Ukraine/Österreich: „In der Ukraine sind Aidskranke noch stark stigmatisiert“
Krank und abgeschrieben
– dieses Schicksal ereilt HIV-infizierte Menschen besonders in Osteuropa. Die Versorgungslage
sei dort fatal, und das obwohl die Zahl der Neuinfektionen weiter steige. Darauf verwies
am Sonntag der Leiter des Aidshilfe-Dachverbands in Osteuropa, Wladimir Zhovtyak,
auf der Weltaidskonferenz in Wien. 1,5 Millionen Menschen mit HIV seien in Osteuropa
bisher erfasst worden, so der ukrainische Experte. Ein anderes Problem ist die Diskriminierung
erkrankter Menschen in Osteuropa.
Die Stigmatisierung Aids-kranker
Menschen sei in der Ukraine immer noch groß. Das berichtet die Aids-Beraterin der
ukrainischen Caritas, Dzwinka Tschajkiwska. Im Gespräch mit kathpress erzählt die
Ärztin von der Entwicklung der Krankheit in den letzten Jahren:
„Die
Verbreitung der Krankheit in der Ukraine ist die höchste in Osteuropa. Die Krankheit
verbreitet sich sehr schnell. Zunächst war es die Krankheit der Drogenabhängigen.
Seit zwei Jahren wird klar, dass die Menschen sie vor allem durch sexuelle Kontakten
bekommen.“
Die Caritas Ukraine betreut betroffene Kinder und Erwachsene
in verschiedenen Projekten, von der Hauskrankenpflege bis zum Zentrum für Straßenkinder.
Das sei angesichts der verbreiteten Diskriminierung der Betroffenen auch bitter nötig,
so Tschajkiwska:
„Infizierte Kinder können zum Beispiel nicht den Kindergarten
besuchen. Wenn andere Eltern in der Gruppe oder die Erzieher wissen, dass ein Kind
HIV-positiv ist, dann wollen sie es nicht haben. Wir haben solche Zentren, in denen
die Kinder bleiben können. Aber parallel dazu haben wir auch Projekte, mit denen wir
diese Mentalität verändern wollen. Indem wir zum Beispiel die Information geben, dass
diese Kinder nicht gefährlich sind für andere Kinder.“
Pflege und Aufklärung
– das ist also der Ansatz der ukrainischen Caritas, die entsprechende Strukturen schaffen
und zugleich die gesellschaftliche Mentalität verändern will. Und zwar ergänzend zum
Staat:
„Wir wollen keine Konkurrenz zum Staat schaffen, sondern eine
Nische füllen. Wir haben seit 2009 HIV-Projekte mit Straßenkindern, Migrantenkindern,
Hauspflegeprojekte für Kranke und Palliativ-Care sowie Hospizdienste im Krankenhaus.“
In
Kindertageszentren der Caritas können Eltern ihre von HIV betroffene Kinder ohne Probleme
abgeben:
„Die Leute können frei zu uns kommen und auch anonym bleiben.
Für uns ist das keine Frage, wir machen keinen Unterschied. Aber natürlich ist es
wichtig, dass die Leute es offen sagen können, denn so haben wir die Möglichkeit,
ihre Interessen zu vertreten.“
Tageszentren bietet die Hilfsorganisation
auch Straßenkindern, unter denen Aids ein großes Problem darstellt: Sexueller Missbrauch,
Gewalt und Drogen prägen oft den Alltag auf der Straße. Die Caritas informiert die
Kinder und Jugendlichen darüber, wo sie Hilfe bekommen können, sowohl medizinische,
psychische als auch juristische. Vor allem im Bereich der psychologischen Betreuung
setze man auch auf Geistliche, an die sich Betroffene oftmals wendeten. Tschajkiwska:
„Viele
Leute brauchen zunächst psychologische Hilfe. Vor allem in der West-Ukraine gehen
die Menschen zu Priestern und suchen Unterstützung in der Kirche. Deshalb ist es für
uns wichtig, die Priester so auszubilden, dass sie auch gute Berater für solche Leute
sein können. Wir wollen, dass die Priester in ihren Gemeinden den Leuten mitteilen,
Aids-Kranke nicht zu stigmatisieren.“
Und man versuche den Jugendlichen
weiter, feste Partnerschaften „schmackhaft“ zu machen, so die Caritas-Mitarbeiterin
– nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern als Alternative zu unverbindlichen sexuellen
Kontakten oder gar Erfahrungen sexualisierter Gewalt.
Auf der 18.
internationalen Weltaidskonferenz diskutieren derzeit Fachleute und Politiker, Aktivisten
und Betroffene aus 180 Ländern über die weltweite Entwicklung und Bekämpfung der verheerenden
Immunschwächekrankheit. Die Tagung steht unter dem Motto „Rechte - hier und jetzt“.
Bis Freitag beraten dort noch rund 20.000 Experten, Aktivisten und Politiker. Organisator
der Konferenz ist die Internationale Aids-Gesellschaft mit Sitz in Genf.