Die Freisinger Bischofskonferenz begrüßt die neuen Leitlinien der Deutschen
zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche. Das Dokument orientiere sich am
Vorgehen der bayerischen Bischöfe. Darauf verwies Bernhard Kellner, Sprecher des Konferenzvorsitzenden,
Erzbischof Reinhard Marx, am Dienstag gegenüber der KNA. Auf Zustimmung im bayerischen
Episkopat stoße auch die „Feinjustierung beim Opferschutz“. – Die bayerischen Bischöfe
hatten sich bei ihrer Versammlung im März im fränkischen Vierzehnheiligen auf eine
engere Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verständigt. Der Deutschen Bischofskonferenz
empfahlen sie damals einstimmig, eine Meldepflicht „bei Verdacht von sexuellem Missbrauch
und körperlichen Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft festzuschreiben“. Die Linie
wurde seither in den sieben bayerischen Bistümern praktiziert.
Die neuen Richtlinien
machten deutlich, dass „die Opfer an erster Stelle stehen und es keinen falsch verstandenen
Schutz der Institution Kirche gibt.“ Das sagte der Präsident des Zentralkomitees
der deutschen Katholiken am Dienstag in Bonn. Alois Glück sprach von einem „klaren
Signal gegen Vertuschung und Verschleierung“. Für Opfer und Öffentlichkeit gebe es
jetzt ein transparentes Verfahren im Umgang mit Missbrauch, führte so Glück. Damit
könne verlorenes Vertrauen zurück gewonnen werden. Gerade die Regelungen zu den Beauftragten
und fachkundigen Beratern sowie zum Umgang mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden
schaffen einen Raum, der „den Opfern den Weg zu kirchlichen Stellen neu öffnet“, betonte
der ZdK-Präsident. Auch die Regelungen zur Hilfe für die Opfer setzten ein klares
Signal dafür, dass sich die Kirche ihrer Verantwortung stellen wolle. Nach Glücks
Worten zeigen die Richtlinien „in aller Klarheit“, dass es für Täter keinen Platz
in der kirchlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gebe.
Auch der Bund
der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) lobt die Verschärfung der Leitlinien.
„Die Veränderungen bieten einen besseren Schutz für junge Menschen und stellen die
Perspektive der Opfer in den Vordergrund“, so BDKJ-Bundesvorsitzender Dirk Tänzler
in einer Pressemitteilung. Vor allem die Regelung der Anzeigenpflicht betrachten die
katholischen Jugendverbände als gelungen, weil sie die Interessen der Opfer angemessen
berücksichtige. Dennoch dürfe man jetzt aber nicht zur Tagesordnung übergehen, so
Tänzler weiter. Die Bischöfe müssten alles für ein konsequentes Anwenden der Richtlinien
tun, eine lückenlose Aufklärung sicherstellen und sich einem „offenen und angstfreien
Dialog über die Zukunft der Kirche“ stellen, so der BDKJ-Vorsitzende.
Die
Deutsche Kinderhilfe erklärte, die Leitlinien seien eine deutliche Verbesserung.
Sie sollten auch Signalwirkung für andere Gruppen wie etwa Sportvereine haben.
Bundesjustizministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verteilte Lob, sieht aber weiterhin Unklarheiten.
Einerseits habe die Kirche das klare Bemühen gezeigt, „aus den Schwächen der alten
Richtlinien die richtigen Lehren“ zu ziehen. Nicht ganz deutlich werde aber andererseits,
wie innerhalb der Kirche künftig mit den Fällen umgegangen werden solle, in denen
das Opfer der Einschaltung der Staatsanwaltschaft ausdrücklich widerspreche. Außerdem
bleibe unklar, ob innerkirchliche Voruntersuchungen künftig ausgesetzt werden sollten,
um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nicht zu behindern, so die Ministerin in Berlin.
Die
Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ sprach von Fortschritten, die aber noch
nicht ausreichten. Ihr Sprecher Christian Weisner lobte die präzisere Anzeigenpflicht,
kritisierte aber, dass die Ansprechpartner für Missbrauchsopfer nach wie vor aus dem
inneren Bereich der Kirche kommen könnten. Sie seien damit im Zweifelsfall nicht unabhängig
genug; Interessenkonflikte seien nicht ausgeschlossen. Weisner kritisierte auch, dass
es keine konkreten Zusagen zur Entschädigung gebe. Die katholische Kirche in Österreich
habe sich da deutlicher festgelegt.
Als „längst überfällig“ bezeichnete die
Opfergruppe „Eckiger Tisch“ die neuen Leitlinien. Zugleich kritisierte deren
Sprecher Matthias Katsch, dass es keine konkrete Aussage der Bischöfe darüber gebe,
wie mit der Vergangenheit umgegangen werden solle. Mehrere Hundert Opfer von Missbrauch
in kirchlichen Einrichtungen sowie deren Angehörige warteten weiterhin auf ein Angebot,
damit ihnen Genugtuung verschafft werde.