2010-08-28 11:02:17

Botschaft der Einfachheit - 100 Jahre Mutter Teresa


RealAudioMP3 Am vergangenen Donnerstag wäre Mutter Teresa 100 Jahre alt geworden. Weltweit gedenken in diesen Tagen Christen und Gläubige der Missionarin und Friedensnobelpreisträgerin. Benedikt XVI. nannte sie die „personifizierte Nächstenliebe, der Vatikan würdigte die Ordensgründerin mit einer Gedenkmesse im Petersdom. In der wichtigsten Wirkungsstätte Mutter Teresas, im indischen Kalkutta, erreichten die Feierlichkeiten zum Jubiläumsjahr am Donnerstag schon einen ersten Höhepunkt. Wer war diese entschlossene Nonne im weißen Sari, die es unermüdlich in die tiefsten Slums Indiens zog?

Mit Tatkraft für die Armen
„Ein reines Herz ist ein Herz, das dient. Ein reines Herz ist frei, zu geben und lieben, bis es weh tut. Ein reines Herz sieht Christus in den Hungrigen, Nackten, Einsamen, Verstoßenen. Es ist nicht nur Hunger nach Brot, es ist Hunger nach Liebe. Es ist nicht nur Nacktheit, weil die Kleidung fehlt, sondern Nacktheit, weil die Menschenwürde fehlt. Es ist nicht nur Heimatlosigkeit, weil das Haus fehlt, sondern weil Liebe, Sorge, Freude und menschliche Nähe fehlen.“


Agnes Bojaxhiu, so Mutter Teresas bürgerlicher Name, wurde in Skopje geboren. Das war damals noch Teil des Osmanenreichs und ist heute die mazedonische Hauptstadt. Schon früh wollte das streng katholisch erzogene Mädchen Missionsschwester werden. 1931 legte sie das Gelübde der Loreto-Schwestern ab und nahm den Namen Teresa an – nach der „kleinen“ französischen Heiligen Theresia von Lisieux, nicht der bedeutenderen spanischen Theresia von Avila. Der Orden sandte sie als Lehrerin nach Kalkutta, wo Mutter Teresa bis zu ihrem Lebensende wirken sollte. Doch in den eleganten Klassenzimmern der englischsprachigen Elite Indiens hielt sie es nicht lange aus: Schon bald brach sie in die Elendsviertel der Stadt auf, bettelte für die Armen, half, wo es ging:

„Sie hat selber immer angepackt. Das war für uns alle immer erstaunlich, wenn wir zum Beispiel im Sterbeheim in Kalighat waren, war sie zum Beispiel immer die erste, die die Toiletten saubermachte. Sie hat sich nie gescheut, solche Sachen zu tun. Und sie hat uns auch geholfen, uns zu überwinden und auch solche Dinge zu tun. Sie war immer sehr mutig dabei – gerade in schwierigen Situationen hat sie immer angepackt.“


So erinnert Schwester Andrea Mutter Teresa. Die deutschstämmige Ordensschwester stieß vor über 50 Jahren als erste Ausländerin zu Mutter Teresa nach Kalkutta:

„Wir waren ja damals im geistlichen Leben noch Kinder. Sie war schon eine erfahrene Ordensfrau und Ordensgründerin.“

„Gottes Ruf“ ereilte Teresa im Zug nach Darjeeling. Das war im Jahr 1946. Sie trat aus ihrem Orden aus und gründete die „Missionarinnen der Nächstenliebe“, die 1950 als Orden vom Vatikan anerkannt wurden. Das „Mutterhaus“ im Herzen Kalkuttas bekam schon bald Ableger; es entstanden Häuser und Heime für Sterbende, Waise und Kranke, immer mehr Freiwillige zog die Missionarin an. Als Papst Paul VI. Jahre später nach Indien kam, hatte Mutter Teresa „keine Zeit“, um ihn zu treffen. Die Bedürftigen gingen vor, das Papstgeschenk – ein Luxusauto – machte sie zu Geld, das direkt in ihre Hilfsprojekte floss. Schwester Andrea:

„Sie war eine Frau, die aus dem Glauben und Gebet lebte, aber im täglichen Leben war sie immer sehr praktisch. Sie hat uns beigebracht: So müsst ihr immer handeln, wenn ihr auch nicht wisst, was ihr tun könnt in einer gewissen Situation – Maria wusste es auch nicht, sie war ihrem Sohn begegnet auf dem Kreuzweg und sie war so hilflos, aber sie war dort! Und so müssen wir auch da sein, einfach da sein.“

Würdigung durch Johannes Paul II.
Mutter Teresas Einrichtungen finden sich heute in der ganzen Welt. In ihrem Heimatland Albanien, das 1967 zum ersten atheistischen Staat wurde, gibt es heute allein sechs Niederlassungen. Als Papst Johannes Paul II. 1993 - drei Jahre nach dem Sturz des kommunistischen Regimes - das Land zum ersten Mal besuchte, fand er dort nicht nur Heime und Sterbehäuser vor, die auf Mutter Teresa zurückgehen:

„Wir haben hier in Albanien schon vier Kirchen, zwei Kathedralen und eine Moschee gebaut“,

...erklärt Mutter Teresa unserem albanischen Kollegen von Radio Vatikan, als sie mit ihren Landsleuten auf die Ankunft des Papstes wartet. Ökumene – die war ihr selbstverständlich, wie die Nächstenliebe. Papst Johannes Paul II. würdigt Mutter Teresa in seiner Ansprache an das albanische Volk:

„Wie könnte ich die erwählte Tochter des albanischen Volkes vergessen? Mutter Teresa von Kalkutta, Mutter vieler Armer unter den Armen der Welt, diese kleine und große Frau mit ihrer Wärme des Glaubens und dem großzügigen und unbändigen Tatendrang eines albanischen Herzens.“

Nach der dunklen Periode der kommunistischen Diktatur entdeckten die Albaner mehr und mehr die spirituelle Dimension des Daseins entdeckt, und Mutter Teresa half ihnen dabei. Darauf verweist der Apostolische Nuntius in Albanien, Erzbischof Ramiro Moliner Inglés. Als Vertreter des Papstes feierte er zum 100. Geburtstag Mutter Teresas in der Hauptstadt Tirana zusammen mit Gläubigen, den Bischöfen Albaniens und der angrenzenden Diözesen eine Messe:

„Das ist die soziale und humane Botschaft Mutter Teresas: der Respekt für den Menschen, einfach weil er ein Mensch ist – von Anbeginn bis zum Ende seines Lebens. Die mystische Seite der Seligen ist für die Albaner heute sicher das größte Geheimnis. Sie fragen sich, aus welchem Grund Mutter Teresa tat, was sie tat, und was ihr Antrieb war. Offensichtlich war es nicht Geld, Ruhm, oder sonst eine Triebfeder der modernen Gesellschaft. Ich sehe ein aufrichtiges Verlangen der albanischen Gesellschaft, diese spirituelle Dimension zu entdecken, die in der Epoche des Kommunismus unterdrückt wurde.“

Botschaft der Einfachheit
Neben den zahlreichen Auszeichnungen und Ehrungen für Mutter Teresa – unter den wichtigsten der Friedensnobelpreis 1979 – wurde in den letzten Jahren aber auch Kritik an der Ordensfrau laut: Sie sei „Dienerin weltlicher Macht“, betreibe nur „Symptombekämpfung“, scheue sich vor der modernen Medizin, lauten einige der Vorwürfe. Mutter Teresas Entwicklungsarbeit unter Effizienzkriterien zu betrachten – damit muss man freilich zu kurz greifen. Die Berührung von Menschen zog sie stets einem Knopfdruck vor, Kontakt war ihr immer wichtiger als der Überbau. Ihre Botschaft ist eine Botschaft der Einfachheit: Dasein für Andere, darum geht es. Mutter Teresa:

„Weil Jesus jeden von euch liebt, bringt auch ihr Freude, Gebet und Frieden in eure Familien! Dann werdet ihr in Heiligkeit wachsen. Heiligkeit ist kein Luxus für wenige Menschen, sie ist eine einfache Schönheit, denn Jesus sagt: Sei heilig. Gott segne euch alle.“

Das Hilfsnetzwerk, das heute auf Mutter Teresa zurückgeht, grenzt an ein Wunder. Gerade einmal fünf Rupien hatte sie in der Tasche, als sie 1948 das Loreto-Kloster verließ. Heute besteht ihre Gefolgschaft aus knapp 4.000 Schwester aus 35 Nationen, und ihre Kongregation besitzt fast 600 Heime in über 100 Ländern. Sogar ein Männer-Orden mit hunderten Mitgliedern steht den Nonnen seit 1963 zur Seite. Der Freiwilligenstrom zum Mutterhaus in Kalkutta reißt derweil nicht ab: Junge Abenteurer, Paare auf Hochzeitsreise und Manager schrubben Böden, wechseln Bettwäsche und massieren indische Kranke.

Feierlichkeiten in Kalkutta
In Kalkutta ist für diese Tage ein vielfältiges Kulturprogramm zum Gedenken an die „Mutter der Armen“ angesetzt. Das ist den Indern wichtig, meint Schwester Andrea in Kalkutta:

„So gibt es Aufführungen, die das Leben von Mutter Teresa darstellen in verschiedenen künstlerischen Formen oder es gibt Lieder, Gesänge und Tänze. Drittens ist es in Indien Sitte, am Todestag des Vaters etc eine Speisung vorzubereiten, für manchmal 500 Menschen. Wir haben in etlichen unserer Niederlassungen diese Speisung gehabt, für Bedürftige, Familien etc.“

Mutter Teresas Werk inspiriert Alt und Jung, Arm und Reich – darauf weist anlässlich des 100. Geburtstags von Mutter Teresa Schwester Mary Prema, Generaloberin der Missionarinnen der Nächstenliebe, hin. Die deutschstämmige Schwester führt das Werk der Friedensnobelpreisträgerin in Kalkutta fort. Auch für Leo Maasburg, Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke, ist der Verdienst der Missionarin ungebrochen:

„Mutter Teresa ist auch heute ein Beispiel dafür, dass sich die Sicht der Welt ändern kann. Sie hat die Armen ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gehoben. Und das hat sie auch selber mal als Erfolg gewertet, dass sie gesagt hat: Jetzt spricht man über die Armen. Und der nächste Schritt ist, man wird mit ihnen sprechen.“

Bald auch heilig?
Mutter Teresa starb am 5. September 1997 mit 87 Jahren in Kalkutta. Sechs Jahre später, am 19. Oktober 2003, sprach Papst Johannes Paul II. sie selig – in einem Verfahren, dass als eines der schnellsten der Neuzeit gilt. Heilig ist Mutter Teresa offiziell noch nicht; es fällt wohl schwer, aus ihrem Werk nur „ein“ Wunder auszuwählen.

(rv 26.08.2010 pr)







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