P. Neuhaus: „Dialog im Heiligen Land unter gutem Stern“
Der jüdisch-christliche Dialog im Heiligen Land steht trotz aller Schwierigkeiten
heute unter einem besseren Stern. Diese vorsichtige Prognose wagt der israelische
Jesuitenpater David Neuhaus, Patriarchatsvikar im lateinischen Patriarchat von Jerusalem.
Der vom Juden- zum Christentum konvertierte Geistliche erklärt im Gespräch mit unseren
englischen Kollegen die besonderen Vorraussetzungen, unter denen der jüdisch-christliche
Dialog im Heiligen Land steht:
„Das Heilige Land ist weltweit der einzige
Ort des jüdisch-christlichen Dialoges, an dem Juden die dominante Mehrheit bilden,
an dem sie die politische Macht besitzen, und an dem wir einen andauernden Konflikt
haben. In diesem Kontext braucht es eine besondere, spezifische Form des jüdisch-christlichen
Dialoges, es braucht enorme Raffinesse, eine Menge Diplomatie und viel Geduld. Ich
glaube, dass früher oder später mehr und mehr zu Bewusstsein kommen muss, dass die
Christen hier den schwächeren und bedürftigeren Teil darstellen.“
Raffinesse
und Diplomatie seien nicht zuletzt auch nötig, da die meisten Katholiken im Heiligen
Land Palästinenser seien, erinnert Pater Neuhaus. Die politisch schwierige Situation
mache den Austausch mit israelischer Seite nicht gerade einfach. Andererseits habe
die katholische Kirche im Heiligen Land immer mehr zum Friedensprozess beizutragen;
neue Wunden gebe es, andere aber hätten sich geschlossen, so der Jesuit:
„Es
wird immer wichtiger, im Staat Israel eine Kirche zu haben, die Hebräisch spricht
und die jüdischen Partner in Dialog bringen kann, in ihrer eigenen Sprache. Und: Sie
kann auch Fragen bei der spirituellen Suche beantworten. Hier leben wir in sehr interessanten
Zeiten, denn die israelische Gesellschaft wird immer selbstbewusster und ist immer
weniger traumatisiert durch die eigenen historischen Erfahrungen – sie ist deshalb
mehr in den Dialog mit Christen involviert.“
Wenn auch die Christen im
Heiligen Land eine Minderheit darstellten, gebe es dennoch großes Interesse am Christentum
auf jüdischer Seite, erzählt Neuhaus:
„Die Christen sind eine Minderheit,
und die jüdische Gemeinschaft sieht andere Themen als wichtiger wie etwa den Dialog
mit den Muslimen und die Stellung des Staates Israel. Doch auf der anderen Seite –
und da spreche ich von meinen Erfahrungen – gibt es eine unglaubliche Neugier darauf,
was Christsein überhaupt bedeutet, was die Kirche lehrt, wer Jesus Christus ist und
warum diese Zivilisation eine so wichtige Rolle in der Geschichte der Welt spielt.“
Die
Hebräisch sprechende katholische Gemeinschaft im Heiligen Land entstand kurz nach
der Gründung des Staates Israel Mitte der 50er Jahre. Die noch junge Glaubensgemeinschaft
sei zwar relativ klein. Ihre Arbeit reiche aber weit über das katholische Glaubensleben
hinaus, erzählt Pater Neuhaus. Vor allem im Bildungsbereich seien die Katholiken aktiv.
„Es
gibt heute etwa 200.000 ausländische katholische Arbeiter im Staat Israel. Ihre Kinder
sind perfekt in die jüdisch-israelische und Hebräisch sprechende Gesellschaft integriert
und werden in sehr guten israelischen Schulen ausgebildet, wo sie allerdings nahezu
keine katholische Ausbildung erhalten. Das treibt unser kleines Vikariat um – wir
wollen das ändern. Wir arbeiten zum Beispiel gerade an der Übersetzung von katholischen
Texten ins Hebräische. Oder wir gehen in diese Gemeinschaften von Arbeitern und Migranten
und versuchen, mit den Kindern Aktionen zu organisieren.“
Zu den Ergebnissen
der Nahostsynode will sich Neuhaus nicht vorschnell äußern. Er hofft jedoch, dass
das Weltbischofstreffen der christlichen Gemeinschaft „neuen Schwung“ verleiht:
„Ich
habe viele Hoffnungen, bin aber realistisch. Ich hoffe, dass die Synode eine Art Erneuerung
für Christen bedeutet, dass am Ende größere Klarheit über die eigene Vision herrscht,
ebenso größere Einheit unter den Christen und Katholiken. Und ich hoffe, dass sie
mehr Mut finden, sich in den verschiedenen Gesellschaften, in denen sie leben, zu
engagieren.“