2010-07-19 12:14:02

Ukraine/Österreich: „In der Ukraine sind Aidskranke noch stark stigmatisiert“


RealAudioMP3 Krank und abgeschrieben – dieses Schicksal ereilt HIV-infizierte Menschen besonders in Osteuropa. Die Versorgungslage sei dort fatal, und das obwohl die Zahl der Neuinfektionen weiter steige. Darauf verwies am Sonntag der Leiter des Aidshilfe-Dachverbands in Osteuropa, Wladimir Zhovtyak, auf der Weltaidskonferenz in Wien. 1,5 Millionen Menschen mit HIV seien in Osteuropa bisher erfasst worden, so der ukrainische Experte. Ein anderes Problem ist die Diskriminierung erkrankter Menschen in Osteuropa.




Die Stigmatisierung Aids-kranker Menschen sei in der Ukraine immer noch groß. Das berichtet die Aids-Beraterin der ukrainischen Caritas, Dzwinka Tschajkiwska. Im Gespräch mit kathpress erzählt die Ärztin von der Entwicklung der Krankheit in den letzten Jahren:


„Die Verbreitung der Krankheit in der Ukraine ist die höchste in Osteuropa. Die Krankheit verbreitet sich sehr schnell. Zunächst war es die Krankheit der Drogenabhängigen. Seit zwei Jahren wird klar, dass die Menschen sie vor allem durch sexuelle Kontakten bekommen.“


Die Caritas Ukraine betreut betroffene Kinder und Erwachsene in verschiedenen Projekten, von der Hauskrankenpflege bis zum Zentrum für Straßenkinder. Das sei angesichts der verbreiteten Diskriminierung der Betroffenen auch bitter nötig, so Tschajkiwska:


„Infizierte Kinder können zum Beispiel nicht den Kindergarten besuchen. Wenn andere Eltern in der Gruppe oder die Erzieher wissen, dass ein Kind HIV-positiv ist, dann wollen sie es nicht haben. Wir haben solche Zentren, in denen die Kinder bleiben können. Aber parallel dazu haben wir auch Projekte, mit denen wir diese Mentalität verändern wollen. Indem wir zum Beispiel die Information geben, dass diese Kinder nicht gefährlich sind für andere Kinder.“


Pflege und Aufklärung – das ist also der Ansatz der ukrainischen Caritas, die entsprechende Strukturen schaffen und zugleich die gesellschaftliche Mentalität verändern will. Und zwar ergänzend zum Staat:


„Wir wollen keine Konkurrenz zum Staat schaffen, sondern eine Nische füllen. Wir haben seit 2009 HIV-Projekte mit Straßenkindern, Migrantenkindern, Hauspflegeprojekte für Kranke und Palliativ-Care sowie Hospizdienste im Krankenhaus.“


In Kindertageszentren der Caritas können Eltern ihre von HIV betroffene Kinder ohne Probleme abgeben:


„Die Leute können frei zu uns kommen und auch anonym bleiben. Für uns ist das keine Frage, wir machen keinen Unterschied. Aber natürlich ist es wichtig, dass die Leute es offen sagen können, denn so haben wir die Möglichkeit, ihre Interessen zu vertreten.“


Tageszentren bietet die Hilfsorganisation auch Straßenkindern, unter denen Aids ein großes Problem darstellt: Sexueller Missbrauch, Gewalt und Drogen prägen oft den Alltag auf der Straße. Die Caritas informiert die Kinder und Jugendlichen darüber, wo sie Hilfe bekommen können, sowohl medizinische, psychische als auch juristische. Vor allem im Bereich der psychologischen Betreuung setze man auch auf Geistliche, an die sich Betroffene oftmals wendeten. Tschajkiwska:


„Viele Leute brauchen zunächst psychologische Hilfe. Vor allem in der West-Ukraine gehen die Menschen zu Priestern und suchen Unterstützung in der Kirche. Deshalb ist es für uns wichtig, die Priester so auszubilden, dass sie auch gute Berater für solche Leute sein können. Wir wollen, dass die Priester in ihren Gemeinden den Leuten mitteilen, Aids-Kranke nicht zu stigmatisieren.“


Und man versuche den Jugendlichen weiter, feste Partnerschaften „schmackhaft“ zu machen, so die Caritas-Mitarbeiterin – nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern als Alternative zu unverbindlichen sexuellen Kontakten oder gar Erfahrungen sexualisierter Gewalt.




Auf der 18. internationalen Weltaidskonferenz diskutieren derzeit Fachleute und Politiker, Aktivisten und Betroffene aus 180 Ländern über die weltweite Entwicklung und Bekämpfung der verheerenden Immunschwächekrankheit. Die Tagung steht unter dem Motto „Rechte - hier und jetzt“. Bis Freitag beraten dort noch rund 20.000 Experten, Aktivisten und Politiker. Organisator der Konferenz ist die Internationale Aids-Gesellschaft mit Sitz in Genf.


(kap/rv 19.07.2010 pr)








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