2010-07-12 13:09:17

Kuba: Über den Verhandlungserfolg der Kirche


Die Kirche von Kuba feiert einen Verhandlungserfolg: 52 politische Gefangene werden aus ihrer Haft entlassen. Bis zum Wochenende waren bereits 17 von ihnen auf freiem Fuße, wie Angehörige und Vertreter des Vatikans in Havanna mitteilten. Sie sollen Anfang dieser Woche nach Spanien ausgeflogen werden. Stimmen zu dem Verhandlungserfolg von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi und dem Politikwissenschaftler Bert Hoffmann vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg. Außerdem blickt Radio Vatikan auf die Papstreise von Johannes Paul II. nach Kuba 1998 zurück:


RealAudioMP3 „Libertad!” „Freiheit!“ Der Ruf der Damas de Blanco scheint endlich erhöht zu sein. Woche für Woche zogen die Damen in weiß mit Gladiolen in den Händen durch Kubas Hauptstadt Havanna vor die Kirche Santa Rita. So protestierten sie gegen die Inhaftierung ihrer Männer und Söhne. An diesem Mittwoch hatte die Erzdiözese Havanna gute Neuigkeiten für die Frauen: Der Karibikstaat wird 52 politische Häftlinge aus dem Gefängnis entlassen. Das ist das Ergebnis eines gemeinsamen Treffens von Havannas Erzbischof Kardinal Jaime Ortega, Präsident Raul Castro und dem spanischen Außenminister Miguel Angel Moratinos. Und kurz darauf eine erste schöne Reaktion: Der Dissident Guillermo Farinas bricht seinen Hungerstreik nach 135 Tagen ab. Er wollte mit der Nahrungsverweigerung die Freiheit für kranke Mithäftlinge erreichen. Das sind wirklich gute Neuigkeiten meint Vatikansprecher Federico Lombardi:


„Die offizielle Mitteilung des Erzbischofs von Havanna über die Freilassung von mehr als 50 Häftlingen aus den kubanischen Gefängnissen, die auch die Tageszeitung der kommunistischen Partei Kubas veröffentlichte, und der Abbruch des Hungerstreiks des Journalisten Guillermo Farinas, sind die guten Neuigkeiten von der Karibik-Insel, die wir seit einigen Wochen erwartet haben. Das sind bedeutende Zeichen. Wir hoffen, dass sie auf einen stabilen Prozess hindeuten, hin zu einem Klima des erneuerten Zusammenlebens in sozialer und politischer Hinsicht.“ 
Eine entscheidende Rolle spielten in den Verhandlungen Havannas Erzbischof Ortega und der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Dionisio Garcia. Aber, das betont Lombardi, dies sei nur möglich gewesen, da die katholische Kirche tief im kubanischen Volk verwurzelt ist. Eine vom Volk getragene Kirche sei nun einmal der glaubwürdigste Vermittler. Der Vatikan habe von Beginn an eine klare Position in den Verhandlungen eingenommen und sich vor allem immer für eine Aufhebung des gegen Kuba verhängten Embargos ausgesprochen. Die USA hatten mit dem Embargo auf die Errichtung der sozialistischen Republik 1961 geantwortet und der damit einhergehenden Enteignung von US-Betrieben.


„Seit der Reise Johannes Paul II. bis hin zu den jüngsten Besuchen des Staatssekretärs, Kardinal Tarcisio Bertone und Monsignore Dominque Mamberti, bis hin zu diplomatischen Kontakten im Vatikan über die Situation auf Kuba, hat sich der Heilige Stuhl immer gegen das Embargo ausgesprochen und sich damit solidarisch mit den Leiden des Volkes gezeigt und auch bereit für die Unterstützung jedes konstruktiven Dialogs.“  
In seinem Wochenkommentar für Radio Vatikan zitiert Pater Lombardi Johannes Paul II..


„Auf dass sich Kuba der Welt öffne und die Welt sich Kuba!“, rief Johannes Paul II während seiner unvergesslichen Reise 1998. Mit Geduld sind wichtige Schritte in diese Richtung getan worden. Wir wünschen alle, dass dieser Weg weiterführt.“ 
Die jüngsten Meldungen aus Kuba bewertet der Politikwissenschaftler Bert Hoffmann vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien in Hamburg als einen ganz wichtigen Schritt in der Verhandlung zwischen der Kirche, der Opposition und der Regierung in Havanna mit internationaler Unterstützung.

„Die katholische Kirche in Kuba hat seit geraumer Zeit eine Vermittlerrolle eingenommen, zwischen der Regierung und der politischen Opposition, und es zeichnete sich ab, dass auch im Bereich der politischen Häftlinge Bewegung in die Haltung der Regierung kommt. Man hat das vorher schon angekündigt, dass kranke Häftlinge verlegt werden in Krankenhäuser, andere näher an ihre Familien heran und es bahnte sich schon etwas an, dass es jetzt tatsächlich 52, also alle, die von der Verhaftungswelle 2003 noch im Gefängnis waren, freigelassen werden sollen, das ist sicherlich etwas mehr, als man unbedingt hätte erwarten können. Im Moment ist es noch eine Ankündigung, es sind wohl fünf jetzt schon freigelassen worden, das wird sich über einen Prozess von mehreren Wochen und Monaten noch hinziehen.“ 
Die 52 Amnestie-Kandidaten waren im März 2003 festgenommen worden. Innerhalb kurzer Zeit wurden damals insgesamt 75 kubanische Regierungsgegner verhaftet und zu Gefängnisstrafen zwischen sechs und 28 Jahren verurteilt. Die Aktion bekam von der Opposition den Namen „Schwarzer Frühling“. Damals verschlechterte sich auch das Verhältnis zwischen den Mitgliedsländern der EU und Kuba. Erst mit dem Führungswechsel in Kuba von Fidel Castro hin zu Raul Castro wurde der Ton etwas entspannter. Hoffmann schreibt auch bei der aktuellen Amnestie Raul Castro eine wichtige Rolle zu.


„Fidel Castro ist nicht mehr die unsichtbare Macht hinter dem Thron, Raul Castro ist wirklich Regierungschef und trifft Entscheidungen sehr viel pragmatischer als sein Bruder und ist auch sehr darum bemüht als verlässlicher Verhandlungspartner international und national jetzt auch wahrgenommen zu werden. Wirtschaftlich ist ganz klar, eine relativ dramatische Situation der Regierung des Staates von Kuba der Hintergrund, warum man eine Aussöhnung mit Teilen der Gesellschaft, auch mit der internationalen Gesellschaft sucht, das Land kann sehr viel weniger importieren als vorher. Es gibt Versorgungsengpässe aller Art und man ist da auch zum Beispiel mit Europa in einer wirtschaftlichen Besserung der Beziehungen bemüht.“ 
Der Politikwissenschaftler hofft im Zuge der Amnestie-Ankündigung auch auf ein Klima größerer Diskussionsmöglichkeit im Land. Denn das brauche der Staat. Schließlich habe er auch nicht mehr die gleiche Legitimation wie noch vor 30 oder 40 Jahren. Trotz jüngster Zugeständnisse seitens Kubas bleibt Hoffmann skeptisch:


„Die Gesetze und die Möglichkeiten des Staates neuerlich Leute auf Grund von Meinungsdelikten zu verhaften, das bleibt bestehen, das sind Aspekte, die hierbei nicht vergessen werden dürfen, aber trotzdem soll man diese Geste nicht kleinreden, das ist für die Gefangenen natürlich persönlich sehr lebensbedeutend und aber auch politisch ist es ein ganz wichtiges Zeichen, das der Staat zu Verhandlungslösungen bereit ist, um bestimmte Sachen voranzubringen und ich denke, das ist sehr wichtig in der aktuellen Situation.“ 
Und die Situation ist stark von dem mächtigen Nachbarn USA beeinflusst. Über eine Million Kubaner leben in den Vereinigten Staaten. Darum setzt auch Havannas Erzbischof Ortega große Hoffnungen in die US-Regierung. Auch Hoffmann meint, dass ein Auflockern der Fronten hier noch entscheidender ist als in den Beziehungen zur Europäischen Union:


„Die Regierung Obama ist von sich aus auch sicherlich viel pragmatischer als es die Vorgängerregierung unter Bush war. Das ist sehr viel weniger ideologisch belastet und Obama hat ein paar Schritte eingeleitet. Dazu gehört, dass die Exil-Kubaner ihren Familien auf der Insel wieder Geldsendungen schicken dürfen, dass sie besser besuchen dürfen, das sind Vorschritte, die alleine machen noch keinen ganz großen Wandel. Letztlich wird sich die Situation Kubas ganz stark daran entscheiden, ob sich der Konflikt mit den USA in eine friedliche und pragmatische Richtung geht, ohne Revangegefühle oder ob man weiter in der Frontstellung verharrt und dann auch vielleicht sehr massive Konflikte eines Tages hat."
  
Eine letzte große Amnestiewelle auf Kuba hat es 1998 gegeben. Kurz nachdem Papst Johannes Paul II. dem Land einem Besuch abgestattet hatte. Damals entließ die Regierung 299 Gefangene, darunter rund 100 politische Häftlinge. Mit großen Ehren wurde Johannes Paul am Flughafen von Havanna am 21. Januar empfangen und vier Tage später verabschiedet. Mit dabei war auch der damalige Regierungschef Fidel Castro. Er hatte Johannes Paul II auf die Karibikinsel eingeladen. Der Papst besuchte vier der elf Diözesen, feierte große Messen, besuchte Kranke und er wandte sich zum Abschluss seiner Apostolischen Reise an die kubanischen Bischöfe:


„Das kubanische Volk hofft und setzt großes Vertrauen in die Kirche. Das habe ich während der vergangenen Tage beobachtet. Wohl wahr, einige der Erwartungen übersteigen die spezifische Mission der Kirche, aber soweit wie möglich muss die Kirchengemeinschaft sie alle in Betracht ziehen. Meine lieben Brüder, Ihr seid durch Eure Nähe zum Volk privilegierte Zeugen dieser Erwartungen. Viele aus dem Volk vertrauen wahrhaft auf Jesus Christus, den Sohn Gottes, und sie vertrauen auf seine Kirche, die auch angesichts zahlreicher Schwierigkeiten immer treu bleibt.“ 
Johannes Paul II mahnte damals:


„Wenn Wertmaßstäbe umgekehrt werden und Politik, Wirtschaft und soziale Unternehmungen nicht mehr im Dienst der Menschen stehen, dann wird der Mensch mehr und mehr zu einem Mittel. Er steht dann nicht mehr im Mittelpunkt aller dieser Aktivitäten, sondern er erfährt ein essentielles Leid. Menschen werden dann nur noch als Verbraucher angesehen und Freiheit versteht sich nur noch in einem sehr individuellen und reduzierten Sinne. Keines dieser sozialen und politischen Modelle fördert ein Klima der Offenheit hin zu einer Transzendenz der Person, die wirklich frei nach Gott sucht. Ich fordere Euch darum auf, Eueren Dienst der Verteidigung und Förderung der menschlichen Würde fortzusetzen.“ 
Und diese Aufforderung haben die Bischöfe Kubas sehr ernst genommen, wie die Meldungen über die jüngste Amnestiewelle und regelmäßige Treffen mit der Regierung zeigen. Vielleicht sind diese Worte noch Havannas Bischof Jaime Ortega gut in Erinnerung, mit denen sich Johannes Paul II. verabschiedete:


„Meine lieben Brüder, zum Abschluss dieser Überlegungen möchte ich Euch versichern, dass ich voller Hoffnung auf die Zukunft nach Rom zurückkehre nachdem ich diese lebendige Kirche erleben durfte. Ich weiß um das Ausmaß der Schwierigkeiten, denen Ihr gegenüber steht. Aber ich sehe auch Euren tapferen Geist und Eure Fähigkeit diese Aufgabe anzunehmen. Voll Vertrauen fordere ich Euch darum auf, Gesandte der Versöhnung zu werden. So dass die Leute, die Euch vertrauen, die Probleme der Vergangenheit ablegen können und sich ausnahmslos einem Weg der Versöhnung unter allen Kubanern nähern können. Wie Ihr alle sehr gut wisst, Verzeihung ist vereinbar mit Gerechtigkeit. Die Zukunft dieses Landes muss auf Frieden gebaut sein. Denn Friede ist die Frucht von angebotener und angenommener Gerechtigkeit und Vergebung.“

(rv/diverse 10.07.2010 kk)








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