Dokument: Papstreden zu katholischen Schulen - Volltext
Wir dokumentieren hier den vollen Text der Rede, die Benedikt XVI. am Freitag Morgen
bei einem „Festakt des katholischen Bildungswesens“ im St. Mary’s University College,
Twickenham bei London, an Lehrer und Ordensleute gehalten hat. Ebenso finden Sie hier
sein Grußwort an katholische Schüler, die u.a. aus allen Teilen Großbritanniens per
Internet bei der Feier zugeschaltet waren.
„Eure Exzellenz, Herr Minister
für die Erziehung! Hochwürdigster Herr Weihbischof Stack! Sehr geehrter Herr Direktor
Dr. Naylor! Verehrte Mitbrüder im priesterlichen Dienst! Liebe Brüder und Schwestern
in Christus! Ich freue mich sehr über diese Gelegenheit, den hervorragenden Beitrag
zu würdigen, welchen Ordensmänner und Ordensfrauen in diesem Land in großherziger
Erziehungsarbeit leisten. Ich danke den Jugendlichen für ihren Gesang und Sr. Teresa
für ihre guten Worte. Ihr und allen engagierten Männern und Frauen, die ihr Leben
der Erziehung der Jugend widmen, möchte ich meine tiefe Anerkennung zum Ausdruck bringen.
Sie bilden neue Generationen nicht nur im Glaubenswissen aus, sondern in allem, was
von Bedeutung ist, um als reife und verantwortungsbewußte Bürger in der heutigen Welt
zu leben. Wie Sie wissen, besteht die Aufgabe eines Lehrers nicht einfach
darin, Informationen zu vermitteln oder für eine Schulung in gewissen Fertigkeiten
zu sorgen, um den wirtschaftlichen Gewinn für eine Gesellschaft zu steigern; Erziehung
ist nicht und darf nie rein utilitaristisch verstanden werden. Vielmehr geht es um
die Ausbildung der menschlichen Person, um ihn oder sie zu rüsten, das Leben in seiner
Fülle zu leben – kurz, es geht um die Vermittlung von Weisheit. Wahre Weisheit ist
untrennbar mit dem Wissen um den Schöpfer verbunden, denn „wir und unsere Worte sind
in seiner Hand, auch alle Klugheit und praktische Erfahrung“ (Weish 7,16).
Diese transzendente Dimension von Studium und Lehre hatten die Mönche klar erfaßt,
die so viel zur Evangelisierung dieser Inseln beigetragen haben. Ich denke an die
Benediktiner, die den heiligen Augustinus auf seiner Mission nach England begleiteten,
an die Schüler des heiligen Kolumban, der den Glauben in Schottland und Nordengland
verbreitete, oder an den heiligen David und seine Gefährten in Wales. Sofern die Suche
nach Gott, die das Herzstück der monastischen Berufung ausmacht, aktives Engagement
verlangt und zwar mit den Mitteln, durch die er sich selbst zu erkennen gibt – die
Schöpfung und sein offenbartes Wort –, war es nur folgerichtig, daß ein Kloster eine
Bibliothek und eine Schule haben sollte (vgl. Ansprache zu den Vertretern der Welt
der Kultur am „Collège des Bernardins“ in Paris, 12. September 2008). Die Mönche widmeten
sich der Bildung als dem Weg, auf dem sie dem fleischgewordenen Wort Gottes begegnen
konnten. So sollten sie das Fundament für unsere westliche Kultur und Zivilisation
legen. Wenn ich mich heute hier umschaue, sehe ich viele apostolisch
aktive Ordensleute, deren Charisma die Erziehung der jungen Leute einschließt. Dies
möchte ich zum Anlaß nehmen, Gott für das Leben und Werk der ehrwürdigen Mary Ward
zu danken, eines Kindes dieses Landes, deren bahnbrechende Vision von einem apostolischen
Ordensleben für Frauen soviel Frucht gezeitigt hat. Ich selbst habe als Kind eine
Erziehung von den „Englischen Fräulein“ erhalten, für die ich ihnen tiefe Dankbarkeit
schulde. Liebe Ordensleute, viele von Ihnen gehören Schulorden an, die das Licht des
Evangeliums in ferne Länder hinausgetragen haben als Teil des großen Missionsauftrags
der Kirche – und auch dafür sage ich Gott Lob und Dank. Oft haben Sie die Grundlage
erzieherischer Einrichtungen gelegt, lange bevor der Staat die Verantwortung für diesen
unverzichtbaren Dienst am einzelnen und der Gesellschaft wahrgenommen hat. Während
sich die jeweiligen Aufgaben von Kirche und Staat im Bereich der Erziehung weiter
entwickeln, sollten Sie nie vergessen, daß Ordensleute einen einzigartigen Beitrag
zu diesem Apostolat leisten, vor allem durch ihr gottgeweihtes Leben und ihr gläubiges
und liebendes Zeugnis für Christus, den höchsten Lehrer. Die Präsenz
von Ordensleuten in katholischen Schulen ist in der Tat eine gewichtige Mahnung an
das vieldiskutierte katholische Ethos, das jeden Bereich des schulischen Lebens durchdringen
soll. Dies geht weit über das selbstverständliche Erfordernis hinaus, daß der Lehrinhalt
immer mit der kirchlichen Lehre konform sein muß. Das bedeutet, daß das Glaubensleben
die treibende Kraft hinter jeglicher schulischer Aktivität sein muß, so daß der Sendung
der Kirche wirksam gedient werden kann und junge Menschen die Freude entdecken, sich
an Christi „Dasein für andere“ (Spe salvi, 28) zu beteiligen. Bevor
ich schließe, möchte ich noch ein besonderes Wort der Anerkennung für jene anfügen,
deren Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, daß unsere Schulen eine sichere Umgebung für
unsere Kinder und Jugendlichen bieten. Unsere Verantwortung gegenüber den uns für
eine christliche Erziehung Anvertrauten verlangt nichts weniger. Das Glaubensleben
kann ja nur wirksam genährt werden, wenn eine Atmosphäre von respektvollem und herzlichem
Vertrauen herrscht. Ich bete, daß dies auch weiterhin ein Merkmal der katholischen
Schulen in diesem Land sei. Mit diesen Überlegungen, liebe Brüder und Schwestern,
lade ich sie nun ein, sich zu erheben und zu beten.“
* „Liebe Brüder und
Schwestern in Christus! Liebe junge Freunde! Zunächst möchte ich sagen, wie sehr ich
mich freue, heute hier bei euch zu sein. Ich grüße euch ganz herzlich – alle, die
von katholischen Schulen und Colleges aus ganz Großbritannien hier zur St. Mary’s
University gekommen sind, und alle, die über Fernsehen oder Internet zuschauen. Ich
danke Bischof McMahon für seinen freundlichen Willkommensgruß, ich danke dem Chor
und der Band für die schöne Musik zu Beginn unserer Feier, und ich danke Miss Bellot
für ihre guten Worte im Namen aller anwesenden jungen Menschen. Angesichts der bevorstehenden
Olympischen Spiele in London war es eine große Freude, diese Sporteinrichtung zu eröffnen,
die zur Ehren Papst Johannes Pauls II. benannt ist. Ich bete darum, daß alle, die
hierher kommen, durch ihre sportliche Tätigkeit Gott ehren sowie sich selbst und anderen
Freude bereiten. Es ist nicht oft der Fall, daß ein Papst oder auch
sonst jemand die Gelegenheit hat, zu den Studenten aller katholischen Schulen Englands,
Wales’ und Schottlands gleichzeitig zu sprechen. Und da ich nun die Möglichkeit habe,
gibt es etwas, was ich euch unbedingt sagen möchte. Ich hoffe, daß einige von euch,
die mir heute zuhören, die künftigen Heiligen des 21. Jahrhunderts sind. Was Gott
am meisten von einem jeden von euch wünscht, ist, daß ihr heilig werden sollt. Er
liebt euch viel mehr, als ihr euch je vorstellen könnt, und er will das allerbeste
für euch. Und das bei weitem Beste für euch ist es, an Heiligkeit zuzunehmen.
Vielleicht haben einige von euch zuvor noch nie darüber nachgedacht. Vielleicht denken
einige von euch, ein Heiliger zu sein, das sei nichts für sie. Laßt mich erklären,
was ich meine. Wenn wir jung sind, dann gibt es gewöhnlich Menschen, zu denen wir
aufschauen, die wir bewundern, wo wir wünschen, wie sie zu sein. Es könnte jemand
aus unserem Alltag sein, den wir zutiefst schätzen. Oder es könnte jemand Berühmter
sein. Wir leben in einer Prominentenkultur, und junge Menschen werden oft dazu ermuntert,
Gestalten aus der Welt des Sports oder der Unterhaltung zum Vorbild zu nehmen. Meine
Frage an euch ist nun diese: Was sind die Qualitäten, die ihr in anderen seht und
die ihr am liebsten selbst haben möchtet? Welcher Typ von Person möchtet ihr wirklich
am liebsten sein? Wenn ich euch einlade, Heilige zu werden, bitte ich
euch, euch nicht mit dem Zweitbesten zufrieden zu geben. Ich bitte euch nicht, ein
begrenztes Ziel zu verfolgen und alle anderen zu ignorieren. Geld zu haben, bietet
die Möglichkeit, großzügig zu sein und Gutes in der Welt zu tun, aber Geld allein
kann uns noch nicht glücklich machen. In irgendeiner Tätigkeit oder irgendeinem Beruf
sehr geschickt zu sein, ist gut, aber es wird uns nicht wirklich zufriedenstellen,
wenn wir nicht nach etwas noch Größerem streben. Das alles mag uns berühmt machen,
aber es wird uns nicht glücklich machen. Glück ist etwas, das wir uns alle wünschen.
Es ist aber eine der großen Tragödien in dieser Welt, daß viele Menschen dieses Glück
nie finden, weil sie an den falschen Orten danach suchen. Der Schlüssel dazu ist hingegen
sehr einfach – wahres Glück ist in Gott zu finden. Wir müssen den Mut haben, unsere
tiefste Hoffnung allein auf Gott zu setzen, nicht auf Geld, Karriere, weltlichen Erfolg
oder auf unsere Beziehungen zu anderen, sondern auf Gott. Er allein kann die tiefsten
Bedürfnisse unseres Herzens stillen. Gott liebt uns nicht nur mit
einer Tiefe und Intensität, die wir selbst ansatzweise kaum begreifen können, sondern
lädt uns auch ein, auf diese Liebe zu antworten. Ihr wißt alle, was es heißt, jemanden
zu treffen, der interessant oder attraktiv ist, und ihr wollt mit dieser Person befreundet
sein. Ihr hofft immer, daß sie euch interessant und attraktiv findet und euer Freund
sein will. Gott will euer Freund sein. Und sobald ihr mit Gott Freundschaft schließt,
beginnt sich alles in eurem Leben zu ändern. Wenn ihr ihn besser kennenlernt, wollt
ihr etwas von seiner unendlichen Güte in eurem Leben widerspiegeln. Ihr seid begeistert,
die Tugenden zu leben. Ihr beginnt, Habgier und Selbstsucht sowie alle anderen Sünden
als das zu sehen, was sie wirklich sind, nämlich zerstörerische und gefährliche Neigungen,
die tiefes Leid und großen Schaden verursachen, und ihr wollt vermeiden, selbst in
diese Falle zu tappen. Ihr beginnt, Mitleid für Menschen in Schwierigkeiten zu empfinden,
und ihr wollt ihnen unbedingt irgendwie helfen. Ihr wollt die Armen und Hungrigen
unterstützen, ihr wollt die Traurigen trösten, ihr wollt gut und großzügig sein. Und
wenn euch das alles einmal berührt, dann seid ihr wirklich auf dem Weg, Heilige zu
werden. In euren katholischen Schulen gibt es zusätzlich zu den einzelnen
Fächern, die ihr studiert, oder den verschiedenen Fähigkeiten, die ihr euch aneignet,
immer ein größeres Bild. Alles, was ihr tut, ist in den Kontext gestellt, in der Freundschaft
mit Gott zu wachsen und in allem, was sich daraus ergibt. So lernt ihr nicht nur,
gute Studenten zu sein, sondern auch gute Bürger, gute Menschen. Wenn ihr in höhere
Jahrgangsstufen kommt, müßt ihr die Fächer wählen, die ihr studieren wollt, ihr beginnt,
euch zu spezialisieren im Blick auf das, was ihr später im Leben tun wollt. Das ist
gut und richtig. Aber erinnert euch immer daran, daß jedes Fach, das ihr studiert,
Teil eines größeren Bildes ist. Laßt nie zu, daß ihr eng werdet. Die Welt braucht
gute Wissenschaftler, aber die wissenschaftliche Auffassung wird gefährlich eng, wenn
sie die religiösen oder ethischen Dimensionen des Lebens außer Acht läßt, genauso
wie Religion eng wird, wenn sie den berechtigten Beitrag der Wissenschaft zu unserem
Verständnis der Welt zurückweist. Wir brauchen gute Historiker, Philosophen und Wirtschaftswissenschaftler,
aber wenn die von ihnen in ihrem Fachbereich gegebene Darstellung des menschlichen
Lebens zu eng fokussiert wird, können sie uns ernsthaft auf Irrwege führen.
Eine gute Schule sieht eine ganzheitliche Erziehung für die Person vor. Und eine gute
katholische Schule sollte darüber hinaus allen ihren Schülern helfen, Heilige zu werden.
Ich weiß, daß viele Nicht-Katholiken an den katholischen Schulen Großbritanniens lernen,
und ich möchte euch alle in meine Worte heute einschließen. Ich bete darum, daß auch
ihr euch ermutigt fühlt, die Tugenden zu leben, und an der Seite eurer katholischen
Klassenkameraden im Wissen und in der Freundschaft mit Gott wachst. Ihr seid für sie
eine Erinnerung an das größere Bild, das außerhalb der Schule existiert, und es ist
in der Tat nur recht, daß Achtung und Freundschaft für Mitglieder anderer religiöser
Traditionen zu den Tugenden gehören sollen, die an einer katholischen Schule gelernt
werden. Ich hoffe auch, daß ihr die Werte und Einsichten, die ihr in eurer christlichen
Erziehung erhalten habt, mit jedem, dem ihr begegnet, teilt. Liebe
Freunde! Ich danke euch für eure Aufmerksamkeit. Ich verspreche, für euch zu beten,
und bitte euch, auch für mich zu beten. Ich hoffe, viele von euch im kommenden August
beim Weltjugendtag in Madrid zu sehen. Bis dahin segne Gott euch alle!”