gemeinsam veranstalten… Man sollte aber Provokationen des Islam vermeiden
– etwa die dänischen Karikaturen oder den Aufruf zur Koranverbrennung. Das sind Gesten,
die den christlichen Minderheiten im Orient und woanders schaden“
Bischof
Salim Sayegh vom Lateinischen Patriarchat in Jerusalem: „Die Sekten führen zu
einer grossen Verwirrung in der Lehre. Unsere Zeit ist voll von ihren theologischen
Phantastereien. In Jordanien zum Beispiel gibt es etwa 50 Sekten – fünf davon haben
mehr aktive Seelsorger als alle katholischen und orthodoxen Kirchen zusammen!“
Der
Lateinische Erzbischof Jean Sleiman von Bagdad im Irak: „Unsere Gemeinschaft wird
vom Konfessionalismus geschwächt. Die Riten haben sich in Konfessionen verwandelt.
Unsere Kirchen sui juris müssten an die Wurzeln dieses Phänomens gehen, die in die
frühislamische Zeit zurueckreichen. Wir sollten das Modell der Gemeinschaft von Jerusalem
wiederentdecken.“
Bischof Giorgio Bertin von Mogadischu in Somalia:
„Warum arbeiten wir nicht auf der Ebene der nahöstlichen Kirche und der ganzen Kirche
mit den Priestern, die wir haben, zusammen? … Ich schlage eine Art Datenbank verfügbarer
Priester vor: Aus allen Kirchen und Ordensgemeinschaften sollten sich einige Priester
für eine bestimmte Zeit, etwa 3 Monate, 6 Monate, 9 Monate usw., zur Verfügung stellen
fuer die Arbeit in einer anderen Kirche oder bei einer anderen Gruppe von Katholiken.“
Ein
orientalischer Bischof aus Lateinamerika: „Es ist schwer zu verstehen, warum die
Aktivität der Patriarchen, Bischöfe und Synoden der Ostkirchen auf ihr Territorium
beschränkt werden. Unter den 23 Kirchen eigenen Rechts, die heute die katholische
Kirche bilden, hat nur eine, nämlich die lateinische, nicht diese Beschränkung. So
können die 22 Ostkirchen nur schwer ihre Identität bewahren und wachsen, vor allem
im Westen… Eigentlich müssten ausserdem die Patriarchen der Ostkirchen ipso facto
Mitglieder des Kollegiums sein, das den Papst wählt, auch ohne dass sie dafür Kardinäle
sein müssen.“
Der melkitische Patriarch Gregorios III. Laham von Damaskus
in Syrien: „Die christliche Anwesenheit in der arabischen Welt wird durch den
Zyklus von Kriegen bedroht, die immer wieder in dieser Ursprungsregion des Christentums
ausbrechen. Der wichtigste Grund ist der israelisch-paästinensische Konflikt… Wenn
sich der Orient von Christen leeren sollte, dann würde nichts mehr einen neuen Zusammenprall
der Kulturen aufhalten, der Zivilisationen und sogar der Religionen. Es wäre ein zerstörerischer
Zusammenprall zwischen einem islamischen arabischen Orient und einem christlichen
Westen.“