2010-07-15 10:27:29

Milliardengewinn der Krankenkassen - Sparkurs im Gesundheitswesen?


RealAudioMP3 „Haushaltsdefizit“ lautet das Stichwort, das derzeit die öffentlichen Debatten rund um das Thema Sparkurs bestimmt – das trifft auf die EU-Länder ebenso zu wie auf den Vatikanstaat und zieht noch weitere Kreise. Vor diesem Hintergrund ist es als kleine Sensation zu sehen, dass die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland 2009 einen 1,4 Milliarden Euro Überschuss erwirtschaftet haben. Die entsprechende Bilanz von diesem Mittwoch ruft unterdessen alles andere als Euphorie hervor, zu präsent ist noch die Erinnerung an vergangene Woche, als die Bunderregierung an das Verständnis ihrer Bürgerinnen und Bürger dafür appellierte, in Punkto Gesundheit noch einmal tiefer in die Tasche greifen zu müssen. Also Missmut und Verwunderung ob der Haushaltsbilanz der Krankenkassen. Helene Maqua ist Sozialrechtsexpertin des Caritasverbandes und erklärt im Gespräch mit dem Kölner Domradio, warum die Bilanz auch offenlegt, dass es im Gesundheitswesen schon lange nicht mehr gerecht zugeht:

„Also ich bin völlig erschlagen von der Summe, weil wir ja auf der anderen Seite immer die Einschränkungen der Krankenkassen mitbekommen. Zum Beispiel können sich Familien, die ja sowieso eher am unteren Rande des Einkommens liegen, kaum die Zusatzbeiträge zu den gesetzlichen Krankenkassen leisten. Erst recht nicht die zusätzlichen Leistungen, die Ärzte dann noch außerhalb des Versicherungsschutzes berechnen. Es kann nicht angehen, dass Menschen zu uns in die Beratung kommen, die ihren Kindern keine ausreichende gesundheitliche Versorgung ermöglichen können. Es kann auch nicht angehen, dass in der Familienpflege gespart wird: Auf der einen Seite reden wir davon, junge Familien zu unterstützen, damit weniger Missbrauch an Kindern passiert, auf der anderen Seite werden uns diese Gelder gestrichen und wird unsere Arbeit unmöglich gemacht.“

Die Familien müssen folglich mehr im Blickpunkt des Gesundheitswesens stehen. Ein Richtungswandel der Gesundheitspolitik sei nun überfällig, folgert Maqua.

„Man sollte von den Plänen einer Gesundheitsreform erst einmal Abstand nehmen. Man sollte eine neue Berechnung starten und auch die Wohlfahrtspflege und die Caritas und die anderen Gesundheitsdienstleister mit ins Boot holen, die nicht an dem System verdienen möchten, sondern die zur Hilfe der Patienten und der Menschen in unserem Bistum und im Land da sind.“

Die Haltung der Krankenkassen selbst zu ihrer Haushaltsbilanz sei zu überdenken, meint die Sozialrechtsexpertin. Das Argument, dass die Wirtschaftskrise nächstes Jahr stärker zu spüren sei, dürfe nur bedingt gelten:

„Man kann natürlich wenig gegen Sparmöglichkeiten sagen. Natürlich sind wir auch dafür, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihre Beiträge wirtschaftlich verwalten. Auf der anderen Seite kann das aber nicht immer zu Lasten der Einrichtungen und Patienten gehen. Wir müssen in unseren Einrichtungen ja auch Tarifsteigerungen, die im kommenden Jahr anstehen, auffangen. Wenn wir das mit den existierenden Mitteln bewältigen müssen, kann das nur zu Lasten der Qualität in den Einrichtungen gehen - und das heißt zu Lasten der Patienten.”

(domradio 15.07.2010 vp)







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