Mitten im Sommerloch streiten sich die italienische Caritas und die Regierung über
das Thema illegale Einwanderer. Das Innenministerium behauptet, die Landung von Bootsflüchtlingen
an Italiens Küsten sei im letzten Jahr um 88 Prozent zurückgegangen – dank einem Abkommen
zwischen Regierungschef Silvio Berlusconi mit Libyens Machthaber Muammer al-Gaddafi.
Die Caritas widerspricht dieser Zahl heftig: Nach ihren Erkenntnissen haben die Schlepper
einfach nur die Routen geändert, die Zahl der Bootsflüchtlinge nehme längst wieder
zu. An diesem Wochenende sind fast vierzig „Illegale“ in Sizilien gelandet, weitere
zwölf in Sardinien. „Wir müssen diese Brüder im Geist der Solidarität
aufnehmen“, mahnt der Erzbischof von Catanzaro in Kalabrien, Antonio Ciliberti. „Unser
Vaterland ist die Welt, und jeder Mensch ist unser Bruder. Keiner kann für sich alleine
glücklich sein – unser Glück besteht darin, andere glücklich zu machen.“
Das
sind in der aufgeheizten innenpolitischen Debatte Italiens, die derzeit noch durch
eine Regierungskrise angereichert wird, ungewohnt pastorale Töne.
„Jeder
Mensch hat das Recht zu emigrieren – das Recht, dahin zu gehen, wo er seine Identität
voll realisieren kann. Diese Menschen kommen mit ihrer Armut und mit ihren Bedürfnissen
– man darf sie nicht zurückstoßen. Welches Delikt haben sie denn begangen? Nur, dass
sie in einem anderen Land geboren sind als in dem Land, auf das sich ihre Hoffnung
richtet? Das ist doch nicht gerecht!“
Vielleicht nicht gerecht, aber doch
Rechtslage: Illegale Einwanderung ist nämlich in Italien – wie in vielen anderen europäischen
Ländern auch – durchaus ein Delikt. Erzbischof Ciliberti fordert denn auch ein neues
Einwanderergesetz:
„Wir müssen uns für ein Gesetz engagieren, dass die Menschenwürde
bewahrt!”
Doch die Mahnungen des Erzbischofs werden wohl auf taube Ohren
stossen - Berlusconi hat nämlich in diesen Wochen alle Hände voll zu tun, um seine
Regierungsmehrheit zu retten. Seinen immigrantenfeindlichen Koalitionspartner, die
Regionalpartei Lega Nord, die auch den Innenminister stellt, kann er in seiner heiklen
Lage nicht vor den Kopf stossen.