Bischof Feige: „Nicht von der Welt gefangen nehmen lassen“
Am Donnerstag Abend
hat der Magdeburger Bischof Gerhard Feige bei der Schlußandacht der Bischofskonferenz
in Fulda gepredigt. Dabei erinnerte er an die Zusammenführung der Deutschen und der
Berliner Bischofskonferenz vor zwanzig Jahren – noch vor der offiziellen deutschen
Wiedervereinigung.
„Zahlreiche Erfahrungen mit unserer modernen Gesellschaft
legen den Eindruck nahe: In diktatorischen Zeiten kann es manchmal leichter sein,
sich deutlich beziehungsweise eindeutiger zu Jesus Christus und seiner Kirche zu bekennen.
Schwieriger wird es da schon, wenn uns inmitten einer nicht mehr überschaubaren Meinungsvielfalt
Gleichgültigkeit entgegenweht oder wir der Täuschung erliegen, es reiche für uns,
nette und freundliche Menschen zu sein, sich eher mit der Welt zu arrangieren, als
ihr immer wieder auch den kritischen Spiegel christlicher Wahrheiten vor Augen zu
halten.“
Die Kirche müsse ein Raum der Freiheit sein, so Bischof Feige:
Es bedrücke ihn, wenn heute der Eindruck sich verstärke, Kirche sei „auch nur eine
Ideologie“, ein „geschlossenes System mit Wagenburgmentalität“ und sektiererischen
Zügen“.
„Kleinkarierte Machtkämpfe finden statt. Viele beanspruchen rigoros
im Recht zu sein. Fronten verhärten sich. Den einen ist man zu links, den anderen
zu rechts. Manche fordern zu härterem Durchgreifen auf, einige dagegen sehen notwendige
Entscheidungen schon als autoritär an. Auch boshafte Unterstellungen und ehrenrührige
Verdächtigungen sind darunter. Wenn ich alles bedenke, was mich inzwischen aus Deutschland
und darüber hinaus erreicht, komme ich mir manchmal vor, als sei ich Bischof „von
Absurdistan“.“
Die Kirche dürfe sich „nicht von der Welt gefangen nehmen
lassen“, so der Magdeburger Oberhirte. Er warb darum, auch „unsere nichtchristlichen
Mitbürger noch mehr mit dem Evangelium in Berührung zu bringen“. Dazu müsse man „aber
auch zuhören können, was sie bewegt“:
„Dazu wäre es insgesamt auch nötig,
unsere kirchliche Einstellung gegenüber Menschen mit „gebrochenen Biographien“ zu
überprüfen und nach Wegen zu suchen, ihren oftmals tragischen Gegebenheiten gerechter
zu werden. Wie viele Geschiedene und Wiederverheiratete gibt es doch in unserer Gesellschaft,
auch in unseren Gemeinden. Immer mehr Katholiken gehen bei uns, wenn sie denn überhaupt
kirchlich heiraten, verständlicherweise Ehen mit konfessionslosen Partnern ein. Und
wenn Erwachsene sich taufen lassen wollen, konvertieren oder wieder in die Kirche
zurückkehren, zeigt sich, dass verschiedene von ihnen nicht dem „katholischen Ideal“
entsprechen und auch das Kirchenrecht nicht weiterhelfen kann. Zwei Drittel der Kinder
im Osten wachsen zudem in Lebensverhältnissen auf, die nicht in das herkömmliche Bild
katholischer Ehe und Familie passen. Müssten wir nicht – ohne unsere Grundüberzeugungen
aufzugeben – differenzierter und herzlicher auf diese Menschen und ihre Probleme eingehen?
Ist es nicht gerade unser Auftrag, im Sinne Jesu zu verdeutlichen, dass niemand aufgegeben
wird, sondern jede und jeder immer wieder zu neuer Hoffnung aufbrechen kann?“
„Wie
auch immer sich unsere kirchlichen Verhältnisse entwickeln mögen“, so Feige: Entscheidend
sei, „dass wir wach und sensibel sind, um auch unter neuen Bedingungen Gottes Willen
zu erkennen und ihm gerecht werden zu können“.