Mit einem eindringlichen Aufruf zu Freiheit und fortschrittlichem Denken meldet sich
der Sprecher der Erzdiözese Havanna, Orlando Márquez, zu Wort. Die Freiheit des Einzelnen
sei entscheidend für die menschliche Entwicklung und den sozialen Fortschritt, so
Márquez in einem Artikel für die Diözesanzeitschrift „Palabra Nueva“ an diesem Donnerstag.
„Dass wir Gott zum Ebenbild geschaffen sind, bedeutet zweifellos, dass wir zur Freiheit
geschaffen sind“, so der Diözesansprecher. Der marxistische Freiheitsbegriff hingegen
sei materialistisch und werde der menschlichen Natur nicht gerecht, so Márquez weiter.
Auf der anderen Seite bedeute Freiheit auch nicht Zügellosigkeit und die Verkennung
jeglicher Werte und Traditionen. In Kuba vernehme man von Politikern zwar öfter die
Einladung, mit Vorschlägen und Ideen Kritik am bestehenden sozialen System zu üben.
Das sei der richtige Weg, stellt Márquez fest, denn mit Gewalt etwas zu verändern
sei niemals eine Lösung. Allerdings müsse man die Frage stellen, ob diese Einladung
zur Kritik eine Einladung zu freiheitlichem Denken und Dialog ist - oder zu Monolog
und Überzeugungsarbeit. Scharfe Kritik übt Márquez an den bestehenden Verhältnissen
auf Kuba: Der konstant propagierte Klassenkampf sei überholt, endlich müsse das „paternalistische
Staatssystem“ und die „infantile Behandlung“ der Bürger überwunden werden. „Es geht
auch nicht darum, das Dilemma auf ‚Kapitalismus’ und ‚Sozialismus’ zu reduzieren“,
wie es die „Fortschrittsfeindlichen und Pharisäer der Politik“ immer machten. „Die
Kubaner sehnen sich nach Entwicklung und mehr Möglichkeiten, und für diese Möglichkeiten
braucht es weniger Beschränkungen der persönlichen und kollektiven Freiheit“, fordert
Márquez in dem Artikel. „Der Staat muss sich von all den ökonomischen, bürokratischen
und ideologischen Lasten befreien, die ihm die Kehle zuschnüren“ – erst dann werde
Kuba zu einem fröhlicheren und harmonischeren Ort für alle, mahnte Márquez.