Der neue Uno-Sonderberichterstatter für Religionsfreiheit, der Deutsche Heiner Bielefeldt,
hat sich gegen eine Verbannung religiöser Ausdrucksformen aus staatlichen Einrichtungen
in Europa gewandt. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur sagte Bielefeldt
am Freitag, es bestehe die Gefahr, „die religiös-weltanschauliche Neutralität des
Staates so zu verstehen, dass Religion in öffentlichen Institutionen überhaupt nicht
sichtbar wird“. Als Beispiel nannte er Frankreich. Der 52-Jährige tritt am kommenden
Sonntag das Amt des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen für Glaubens- und
Gewissensfreiheit beim Menschenrechtsrat in Genf an. Die größte Gefahr für die freie
Religionsausübung besteht nach Bielefeldts Ansicht in Staaten, die sich mit einer
bestimmten Religion identifizieren - etwa in konservativen islamischen Ländern wie
Iran, Pakistan, oder Saudi-Arabien. Ferner gebe es Staaten wie China, Vietnam, Laos,
wo die Behörden religiöse Minderheiten teilweise systematisch verfolgten. Religionsfreiheit
sei „mehr als Toleranz“, betonte Bielefeldt. Als unveräußerliches Menschenrecht habe
es der Staat nicht zu gewähren, sondern zu schützen. Scharfe Kritik äußerte er daran,
dass in einigen muslimischen Staaten nach wie vor die Todesstrafe auf den Wechsel
der Religion stehe. Hier gehe es um den innersten Kern der Religionsfreiheit. Anders
als äußere Ausdrucksformen des Glaubens sei dies in den internationalen Menschenrechtsnormen
absolut geschützt. „Der Bereich von Gewissen, Glauben, Überzeugung ist jeder Abwägung
entzogen.“ Das schließe auch das Recht der Menschen ein, „ihren Glauben frei zu wählen,
auch ihn zu ändern“. Mit Blick auf das Kruzifix-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof
verwies Bielefeldt auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Mitte der 90er
Jahre. Karlsruhe habe seinerzeit nicht moniert, „dass Kreuze in Klassenzimmern hängen,
sondern dass der Staat dies verordnet“. Es gehe also nur darum, dass der Staat sich
nicht mit einem religiösen Symbol identifizieren sollte. „Ansonsten plädiere ich für
ein unverkrampftes Verhältnis zu religiösen Symbolen - auch in der Schule“, so Bielefeldt.
„Da können ohne weiteres Kruzifixe oder andere Symbole präsent sein“. Wenn sie jemand
störten, müsse man praktische Wege finden, damit umzugehen. - Bielefeldt hat seit
einem Jahr den neu geschaffenen Lehrstuhl für Menschenrechte der Universität Erlangen-Nürnberg
inne. Zuvor leitete er mehrere Jahre das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin.
In seinem neuen Amt muss er jedes Jahr der Uno-Generalversammlung in New York und
dem Uno-Menschenrechtsrat in Genf über die Lage der Religionsfreiheit Bericht erstatten
sowie die Lage der Religionsfreiheit durch Länderbesuche prüfen und individuelle Beschwerden
bearbeiten.