2010-08-29 12:34:01

Belgien: Neue Vorwürfe gegen Kardinal Danneels


Neue Entwicklungen im belgischen Missbrauchsskandal: Die Justiz soll laut einem Bericht des TV-Senders VTM die Beschlagnahmung kirchlicher Akten von Ende Juni für unrechtmäßig erklärt haben. Zugleich wurden neue Vertuschungsvorwürfe gegen den früheren Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal Godfried Danneels, laut. Die flämischen Zeitungen „Het Niewsblad“ und „De Standaard“ (Samstag) zitierten aus einem Tonbandmitschnitt, den der Neffe des zurückgetretenen Bischofs von Brügge, Roger Vangheluwe, veröffentlicht hatte. Demnach habe Danneels den Neffen, der von Vangheluwe als Jugendlicher über einen langen Zeitraum missbraucht worden war, in einem vertraulichen Gespräch gebeten, dem Bischof zu verzeihen oder aber zumindest bis zu dessen Pensionierung zu schweigen. Wörtlich heißt es dort: „Vielleicht wäre es besser, dass wir bis zu einem Zeitpunkt im kommenden Jahr warten.“ Die Zeitungen berichten, aus der Aufnahme gehe die Absicht einer Vertuschung zweifellos hervor. Der Kardinal widersprach dieser Darstellung.

Strikte private Gespräche
Danneels' Sprecher Toon Osaer teilte mit, Ziel des strikt privaten Gesprächs im Haus der Familie sei gewesen, die Chancen für eine Versöhnung zwischen Täter und Opfer auszuloten. Als der Neffe den Rücktritt seines Onkels vom Bischofsamt gefordert habe, habe der Kardinal ihm erklärt, dass dies nicht sein Metier sei. Zum Vorwurf, dass Danneels diese Unterredung niemals öffentlich erwähnt habe, sagte der Sprecher, er habe dies als eine strikt familiäre Angelegenheit betrachtet. Zudem habe er die Anonymität des Opfers wahren wollen. Der Kardinal sehe aber inzwischen ein, dass er das informelle Gespräch hätte ablehnen müssen.

Vangheluwe war nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe Mitte April auf öffentlichen Druck zurückgetreten. Der Fall löste in Belgien eine breite Diskussion aus und führte auch zu der spektakulären Durchsuchungsaktion Ende Juni. Bei der „Operation Kelch“ durchsuchte eine Spezialeinheit der Polizei auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft den Amtssitz des belgischen Primas und die Räume der kirchlichen Untersuchungskommission zu Missbrauch. Die in Mechelen versammelten Bischöfe wurden stundenlang festgehalten, Gräber in der dortigen Kathedrale aufgebohrt. Zahlreiche Dokumente und Datenträger wurden beschlagnahmt, darunter auch der private Rechner von Danneels. Der Kardinal wurde über mehrere Stunden von der Polizei als Zeuge vernommen.

Dieses Vorgehen soll laut dem TV-Sender VTM nun als unrechtmäßig anerkannt worden sein; eine Bestätigung der Brüsseler Justizbehörden war am Wochenende jedoch nicht zu erhalten. Sollte sich der Bericht bewahrheiten, müssten die Akten, darunter zahlreiche Zeugenberichte von Missbrauchsopfern, an die Kirche zurückgegeben werden.

Justizminister Stefaan De Clerck sprach sich bereits für die Einrichtung einer neuen, innerkirchlichen Untersuchungskommission aus. Sie solle wieder unter der bewährten Leitung des Kinderpsychologen Peter Adriaenssens stehen, so De Clerck. Das Vorgängergremium war nach der Polizeirazzia, die in belgischen Medien als „Operation Kelch“ bezeichnet wird, aus Protest zurückgetreten.

(kap 29.08.2010 mg)







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