2010-10-11 15:58:04

P. Neuhaus: „Dialog im Heiligen Land unter gutem Stern“


Der jüdisch-christliche Dialog im Heiligen Land steht trotz aller Schwierigkeiten heute unter einem besseren Stern. Diese vorsichtige Prognose wagt der israelische Jesuitenpater David Neuhaus, Patriarchatsvikar im lateinischen Patriarchat von Jerusalem. Der vom Juden- zum Christentum konvertierte Geistliche erklärt im Gespräch mit unseren englischen Kollegen die besonderen Vorraussetzungen, unter denen der jüdisch-christliche Dialog im Heiligen Land steht:

„Das Heilige Land ist weltweit der einzige Ort des jüdisch-christlichen Dialoges, an dem Juden die dominante Mehrheit bilden, an dem sie die politische Macht besitzen, und an dem wir einen andauernden Konflikt haben. In diesem Kontext braucht es eine besondere, spezifische Form des jüdisch-christlichen Dialoges, es braucht enorme Raffinesse, eine Menge Diplomatie und viel Geduld. Ich glaube, dass früher oder später mehr und mehr zu Bewusstsein kommen muss, dass die Christen hier den schwächeren und bedürftigeren Teil darstellen.“

Raffinesse und Diplomatie seien nicht zuletzt auch nötig, da die meisten Katholiken im Heiligen Land Palästinenser seien, erinnert Pater Neuhaus. Die politisch schwierige Situation mache den Austausch mit israelischer Seite nicht gerade einfach. Andererseits habe die katholische Kirche im Heiligen Land immer mehr zum Friedensprozess beizutragen; neue Wunden gebe es, andere aber hätten sich geschlossen, so der Jesuit:

„Es wird immer wichtiger, im Staat Israel eine Kirche zu haben, die Hebräisch spricht und die jüdischen Partner in Dialog bringen kann, in ihrer eigenen Sprache. Und: Sie kann auch Fragen bei der spirituellen Suche beantworten. Hier leben wir in sehr interessanten Zeiten, denn die israelische Gesellschaft wird immer selbstbewusster und ist immer weniger traumatisiert durch die eigenen historischen Erfahrungen – sie ist deshalb mehr in den Dialog mit Christen involviert.“

Wenn auch die Christen im Heiligen Land eine Minderheit darstellten, gebe es dennoch großes Interesse am Christentum auf jüdischer Seite, erzählt Neuhaus:

„Die Christen sind eine Minderheit, und die jüdische Gemeinschaft sieht andere Themen als wichtiger wie etwa den Dialog mit den Muslimen und die Stellung des Staates Israel. Doch auf der anderen Seite – und da spreche ich von meinen Erfahrungen – gibt es eine unglaubliche Neugier darauf, was Christsein überhaupt bedeutet, was die Kirche lehrt, wer Jesus Christus ist und warum diese Zivilisation eine so wichtige Rolle in der Geschichte der Welt spielt.“

Die Hebräisch sprechende katholische Gemeinschaft im Heiligen Land entstand kurz nach der Gründung des Staates Israel Mitte der 50er Jahre. Die noch junge Glaubensgemeinschaft sei zwar relativ klein. Ihre Arbeit reiche aber weit über das katholische Glaubensleben hinaus, erzählt Pater Neuhaus. Vor allem im Bildungsbereich seien die Katholiken aktiv.

„Es gibt heute etwa 200.000 ausländische katholische Arbeiter im Staat Israel. Ihre Kinder sind perfekt in die jüdisch-israelische und Hebräisch sprechende Gesellschaft integriert und werden in sehr guten israelischen Schulen ausgebildet, wo sie allerdings nahezu keine katholische Ausbildung erhalten. Das treibt unser kleines Vikariat um – wir wollen das ändern. Wir arbeiten zum Beispiel gerade an der Übersetzung von katholischen Texten ins Hebräische. Oder wir gehen in diese Gemeinschaften von Arbeitern und Migranten und versuchen, mit den Kindern Aktionen zu organisieren.“

Zu den Ergebnissen der Nahostsynode will sich Neuhaus nicht vorschnell äußern. Er hofft jedoch, dass das Weltbischofstreffen der christlichen Gemeinschaft „neuen Schwung“ verleiht:

„Ich habe viele Hoffnungen, bin aber realistisch. Ich hoffe, dass die Synode eine Art Erneuerung für Christen bedeutet, dass am Ende größere Klarheit über die eigene Vision herrscht, ebenso größere Einheit unter den Christen und Katholiken. Und ich hoffe, dass sie mehr Mut finden, sich in den verschiedenen Gesellschaften, in denen sie leben, zu engagieren.“

(rv 11.10.2010 pr)







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