Am vergangenen Sonntag
ist in Castelgandolfo das Treffen des Schülerkreises von Professor Ratzinger zu Ende
gegangen. Zu diesem wissenschaftlichen Austausch treffen sich jährlich die Promoventen
und Studenten des heutigen Papstes. Aber seit kurzem nicht nur die: der Schülerkreis
wächst. Die Organisatoren laden junge Wissenschaftler, die selber nie bei Professor
Ratzinger studiert haben, dazu. Stefan Ahrens ist einer der „Neuen“ im Schülerkreis.
Und er ist ein ganz besonderer Wissenschaftler, denn er ist der einzige Nicht-Theologe
im Kreis. Ahrens promoviert zurzeit in Politikwissenschaft an der Universität Kiel.
Sein Thema: „Leo Strauss und Joseph Ratzinger – Gegner des modernen politischen Denkens?“
„Ratzinger
ist ein Denker, der sich als Bewahrer des Glaubens verstanden hat. Seine Auseinandersetzung
mit der Moderne ist eine Auseinandersetzung, die vor allem im philosophischen Bereich
stattgefunden hat. Schon zur Zeiten seines Studiums hat er sich mit dem existenzialistischen
Denken beschäftigt, etwa mit Denkern wie Heidegger, Sartre oder Camus. Er wollte verstehen,
wie sich das moderne Denken auswirkt und wie die Befindlichkeit des modernen Menschen
ist. Die ist seiner Meinung nach sehr stark ausgedrückt in diesem existenzialistischen
Denken und ab den 60er Jahren auch im marxistischen Denken. Es ist eine Auseinandersetzung
gewesen, um zum einen zu verstehen, was das moderne Denken selber ist, und auch natürlich
die Frage, wie die Kirche und der christliche Glaube auf dieses Denken reagieren kann.“
Bekannt
aus der Theologie Ratzingers und auch aus den Reden des Papstes Benedikt XVI. ist
das Schlagwort der „Diktatur des Relativismus“, das in dieser Beschäftigung mit der
Moderne verankert ist.
„Es gibt im modernen Denken eine Tendenz, die darauf
hinausläuft, dass wir uns nicht mehr trauen, von Wahrheit zu sprechen. Das wir uns
nicht mehr trauen, Dinge auszusprechen, die immer weiter zerredet werden. Es ist für
ihn besorgniserregend, wie sich bestimmte Tendenzen der Moderne immer weiter herausbilden
und immer weiter radikalisieren.“
Wie kommt aber nun ein junger Politikwissenschaftler
in den erweiterten Schülerkreis? Ahrens selber war überrascht, an dem Treffen teilnehmen
zu dürfen. Er hatte das Exposé seiner Arbeit an die Papst Benedikt Stiftung geschickt
und sein Projekt und auch das Interesse der Politikwissenschaft am Denken und der
Theologie Ratzingers geschildert. Nach einem Gespräch kam dann recht spontan die Einladung,
an dem Kreis teilzunehmen.
„Diesen neuen Schülerkreis gibt es erst seit
zwei bis drei Jahren. Normalerweise ist es so, dass in diesem Schülerkreis frühere
Promoventen und Habilitanten des Papstes, als dieser noch Professor war, einmal im
Jahr miteinander treffen und ein Thema auf wissenschaftlicher Ebene miteinander besprechen.“
Und
wird kontrovers wissenschaftlich diskutiert. Und damit das gewährleistet wird, werden
Externe wie in diesem Jahr Erzbischof Kurt Koch als Referenten eingeladen, und der
Schülerkreis selber wird um junge Forscher wie eben Stefan Ahrens erweitert. Aber
nicht nur die Altschüler haben etwas von diesen Diskussionen, auch die „Neuen“:
“Ich
muss sagen, dass ich sehr bereichert bin durch diese Begegnungen sowohl mit den alten
Schülern als auch den neuen Schülern, weil wir doch gemerkt haben, dass wir uns in
unseren Fragestellungen ergänzen, egal ob wir aus der Theologie stammen, aus der Philosophie
oder wie ich aus der Politikwissenschaft. Interdisziplinarität ist etwas, was allen
hilft. Man kann so auch andere Impulse setzen. Das hat auf jeden Fall eine große Bereicherung
gebracht, nicht nur auf intellektuellem Niveau, sondern auch im persönlichen Umgang
miteinander. Es waren sehr schöne Tage, die wir alle gemeinsam in Castelgandolfo verbracht
haben.“