Jetzt ist es offiziell:
Kenia hat eine neue Verfassung. Eine deutliche Mehrheit von 67 Prozent der Wähler
sprach sich für das neue Gesetzeswerk aus, das Kenia moderner, demokratischer und
weniger anfällig für Korruption machen soll. Mit Bekanntgabe des offiziellen Endergebnisses
trat die neue Konstitution für das ostafrikanische Land dann auch direkt in Kraft.
Die Regierung unter Präsident Mwai Kibaki und Ministerpräsident Raila Odinga zeigte
sich hochzufrieden. „Zu sagen, dass wir gewonnen haben, ist eine Untertreibung, Kenia
ist wahrhaft neugeboren worden“, so Energieminister Kiraitu Murungi nach der Wahl.
Doch nicht alle sind so zufrieden mit dem Ausgang des Referendums. Kritische Punkte
in der neuen Verfassung sind u.a. die Legalisierung von Abtreibungen, die Anerkennung
muslimischer Zivilgerichte und die Agrarreform. Wir sprachen darüber mit dem Comboni-Pater
Giulio Albanese: Er arbeitet in der Nationaldirektion der Päpstlichen Missionswerke.
„Es
gibt sicherlich innovative Aspekte in der neuen Verfassung; sie ist ein Zeichen dafür,
dass Kenia wirklich versucht, einen Neuanfang zu machen. Man denke z.B. daran, dass
die Macht des Präsidenten drastisch beschnitten wird: Sie wird jetzt mit der Figur
und Rolle des Ministerpräsidenten geteilt. Dann legt die Verfassung auch den Grundstein
für die lang ersehnte Landreform, die natürlich die Menschen interessiert, insofern
es da um ihr Überleben geht. Abgesehen davon gibt es aber auch Nachteile, auf die
die Bischöfe richtigerweise aufmerksam gemacht haben. Man denke an die Klausel, die
das menschliche Leben nicht ab der Empfängnis anerkennt, sondern erst ab der Geburt:
Aus dieser Sicht könnte das die Grundlage für ein Abtreibungsgesetz sein.“
Mit
der Anerkennung der muslimischen Zivilgerichte ist der Islam die einzige Religion,
die im Gesetzestext vorkommt – und dabei ist Kenia ein mehrheitlich christliches Land.
Ein Grund für weitere Spaltungen in einem Land, das nach den Wahlen 2007 in einen
Abgrund der Gewalt stürzte? Pater Albanese meint:
„Das ist ein reelles Risiko,
auch weil es sich dabei um eine alte Geschichte handelt. Vergessen wir nicht, dass
bereits 1963, als Kenia seine Unabhängigkeit erlangte, der damalige Premier und spätere
Präsident Jomo Kenyatta verhandeln musste: Die muslimische Gemeinschaft an der Küste
des Landes war nur bereit, dem neuen unabhängigen Kenia beizutreten, wenn der laizistische
Staat ihr Rechtssystem anerkennen würde. Es handelt sich also um ein Privileg, das
seine Wurzeln in der Vergangenheit hat und jetzt nochmals bestätigt wird.“
Ausgelassen
feierten die Befürworter der Verfassung den Ausgang des Referendums. Der Kampf für
mehr Demokratie und weniger Korruption, der Schulterschluss der erbitterten Gegner
der Unruhen von 2007 – diese positiven Zeichen sehen auch die Kritiker der Verfassung.
Wie wird die katholische Kirche also mit dem Wahlergebnis umgehen?
„In der
Zivilgesellschaft im weiteren Sinn und für die katholische Kirche im besonderen –
die ja integraler Bestandteil der Zivilgesellschaft ist – wird der Einsatz gegen die
Abtreibung im Zentrum der Bemühungen stehen. Es gibt keinen Zweifel, dass man versuchen
wird, eine Legalisierung zu vermeiden. Zugleich glaube ich aber, dass die katholische
Kirche all die positiven Initiativen und Prinzipien in der neuen Verfassung unterstützen
wird, die einen Wendepunkt bedeuten.“
Die christlichen Kirchen haben in
einer ersten Reaktion immerhin den Verlauf des Referendums gelobt: Entgegen allen
Befürchtungen sei es nicht zu Gewalt gekommen. Doch auch mit der neuen Verfassung
- darauf weisen sie in einem Statement hin - bleibe die kenianische Gesellschaft zutiefst
in sich gespalten... und sei noch viel Versöhnungsarbeit zu leisten.