2010-08-29 11:34:06

Dominikanermeister: „Wir sind seit über 800 Jahren Demokraten“


RealAudioMP3 Am kommenden Donnerstag beginnt in Rom das Generalkapitel der Dominikaner. Die 125 Vertreter des Ordens aus der ganzen Welt werden dann auch einen neuen Generaloberen wählen, der eine auf neun Jahre begrenzte Amtszeit hat.
Wir haben mit dem scheidenden Ordensmeister gesprochen, dem Argentinier Carlos Azpiroz Costa. 50 Jahre nach dem Konzil sieht er den Generationswechsel als eine wichtige Herausforderung für Kirche und Orden an. Angesichts des Glaubensschwunds in vielen Teilen der Welt sei der „Predigerorden“ aber weiterhin mehr denn je notwendig. Ein Beitrag von Pater Max Cappabianca.

Demokratie und Generalkapitel
Die Dominikaner sind stolz auf ihre Verfassung. Seit ihrer Gründung vor 800 Jahren haben die Brüder eine Art repräsentative Demokratie, ohne dass es je zu Spaltungen gekommen wäre: und das mitten in der hierarchischen Kirche! Die höchste Autorität im Orden sei nicht der Generalobere, sondern das Kollegium des Generalkapitels. Schon der Gründer des Ordens habe sich den Entscheidungen seiner Brüder unterworfen, betont Carlos Azpiroz Costa, Ordensmeister und 85. Nachfolger des heiligen Dominikus:
„Er wollte zurücktreten, weil er sich schwach fühlte. Die Kapitularen haben gesagt: Nein! Und er hat gehorcht. Dominikus wollte etwas verändern in der Verwaltung, und auch da: Das Generalkapitel hat nein gesagt, und er hat gehorcht, denn er hatte Vertrauen in seine Brüder, in ihre Berufung, die nicht eine Berufung ist, die von ihm gekommen wäre, sondern die von Gott geschenkt wird, das ist der Schlüssel der dominikanischen Demokratie.“
Das System der Generalkapitel zeige vor allem eines: Das Vertrauen in die Person und auf das Wirken des Heiligen Geistes: Gemeinsam und im Dialog könne die Wahrheit gefunden werden.

Generationen im Konflikt
Die Dominikaner sind nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - wie viele anderen Orden auch – in eine Krise geraten. Die neue Offenheit führte mancherorts zu massenhaften Austritten. Die Konzilsbewegten, die blieben, experimentierten mit neuen Lebensformen und waren von großem missionarischem Geist beseelt. Mittlerweile tritt eine Generation in den Orden ein, für die das Zweite Vatikanische Konzil und die darauf folgenden Grabenkämpfe Geschichte sind.
„Die neue Generation ist vielleicht weniger kreativ, was die Lebensformen angeht, dafür ist sie meist sehr fit in Sachen Medien und Internet, und sie verstehen die eigenen Altersgenossen besser. Aber sie fordern wieder mehr das Konventsleben ein, nicht im Sinne einer Rückkehr zum Mönchsleben, sondern im Sinne eines intensiveren brüderlichen Gemeinschaftsleben.“
Die Konfrontation bleibe nicht aus, so Pater Carlos, eine Revision sei fällig. Und dafür sei das Generalkapitel als Ort des Dialogs da:
„Ich vertraue darauf, dass dieser Dialog passieren wird. Es wird keine Explosion oder Revolution geben. Der Generationswechsel heute ist anders als der vor vierzig Jahren. Aber ich würde mir auch wünschen, dass es nicht eine Implosion ist, dass wir nicht nur Nabelschau betreiben, und dabei die Mission vergessen, die uns seit den Zeiten des Heiligen Dominikus anvertraut worden ist.“

Traditionsbruch
Bemerkenswert sei allerdings auch der Rückgang des missionarischen Impulses bei den Jüngeren im Orden, so P. Carlos. Paradoxerweise, denn eigentlich müssten durch die Globalisierung die weltweiten Herausforderungen heute noch viel deutlicher sein. Aber die Beweglichkeit der Brüder ist geringer geworden und die Bereitschaft Opfer zu bringen ebenfalls. Das müsse analysiert werden.
Den derzeitigen Umbruch sieht der Generalobere auf dem Hintergrund der grundlegenden Tradierungskrise des Glaubens. Von Etiketten wie „neokonservativ“ oder „liberal“ hält er allerdings nichts.
„Die jungen Leute wollen heute wiedergewinnen, was ihn nicht tradiert worden ist – vom Vater und der Mutter und die wiederum von den Großeltern. Dies berührt die Mission der Kirche zutiefst soziologisch, mit Auswirkungen auf das Ordensleben mit ganz eigenen Schwierigkeiten.“
In dieser Situation zeige sich die Stärke des Ordens: Der ruhigere, kontemplativere Rhythmus bedeute nicht notwendig, dass der Orden die Probleme langsam angehe, sondern tiefer und weiser. Der institutionalisierte Dialog auf den Generalkapiteln diene dazu, „Familienidentität“ zu schaffen und so durch die persönliche Begegnung „Tradition“ weiterzugeben.

Dialog als Stärke des Dominikanerordens
Dass Dialog möglich und für den Dominikanerorden überlebensnotwendig ist, davon ist P. Carlos zutiefst überzeugt. Auch aus theologischen Gründen:
„Gott hat in einen Dialog mit uns treten wollen, als er mit den Menschen „auf Augenhöhe“ sein wollte – das ist der Sinn der Menschwerdung Jesu! Dass der Mensch seitdem mit Gott „auf Du“ ist, ist der ‚Big Bang’ des Dialogs.“
Die Mühe des Dialogs lohne sich daher, so der Dominikaner. Überall dort, wo dieser Dialog im Orden nicht geführt werde, wachse die Unzufriedenheit der Brüder, so die Erfahrung nach neun Jahren an der Spitze des Ordens. Wichtig sei das Vertrauen:
„Es kann keinen Dialog geben, wenn ich dem eigenen und dem fremden Wort kein Vertrauen schenke. Wenn wir uns also zum Generalkapitel versammeln, dann heißt dies, dass der Heilige Geist auch durch diesen Mitbruder aus Südafrika sprechen wird, oder aus dem aus Kalifornien, aus Deutschland oder den Salomonen-Inseln. Jeder hat dem ganzen Orden etwas zu sagen! Es geht dabei nicht darum, nur das eigene zu verteidigen, das eigene Kloster oder das eigene Land – denn wir sind nicht bei der Weltmeisterschaft und auch kein Karneval, sondern ein Regierungsorgan.“
Das Generalkapitel wird sich auch mit den Problemen der Menschen in Krisenzonen beschäftigen, an denen der Orden präsent ist wie dem Irak, dem Kongo, Brasilien oder Pakistan, denn es sei natürlich,…
„…dass man wissen will, wie es den Brüdern dort geht. Auf dem Kapitel spricht man über das, was den Brüdern passiert. Daher ist auch nicht abzusehen, was das Kapitel dazu sagen wird.“

„Arm, frei und voller Liebe…“
Die gegenwärtige Glaubenskrise in vielen Teilen der Welt sei durchaus vergleichbar mit der Krise vor 800 Jahren, als die Dominikaner als Verkündigungsorden gegründet worden waren. Die Krise mache aber die heutigen Brüder nicht mutlos, im Gegenteil:
„Es gibt Erwachsene, die Kinder großziehen und die keinerlei christliche Tradition mehr haben. Dieser Traditionsbruch fördert die Entchristlichung der Gesellschaft. Die Medien stellen oft nur die pathologischen Aspekte der Kirche heraus auf Kosten der Anatomie und Schönheit der Kirche und des Evangeliums. Daher: Das ist unsere Zeit!
Was der scheidende Ordensmeister nach dem Ende seines Mandats machen wird, weiß er noch nicht. Klar ist aber, dass P. Carlos, wie schon seine Vorgänger im Amt, zurück in die Reihe tritt und ein einfacher Bruder ist, wie alle anderen 6000 Mitbrüder weltweit auch, die sein dominikanisches Ideal teilen, nämlich…
„…arm, frei, stark, und voller Liebe Christus entgegen gehen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.“
(rv 29.08.2010 mc)

Hier hören Sie den gesamten Beitrag von P. Max Cappabianca OP
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