2010-07-14 14:40:58

Frankreich: Burka-Verbot nimmt nächste Hürde


RealAudioMP3 Die französische Nationalversammlung hat am Dienstag einen Gesetzentwurf zum völligen Verbot von Burka und Nikab gebilligt. Die Abgeordneten stimmten am Dienstag in Paris mit 335 gegen 1 Stimme für das Verbot des islamischen Ganzkörperschleiers in der Öffentlichkeit. Die meisten Sozialisten und Kommunisten beteiligten sich nicht an der Abstimmung. Der Gesetzentwurf soll voraussichtlich im September vom französischen Senat behandelt werden. Anne Preckel kommentiert.

Das Burka-Verbot hat sich die französische Regierung buchstäblich auf die Fahnen geschrieben: In den heißen Diskussionen um den Ganzkörperschleier kamen im Wahlkampf Fragen um die nationale Identität und die französischen Werte mit auf den Tisch. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – klar, das wollen doch alle. Und tatsächlich gelang es der Regierungspartei UMP, Kritiker selbst in den eigenen Reihen auf Linie zu bringen. So schloss sich der parlamentarischen Entschließung gegen das Tragen des Ganzkörperschleiers im öffentlichen Raum im Mai diesen Jahres bereits eine überwältigende Abgeordnetenmehrheit an, Sozialisten inbegriffen. Mit der Abstimmung vom Dienstag ist eine weitere Hürde genommen: Sollte der Entwurf im Herbst den Senat passieren, tritt das Verbot 2011 in Kraft.

„Weg mit der Burka!“ Das klingt ähnlich wie vor sechs Jahren, als aus französischen Schulen unter Protest zahlreicher Muslimen und Musliminnen die Kopftücher verbannt wurden. Diese Verbote reihen sich ein in das Bestreben der französischen Regierung, jegliche religiösen Symbole – wie auch etwa große Kreuze oder die jüdische Kippa – aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, sollten sie dort zu sehr auffallen. So wird dann das geplante Burka-Verbot auch von der Mehrheit der Abgeordneten und Gesellschaft als Schritt zu mehr Freiheit und zu einem besseren Zusammenleben gewertet – und in der Politik darf die Rede von der Gleichberechtigung der Frau natürlich nicht fehlen.

Die Bedenken von Kritikern, darunter Sozialisten und Religionsvertretern, sind allerdings nicht von der Hand zu weisen. Sie sehen in dem möglichen Verbot einen Verstoß gegen persönliche Rechte und schließlich gegen die Verfassung. Wäre es nicht ein unermessliches Geschenk an Fundamentalisten, wenn das Gesetz durch das Verfassungsgericht oder den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof zu Fall gebracht würde? gibt der sozialistische Abgeordnete Jean Glavany zu Bedenken. Seine Fraktion enthielt sich Dienstag der Abstimmung, wenn sie auch grundsätzlich mit der Regierungspartei übereinstimme, „fundamentalistische Verhaltensweisen wie das Tragen von Burka und Nikab zu verbieten“. Um letzte Zweifel auszuräumen, hat die UMP einfach selbst die Prüfung des Gesetzes durch den Verfassungsrat beantragt.

In Frankreich leben nur knapp 2.000 Burka-Trägerinnen. Wenn das Gesetz im Frühjahr 2011 verbindlich werden sollte, winken ihnen beziehungsweise ihren Ehemännern, Brüdern und Vätern saftige Strafen: Geldbußen zwischen 150 bis 30.000 Euro sowie der Besuch eines „Nachhilfekurses in Bürgerrecht“ sind vorgesehen. Die Französischen Werte sind schließlich nicht billig zu haben, würde da vielleicht der rechte Rand der Verfechter des Verbotes sagen. Dass ein Burka-Verbot einen Keil in die Gesellschaft treiben könnte statt sie brüderlich zu vereinen, scheint kaum jemand zu befürchten. Oder vielleicht nur einer: Der ehemalige UMP-Abgeordnete und Villepinist Daniel Garrigue stimmte am Dienstag als einziger gegen das Burka-Verbot. Im Gespräch mit der katholischen Tageszeitung „La Croix“ kritisierte er: „Um ein extremistisches Verhalten zu bekämpfen, nimmt man das Risiko in Kauf, in eine totalitäre Gesellschaft abzurutschen.“

Wir können gespannt sein, was der Europäische Menschenrechtsgerichtshof zum französischen Burka-Verbot zu sagen hat – sollte er zur Frage angerufen werden.

(lacroix/afp/kna 14.07.2010 pr)







All the contents on this site are copyrighted ©.