Vatikan: Die Normen für die schwerwiegenderen Delikte
Der vollständige Text der Veränderungen in den Normae de gravioribus delictis,
die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehalten sind, so wie sie vom Vatikan
vorgestellt wurden:Erster Teil Substantielle Normen
Artikel 1 § 1. Die
Kongregation für die Glaubenslehre behandelt gemäß Art. 52 der Apostolischen Konstitution
Pastor Bonus Straftaten gegen den Glauben und schwerwiegendere Straftaten gegen
die Sitten und solche, die bei der Feier der Sakramente begangen werden, um gegebenenfalls
nach Maßgabe des allgemeinen oder des besonderen Rechts kanonische Strafen festzustellen
oder zu verhängen, unbeschadet der Zuständigkeit der Apostolischen Pönitentiarie
und der Geltung der Ordnung für die Lehrüberprüfung.
§ 2. Bei den in
§ 1 genannten Straftaten hat die Kongregation für die Glaubenslehre das Recht, im
Auftrag des Papstes die Kardinäle, die Patriarchen, die Gesandten des Apostolischen
Stuhls, die Bischöfe und andere natürliche Personen zu richten, die in can. 1405 §
3 des Kodex des kanonischen Rechts und in can. 1061 des Kodex der Kanones
der orientalischen Kirchen genannt werden.
§ 3. Die Kongregation für die
Glaubenslehre behandelt die ihr nach § 1 vorbehaltenen Straftaten gemäß den folgenden
Artikeln. Art. 2
§ 1. Die in Art. 1 genannten Straftaten gegen den Glauben
sind Häresie, Apostasie und Schisma gemäß cann. 751 und 1364 des Kodex des kanonischen
Rechts und cann. 1436 § 1 und 1437 des Kodex der Kanones der orientalischen
Kirchen.
§ 2. In den Fällen, die in § 1 erwähnt sind, steht es dem Ordinarius
bzw. dem Hierarchen zu, nach Maßgabe des Rechts die als Tatstrafe eingetretene Exkommunikation
gegebenenfalls aufzuheben oder einen Strafprozess in erster Instanz oder per Dekret
auf dem Verwaltungsweg durchzuführen, unbeschadet des Rechts, an die Kongregation
für die Glaubenslehre zu appellieren bzw. zu rekurrieren.
Art. 3
§ 1.
Die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehaltenen schwerwiegenderen Straftaten
gegen die Heiligkeit des eucharistischen Opfers und Sakraments sind:
1° Das
Entwenden oder Zurückbehalten in sakrilegischer Absicht oder das Wegwerfen der konsekrierten
Gestalten nach can. 1367 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 1442 des
Kodex der Kanones der orientalischen Kirchen.
2° Der Versuch, das eucharistische
Opfer zu feiern gemäß can. 1378 § 2, 1o des Kodex des kanonischen Rechts.
3°
Das Vortäuschen der Feier des eucharistischen Opfers nach can. 1379 des Kodex des
kanonischen Rechts und can. 1443 des Kodex der Kanones der orientalischen Kirchen.
4°
Die in can. 908 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 702 des Kodex
der Kanones der orientalischen Kirchen verbotene Konzelebration, von der in can.
1365 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 1440 des Kodex der Kanones
der orientalischen Kirchen die Rede ist, zusammen mit Amtsträgern von kirchlichen
Gemeinschaften, welche die apostolische Sukzession nicht besitzen und die sakramentale
Würde der Priesterweihe nicht kennen.
§ 2. Der Kongregation für die Glaubenslehre
ist auch die Straftat vorbehalten, die in der in sakrilegischer Absicht erfolgten
Konsekration einer oder beider Gestalten innerhalb oder außerhalb der Eucharistiefeier
besteht. Wer diese Straftat begeht, soll je nach Schwere des Verbrechens bestraft
werden, die Entlassung oder Absetzung nicht ausgeschlossen.
Art. 4
§
1. Die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehaltenen schwerwiegenderen Straftaten
gegen die Heiligkeit des Bußsakraments sind:
1° Die Lossprechung des Mitschuldigen
an einer Sünde gegen das sechste Gebot nach can. 1378 § 1 des Kodex des kanonischen
Rechts und can. 1457 des Kodex der Kanones der orientalischen Kirchen.
2°
Der Versuch der sakramentalen Lossprechung oder das verbotene Hören der Beichte nach
can. 1378 § 2, 2o des Kodex des kanonischen Rechts.
3° Das
Vortäuschen der sakramentalen Lossprechung nach can. 1379 des Kodex des kanonischen
Rechts und can. 1443 des Kodex der Kanones der orientalischen Kirchen.
4°
Die Verführung zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs bei der Spendung
oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte nach can. 1387 des Kodex
des kanonischen Rechts und can. 1458 des Kodex der Kanones der orientalischen
Kirchen.
5° Die direkte oder indirekte Verletzung des Beichtgeheimnisses
nach can. 1388 § 1 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 1456 § 1 des Kodex
der Kanones der orientalischen Kirchen.
§ 2. Unbeschadet der Vorschrift
von § 1, 5o ist der Kongregation für die Glaubenslehre auch die schwerwiegendere
Straftat vorbehalten, die darin besteht, die vom Beichtvater oder vom Pönitenten in
einer echten oder vorgetäuschten sakramentalen Beichte gesagten Dinge mit irgendeinem
technischen Hilfsmittel aufzunehmen oder in übler Absicht durch die sozialen Kommunikationsmittel
zu verbreiten. Wer diese Straftat begeht, soll je nach Schwere des Verbrechens bestraft
werden, im Fall eines Klerikers die Entlassung oder Absetzung nicht ausgeschlossen.
Art.
5
Der Kongregation für die Glaubenslehre ist auch die schwerwiegendere Straftat
der versuchten Weihe einer Frau vorbehalten:
1° Unbeschadet der Vorschrift
von can. 1378 des Kodex des kanonischen Rechts zieht sich jeder, der einer
Frau die heilige Weihe zu spenden, wie auch die Frau, welche die heilige Weihe zu
empfangen versucht, die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafezu. 2° Ist aber derjenige, der einer Frau die heilige Weihe zu spenden, oder
die Frau, welche die heilige Weihe zu empfangen versucht, ein dem Kodex
der Kanones der orientalischen Kirchen unterstehender Christgläubiger, dann ist
diese Person, unbeschadet der Vorschrift von can. 1443 dieses Kodex, mit der großen
Exkommunikation zu bestrafen, deren Aufhebung ebenfalls dem Heiligen Stuhl vorbehalten
ist. 3° Wenn der Schuldige ein Kleriker ist, kann er mit der Entlassung oder Absetzung
bestraft werden.
Art. 6
§ 1. Die der Kongregation für die Glaubenslehre
vorbehaltenen schwerwiegenderen Vergehen gegen die Sitten sind:
1° Die von
einem Kleriker begangene Straftat gegen das sechste Gebot mit einem Minderjährigen
unter achtzehn Jahren; bezüglich dieser Straftat wird dem Minderjährigen eine Person
gleichgestellt, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist.
2° Der
Erwerb, die Aufbewahrung und die Verbreitung pornographischer Bilder von Minderjährigen
unter vierzehn Jahren in jedweder Form und mit jedwedem Mittel durch einen Kleriker
in übler Absicht.
§ 2. Ein Kleriker, der die Straftaten nach § 1 begangen hat,
soll je nach Schwere des Verbrechens bestraft werden, die Entlassung oder Absetzung
nicht ausgeschlossen.
Art. 7
§ 1. Unbeschadet des Rechts der Kongregation
für die Glaubenslehre, von der Verjährung in einzelnen Fällen zu derogieren, unterliegt
die strafrechtliche Verfolgung der Straftaten, die der Kongregation für die Glaubenslehre
vorbehalten sind, einer Verjährungsfrist von zwanzig Jahren.
§ 2. Die Verjährung
läuft nach can. 1362 § 2 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 1152 § 3
des Kodex der Kanones der orientalischen Kirchen. Bei der Straftat nach Art.
6 § 1, 1o dagegen beginnt die Verjährung mit dem Tag zu laufen, an dem
der Minderjährige das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat.
Zweiter Teil Verfahrensrechtliche
Normen Titel I Zusammensetzung und Zuständigkeit des GerichtsArt. 8
§
1. Die Kongregation für die Glaubenslehre ist das Oberste Apostolische Gericht für
die lateinische Kirche sowie für die katholischen Ostkirchen zur Behandlung der in
den vorausgehenden Artikeln dargelegten Straftaten.
§ 2. Dieses Oberste Gericht
behandelt auch die anderen Straftaten, die dem Angeklagten vom Kirchenanwalt vorgeworfen
werden, sofern dabei eine Verbindung in der Person oder über Komplizenschaft vorliegt.
§
3. Die Urteile dieses Obersten Gerichts, die innerhalb der Grenzen der eigenen Zuständigkeit
getroffen werden, unterliegen nicht der Approbation durch den Papst.
Art. 9
§
1. Die Richter dieses Obersten Gerichts sind von Rechts wegen die Mitglieder der Kongregation
für die Glaubenslehre.
§ 2. Der Versammlung der Mitglieder steht als Erster
unter Gleichen der Präfekt der Kongregation vor. Bei Abwesenheit oder Verhinderung
des Präfekten übt der Sekretär der Kongregation dieses Amt aus.
§ 3. Der Präfekt
der Kongregation hat das Recht, auch andere Richter auf Dauer oder für den Einzelfall
zu ernennen.
Art. 10
Die ernannten Richter müssen Priester reifen Alters
sein, ein Doktorat in Kirchenrecht besitzen und sich durch gute Sitten, vor allem
durch Klugheit und juristische Erfahrung, auszeichnen; sie dürfen zugleich ein Amt
als Richter oder Berater in einem anderen Dikasterium der Römischen Kurie ausüben.
Art.
11
Zur Erhebung und Vertretung der Anklage wird ein Kirchenanwalt eingesetzt,
der Priester sein, ein Doktorat in Kirchenrecht besitzen und sich durch gute Sitten,
vor allem durch Klugheit und juristische Erfahrung, auszeichnen muss; er übt sein
Amt in allen Stufen des Prozesses aus.
Art. 12
Für die Aufgaben des
Notars und des Kanzlers werden Priester bestellt, seien es Mitarbeiter der Glaubenskongregation
oder Externe.
Art. 13
Als Anwalt und Prokurator fungiert ein Priester,
der ein Doktorat in Kirchenrecht besitzt und vom Vorsitzenden des Richterkollegiums
approbiert wird.
Art. 14
Auch bei den anderen Gerichten können für die
in diesen Normen behandelten Fälle nur Priester die Ämter des Richters, Kirchenanwalts,
Notars und Anwalts gültig ausüben.
Art. 15
Unbeschadet der Vorschrift
von can. 1421 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 1087 des Kodex der
Kanones der orientalischen Kirchen, steht es der Kongregation für die Glaubenslehre
frei, von den Anforderungen der Priesterweihe und des Doktorats in Kirchenrecht zu
dispensieren.
Art. 16
Wann immer der Ordinarius oder Hierarch eine mindestens
wahrscheinliche Nachricht über eine schwerwiegendere Straftat erhält, muss er nach
Durchführung einer Voruntersuchung die Kongregation für die Glaubenslehre darüber
informieren. Wenn die Kongregation den Fall nicht aufgrund besonderer Umstände an
sich zieht, beauftragt sie den Ordinarius oder den Hierarchen, weiter vorzugehen,
unbeschadet des Rechts, gegebenenfalls gegen ein Urteil erster Instanz an das Oberste
Gericht der Kongregation zu appellieren.
Art. 17
Wenn ein Fall direkt
der Kongregation vorgelegt wird und noch keine Voruntersuchung stattgefunden hat,
können die prozessvorbereitenden Maßnahmen, die nach allgemeinem Recht dem Ordinarius
oder dem Hierarchen zukommen, von der Kongregation selbst durchgeführt werden.
Art.
18
Die Kongregation für die Glaubenslehre kann in den Verfahren, die ihr rechtmäßig
zugeleitet worden sind, unbeschadet des Rechts auf Verteidigung Rechtsakte heilen,
wenn von den untergeordneten Gerichten, die gemäß Art. 16 im Auftrag der Kongregation
handeln, bloße Verfahrensregelungen verletzt worden sind.
Art. 19
Unbeschadet
des Rechts des Ordinarius oder des Hierarchen, mit Beginn der Voruntersuchung Maßnahmen
nach can. 1722 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 1473 des Kodex
der Kanones der orientalischen Kirchen zu ergreifen, besitzt dieselbe Vollmacht
auch der turnusgemäße Vorsitzende des Gerichts auf Antrag des Kirchenanwalts unter
den Bedingungen, die in den genannten Kanones festgeschrieben sind.
Art. 20
Das
Oberste Gericht der Kongregation für die Glaubenslehre behandelt in zweiter Instanz:
1°
Die Verfahren, die von den untergeordneten Gerichten in erster Instanz behandelt worden
sind.
2° Die Verfahren, die vom Obersten Apostolischen Gericht selbst in erster
Instanz behandelt worden sind.
Titel II ProzessordnungArt. 21
§
1. Die der Kongregation für die Glaubenslehre vorbehaltenen schwerwiegenderen Straftaten
müssen in einem kanonischen Strafprozess untersucht werden.
§ 2. Es steht der
Kongregation für die Glaubenslehre jedoch frei:
1° In einzelnen Fällen von
Amts wegen oder auf Antrag des Ordinarius oder des Hierarchen zu entscheiden, gemäß
can. 1720 des Kodex des kanonischen Rechts und can. 1486 des Kodex der Kanones
der orientalischen Kirchen auf dem Weg eines außergerichtlichen Dekrets vorzugehen;
unbefristete Sühnestrafen können jedoch nur im Auftrag der Kongregation für die Glaubenslehre
verhängt werden.
2° Sehr schwerwiegende Fälle, bei denen die begangene Straftat
offenkundig ist und dem Angeklagten die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben worden
war, direkt dem Papst zur Entscheidung über die Entlassung aus dem Klerikerstand oder
über die Absetzung zusammen mit der Dispens von der Zölibatsverpflichtung vorzulegen.
Art.
22
Für die Behandlung einer Sache hat der Präfekt ein Richtergremium von drei
oder fünf Richtern zu bestellen.
Art. 23
Wenn der Kirchenanwalt in einem
Berufungsverfahren eine signifikant veränderte Anklage vorlegt, kann das Oberste Gericht
als erste Instanz diese zulassen und darüber urteilen.
Art. 24
§ 1.
In den Verfahren über Straftaten nach Art. 4 § 1 kann das Gericht den Namen des Anklägers
weder dem Angeklagten noch seinem Anwalt mitteilen, es sei denn, der Ankläger hat
ausdrücklich zugestimmt.
§ 2. Das Gericht muss dabei mit besonderer Aufmerksamkeit
die Glaubwürdigkeit des Anklägers beurteilen.
§ 3. Immer ist jedoch darauf
zu achten, dass jedwede Gefahr einer Verletzung des Beichtgeheimnisses absolut vermieden
wird.
Art. 25
Wenn ein Zwischenverfahren auftritt, hat das Richterkollegium
die Sache sehr rasch per Dekret zu entscheiden.
Art. 26
§ 1. Unbeschadet
des Rechts, an das Oberste Gericht zu appellieren, müssen die gesamten Akten des Verfahrens,
wenn die Sache bei einem anderen Gericht wie auch immer entschieden worden ist, von
Amts wegen umgehend an die Kongregation für die Glaubenslehre übersandt werden.
§
2. Die Frist, innerhalb derer der Kirchenanwalt der Kongregation das Urteil anfechten
kann, beginnt mit dem Tag zu laufen, an dem das Urteil erster Instanz dem Kirchenanwalt
mitgeteilt worden ist.
Art. 27
Gegen Verwaltungsakte für Einzelfälle,
welche die Kongregation für die Glaubenslehre in den Verfahren über ihr vorbehaltene
Straftaten erlassen oder approbiert hat, kann innerhalb der ausschließlichen Nutzfrist
von sechzig Tagen eine Verwaltungsbeschwerde an die Ordentliche Versammlung des Dikasteriums
(Feria IV) eingelegt werden, die über deren Begründung und Rechtmäßigkeit entscheidet.
Es besteht keine Möglichkeit eines weiteren Rekurses gemäß Art. 123 der Apostolischen
Konstitution Pastor Bonus.
Art. 28
Eine Entscheidung ist rechtskräftig: 1°
Wenn ein Urteil in zweiter Instanz ergangen ist. 2° Wenn gegen ein Urteil nicht
innerhalb eines Monats Berufung eingelegt worden ist. 3° Wenn der Berufungsantrag
bei einem Berufungsverfahren verfallen ist oder darauf verzichtet wurde. 4° Wenn
ein Urteil nach Vorschrift von Art. 20 gefällt worden ist.
Art. 29
§
1. Die Verfahrungskosten werden so beglichen, wie das Urteil es festsetzt.
§
2. Wenn der Beschuldigte die Kosten nicht tragen kann, sind sie vom Ordinarius oder
vom Hierarchen des Verfahrens zu begleichen.
Art. 30
§ 1. Die genannten
Verfahren unterliegen dem päpstlichen Amtsgeheimnis.
§ 2. Wer immer das Amtsgeheimnis
verletzt oder, sei es aus List oder aus schwerer Fahrlässigkeit, dem Angeklagten oder
den Zeugen einen anderen Schaden zufügt, ist auf Antrag des Geschädigten oder auch
von Amts wegen vom höheren Gericht mit angemessenen Strafen zu belegen.
Art.
31
In diesen Verfahren müssen neben den Vorschriften der vorliegenden Normen,
die für alle Gerichte der lateinischen Kirche und der katholischen Ostkirchen gelten,
auch die Kanones über die Straftaten, die Strafen und den Strafprozess des einen wie
auch des anderen Kodex angewandt werden. (rv 17.7.2010 ord)