2010-08-31 16:37:40

Neue Leitlinien: Lob und Skepsis


Die Freisinger Bischofskonferenz begrüßt die neuen Leitlinien der Deutschen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche. Das Dokument orientiere sich am Vorgehen der bayerischen Bischöfe. Darauf verwies Bernhard Kellner, Sprecher des Konferenzvorsitzenden, Erzbischof Reinhard Marx, am Dienstag gegenüber der KNA. Auf Zustimmung im bayerischen Episkopat stoße auch die „Feinjustierung beim Opferschutz“. – Die bayerischen Bischöfe hatten sich bei ihrer Versammlung im März im fränkischen Vierzehnheiligen auf eine engere Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft verständigt. Der Deutschen Bischofskonferenz empfahlen sie damals einstimmig, eine Meldepflicht „bei Verdacht von sexuellem Missbrauch und körperlichen Misshandlungen an die Staatsanwaltschaft festzuschreiben“. Die Linie wurde seither in den sieben bayerischen Bistümern praktiziert.

Die neuen Richtlinien machten deutlich, dass „die Opfer an erster Stelle stehen und es keinen falsch verstandenen Schutz der Institution Kirche gibt.“ Das sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am Dienstag in Bonn. Alois Glück sprach von einem „klaren Signal gegen Vertuschung und Verschleierung“. Für Opfer und Öffentlichkeit gebe es jetzt ein transparentes Verfahren im Umgang mit Missbrauch, führte so Glück. Damit könne verlorenes Vertrauen zurück gewonnen werden. Gerade die Regelungen zu den Beauftragten und fachkundigen Beratern sowie zum Umgang mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden schaffen einen Raum, der „den Opfern den Weg zu kirchlichen Stellen neu öffnet“, betonte der ZdK-Präsident. Auch die Regelungen zur Hilfe für die Opfer setzten ein klares Signal dafür, dass sich die Kirche ihrer Verantwortung stellen wolle. Nach Glücks Worten zeigen die Richtlinien „in aller Klarheit“, dass es für Täter keinen Platz in der kirchlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gebe.

Auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) lobt die Verschärfung der Leitlinien. „Die Veränderungen bieten einen besseren Schutz für junge Menschen und stellen die Perspektive der Opfer in den Vordergrund“, so BDKJ-Bundesvorsitzender Dirk Tänzler in einer Pressemitteilung. Vor allem die Regelung der Anzeigenpflicht betrachten die katholischen Jugendverbände als gelungen, weil sie die Interessen der Opfer angemessen berücksichtige. Dennoch dürfe man jetzt aber nicht zur Tagesordnung übergehen, so Tänzler weiter. Die Bischöfe müssten alles für ein konsequentes Anwenden der Richtlinien tun, eine lückenlose Aufklärung sicherstellen und sich einem „offenen und angstfreien Dialog über die Zukunft der Kirche“ stellen, so der BDKJ-Vorsitzende.

Die Deutsche Kinderhilfe erklärte, die Leitlinien seien eine deutliche Verbesserung. Sie sollten auch Signalwirkung für andere Gruppen wie etwa Sportvereine haben.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verteilte Lob, sieht aber weiterhin Unklarheiten. Einerseits habe die Kirche das klare Bemühen gezeigt, „aus den Schwächen der alten Richtlinien die richtigen Lehren“ zu ziehen. Nicht ganz deutlich werde aber andererseits, wie innerhalb der Kirche künftig mit den Fällen umgegangen werden solle, in denen das Opfer der Einschaltung der Staatsanwaltschaft ausdrücklich widerspreche. Außerdem bleibe unklar, ob innerkirchliche Voruntersuchungen künftig ausgesetzt werden sollten, um staatsanwaltschaftliche Ermittlungen nicht zu behindern, so die Ministerin in Berlin.

Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ sprach von Fortschritten, die aber noch nicht ausreichten. Ihr Sprecher Christian Weisner lobte die präzisere Anzeigenpflicht, kritisierte aber, dass die Ansprechpartner für Missbrauchsopfer nach wie vor aus dem inneren Bereich der Kirche kommen könnten. Sie seien damit im Zweifelsfall nicht unabhängig genug; Interessenkonflikte seien nicht ausgeschlossen. Weisner kritisierte auch, dass es keine konkreten Zusagen zur Entschädigung gebe. Die katholische Kirche in Österreich habe sich da deutlicher festgelegt.

Als „längst überfällig“ bezeichnete die Opfergruppe „Eckiger Tisch“ die neuen Leitlinien. Zugleich kritisierte deren Sprecher Matthias Katsch, dass es keine konkrete Aussage der Bischöfe darüber gebe, wie mit der Vergangenheit umgegangen werden solle. Mehrere Hundert Opfer von Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen sowie deren Angehörige warteten weiterhin auf ein Angebot, damit ihnen Genugtuung verschafft werde.



(pm/kna 28.08.2010 pr)
















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