Sensationsfunde hin
oder her. Sehr offensichtlich lösen Caravaggio und seine Werke momentan Stürme der
Begeisterung aus. Erst der große Besuchermagnet, die Retrospektive in den Scuderien
und jetzt am vergangenen Wochenende die Notte di Caravaggio. Zum 400. Todestag des
berühmten Barockmalers hatten die Galleria Borghese und drei Kirchen Roms teils bis
in den frühen Morgen ihre Türen geöffnet und zeigten gratis Werke Caravaggios. 25.000
Menschen reihten sich laut der Zeitung „La Repubblica“ in die vielen Schlangen ein,
unter anderem vor der Kirche Santa Maria del Popolo. Pater Antonio Truda ist in der
Kirche der zuständige Geistliche. Er erklärt sich die Begeisterung für Caravaggio
so:
„Ich habe den Eindruck, dass Caravaggio aus zwei Gründen gerade so anziehend
ist: Erstens, er ist einfach modern. Aber auf der anderen Seite liegt es an Caravaggios
spiritueller Ausdruckskraft, die sich an den Menschen bindet. An die Person, die leidet,
die sich freut, die vor einer Begegnung steht, die ein Zeugnis ablegen will. Also
die Bilder sind menschlich, sie sind zeigen Leute der damaligen Zeit, aber gleichzeitig
sind die Personen auch zeitlos, sie alle können uns zeigen, was es heißt, sich in
einer entscheidenden Situation zu befinden und darauf Antworten zu finden.“
Die
Kirche Santa Maria del Popolo schmückt sich mit zwei der edlen Caravaggio-Werke, der
Kreuzigung des Petrus und der Bekehrung des Paulus:
„Unsere beiden Bilder
sind sehr schön, das eine zeigt den vom Pferd gefallenen Paulus mit einem Licht, das
das Pferd beleuchtet, als wenn es sich dabei fast um eine Vision handele, welche Gott
Paulus anbietet als eine geradezu historische Erfahrung voller Kraft. Ein wirklich
sehr schönes Bild, umrahmt von sehr einfachen Personen. Das andere zeigt dagegen Petrus,
kurz vor seinem Tod, in dem Moment der Kreuzigung, aber dennoch ist er ein starker
Mensch, ein mutiger Mann. Ein Mann, der davon überzeugt ist, dass dies der richtige
Moment ist, um Zeugnis von Jesus abzulegen. Also, das Bild zeigt sehr schön diese
Kraft Petri, mit den angespannten Muskeln, mit einem Gesicht, das nicht etwa die Verzweiflung
eines Sterbenden zeigt, sondern vielmehr die feste Überzeugung, dass dies der richtige
Weg ist. Und dann sind da noch Figuren, die das Bild komplementieren, die all ihre
Kraft und Stärke aufwenden, um das Kreuz zu heben, denn offensichtlich ist das Gewicht
sehr schwer.“
An einem ganz gewöhnlichen Tag kommen 3.000 Menschen in die
Kirche Santa Maria del Popolo. Die meisten strömen zielstrebig in die Cerasi-Kapelle,
links neben dem Altar, um die Kreuzigung des Petrus und die Bekehrung des Paulus zu
sehen. So gerne Pater Antonio Truda „seine“ Caravaggios zeigt – eines ist ihm wichtig:
„Wir
haben hier ein Schild, bitte nicht fotografieren, aber leider fühlen sich die Leute
immer im Recht, das zu tun, was sie wollen. Es muss also jemand da stehen und den
Leuten sagen, bitte keine Fotos. Dabei sollte man doch meinen, die Leute seien gebildet
genug. Auch wenn Leute gar den Blitz benutzen… Eine ganze Zeit lang habe ich da gesagt:
Ich kann Ihnen verzeihen, aber ich weiß nicht, ob Ihnen auch Caravaggio vergeben kann,
denn Sie sind gerade dabei ihn zu zerstören.“
Zum Abschluss verrät Pater
Antonio Truda, wo sein Lieblingswerk von Caravaggio in Rom zu finden ist:
„Ich
habe in meinem Geiste und Herzen die „Madonna der Pilger“ von Sant’Agostino eingeschlossen,
dieses Bild ist auch in einer unserer Augustinerkirchen. Denn in diesem Bild sieht
man tatsächlich, welche Bedeutung es für Caravaggio hatte, Maria in ein Bild zu übertragen.
Sie, die als Frau aus dem Volke genommen wurde. Und dann sieht man diese zwei Pilger,
die sich vor Maria knien, um zu beten mit dreckigen Füßen. Denn sie waren lange barfuss,
ohne Schuhe, gelaufen. Die Pilger zeugen in meinen Augen von einer immensgroßen und
besonderen Frömmigkeit und von einer sehr großen Marien-Spiritualität.“